Zusammenfassung
Er erfuhr die Namen der Killer, die eine blutige Spur durch Nevada, Arizona und New Mexico zogen, und setzte sich auf ihre Fährte. Wochenlang ritt er. Dann hatte er den letzten der Mörder getötet. Doch etwas war in ihm zerbrochen. Und nichts mehr hielt ihn an einem Ort. Er nahm in einer wilden Stadt den Stern, kehrte sie mit eisernem Besen, ritt in die nächste wilde Stadt, bot seine Dienste an. Er steckte sich den Sechszack ans Hemd, kämpfte und tötete und nahm wieder Hunderte von Meilen unter die Hufe seines Pferdes.
Er wurde zum Gesetzesfanatiker. Sein Name bekam einen Klang wie Donnerhall: Colt-Shannon!
Bei den Banditen löste er ein Frösteln aus. Den Menschen, die ihn nicht zu fürchten hatten, verlieh er Sicherheit. Sein Name wurde zum Synonym für Recht und Ordnung. Sein Name war Gesetz.
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Sein Name war Gesetz: Pete Hackett Western Edition 34
Western von Pete Hackett
Rhett Shannon hat sich, nachdem vor ca. fünf Jahren seine Frau und seine Eltern skrupellos ermordet wurden, einen Ruf als Verfechter des Gesetzes gemacht. Er zieht durchs Land und wird immer wieder Sheriff oder Marshal in verschiedenen Städten. Jetzt kommt er nach Lordsburg, wo er bei seiner Ankunft dem jungen Pepe den Tod durch den Strick erspart und seine Peiniger zur Strecke bringt. Er nimmt auch hier die Stelle des Marshals an, allerdings zieht er durch seinen Ruf die Verbrecher nur so an.
Über den Autor
Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G. F. Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.
Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G. F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."
Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-Book bei CassiopeiaPress.
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress
Eines Tages war Rhett Shannon nach Hause gekommen. Das Bild, das ihm in die Augen sprang, war schrecklich. Es brannte sich ihm unauslöschlich ein. Auf dem Hof der Pferdewechselstation lag sein Vater, tot, von unzähligen Kugeln getroffen. Im Haus fand er seine Mutter und Mabel, seine Frau - geschändet und tot. In den erstarrten Mienen las er die stumme Qual. In den gebrochenen Augen stand das namenlose Grauen.
Er erfuhr die Namen der Killer, die eine blutige Spur durch Nevada, Arizona und New Mexico zogen, und setzte sich auf ihre Fährte. Wochenlang ritt er. Dann hatte er den letzten der Mörder getötet. Doch etwas war in ihm zerbrochen. Und nichts mehr hielt ihn an einem Ort. Er nahm in einer wilden Stadt den Stern, kehrte sie mit eisernem Besen, ritt in die nächste wilde Stadt, bot seine Dienste an. Er steckte sich den Sechszack ans Hemd, kämpfte und tötete und nahm wieder Hunderte von Meilen unter die Hufe seines Pferdes.
Er wurde zum Gesetzesfanatiker. Sein Name bekam einen Klang wie Donnerhall: Colt-Shannon!
Bei den Banditen löste er ein Frösteln aus. Den Menschen, die ihn nicht zu fürchten hatten, verlieh er Sicherheit. Sein Name wurde zum Synonym für Recht und Ordnung. Sein Name war Gesetz.
*
Vielleicht war es Zufall, vielleicht aber auch eine Fügung des Schicksals, dass Colt-Shannon gerade an diesem Tag nach Lordsburg kam. Er ritt in die Town und spürte sofort ihren bösen Atem. Es war um die Mittagszeit, und die Menschen hielten Siesta. Die Luft war zum Schneiden. Staubspiralen trieben über die Straße. Zwischen den Häusern, die teils aus Holz, teils aus Adobeziegeln errichtet waren, brütete die Hitze. Die stampfenden Hufe seines Pintos rissen Staubfahnen in die glühende Luft.
Shannon war dreißig Jahre alt, aber das Leben hatte bereits unübersehbare Spuren in seinem hageren Gesicht hinterlassen. Tiefe Rinnen zogen sich von seinen Nasenflügeln bis zu seinen Mundwinkeln. Seine rauchgrauen Augen blickten kühl.
Er war hart, dieser Mann. Hart und unbeugsam. Etwas Raubtierhaftes ging von ihm aus, etwas Gefährliches, etwas, das nicht vielen Männern anhaftete.
Ein bemerkenswerter Mann.
Er bog aus einer Seitenstraße in die Plaza, deren Mittelpunkt ein Brunnen mit einer Gruppe alter Akazien bildete, als irgendwo ein Schuss krachte. In das zerflatternde Echo hinein fiel ein zweiter, und dann krachte und donnerte es, als wäre der Krieg ausgebrochen.
Shannon verhielt den Pinto. Das Pferd spitzte die Ohren und schlug mit dem Schweif. Die Augen des Mannes waren schmal geworden. Er befand sich im Schatten eines Hauses in der Mündung der Gasse und ließ seinen tastenden Blick über die Häuserfronten auf der anderen Seite der sonnenüberfluteten Plaza schnellen. Automatisch hatte sich seine Linke um den abstehenden, abgegriffenen Kolben des 45ers gelegt. Eine unbewusste Geste, die ihm zur zweiten Natur geworden war.
Aus einer Gasse auf der anderen Seite stürmte ein Mann. Er war jung. Seine Haut war dunkel, sein Haar so schwarz wie das Gefieder eines Raben. Er rannte um sein Leben. Dreimal schoss er hinter sich, jagte seine Kugeln hinein in die Gasse, dann hastete er nach links davon. Auf den Gehsteigbohlen hämmerten seine Absätze ein hartes Stakkato.
Shannon saß wie erstarrt auf seinem Pferd, beobachtete den jungen Mexikaner, der sich im Schatten der überspringenden Vorbaudächer bewegte, und wartete ab.
Drei Verfolger tauchten auf. Kerle mit bärtigen Gesichtern und triebhafter Mordgier in den glitzernden Augen. Wie hineingeschmiedet lagen die schweren Coltrevolver in ihren klobigen Fäusten. Sie jagten ein paar Kugeln hinter dem Flüchtenden her. Einer rief: »Vorwärts, holen wir uns den Bastard!«
Sie fegten los. Keiner von ihnen achtete auf den Reiter in der Gassenmündung. In seinem grimmigen Gesicht arbeitete es. Drei gegen einen - es gefiel ihm nicht. Es interessierte ihn nicht, was der Verfolgungsjagd vorausgegangen war. Für ihn zählte nur, dass der junge Mexikaner sich in großer Not befand.
Der Verfolgte verschwand in einem Gebäude. Krachend flog die Tür hinter ihm zu. Shannon glaubte den Riegel knirschen zu hören. Er presste die Lippen aufeinander. Ringsum kamen einige verängstigte Menschen aus ihren Behausungen.
Was ging in dieser Stadt vor sich?
Die drei bärtigen Kerle hämmerten fluchend gegen die Tür, hinter der der Mexikaner verschwunden war. Einer warf sich dagegen. Berstend flog sie auf. Die rabiaten Burschen drängten in die Dunkelheit des Flurs. Wildes Geschrei wehte auf die Plaza, dann krachte ein Schuss.
Shannon konnte sich nicht entschließen. Sollte er sich einmischen? Sollte er es zu seiner Sache machen?
Die Rowdies kamen zurück auf die Plaza. Sie zerrten den jungen Mexikaner mit sich. Wie Schraubstöcke umklammerten ihre Hände seine Arme. Aus seiner Schulter lief Blut. Es färbte sein Hemd dunkel. Er wand sich in ihrem Griff, warf sich hin und her, warf seinen Kopf in den Nacken und brüllte seine Angst hinaus. Aber er hatte keine Chance.
Aus der Gasse, aus der vor wenigen Minuten der Gejagte und seine Jäger hetzten, stapften drei Männer. Bei jedem ihrer wiegenden Schritte schwangen ihre Arme vor und zurück. Sie trugen die Schießeisen tief.
Shannon befeuchtete mit der Zungenspitze seine pulvertrockenen Lippen, fixierte diese drei und schätzte sie ein. Es waren zweibeinige Wölfe, skrupellos, unberechenbar, tödlich wie Schlangengift. Mit dieser Sorte kannte er sich aus. Ein helles Flirren trat in seine Augen.
Die drei bärtigen Schlägertypen schleppten den jungen Mexikaner vor die drei neu hinzugekommenen Kerle und stießen ihn in den Staub. Ringsum zogen sich die Neugierigen zurück. Haustüren klappten. Fenster wurden geschlossen. Irgendwo bellte ein Hund. Er verstummte kläglich winselnd. Ruhe kehrte ein. Es war, als hielte die Stadt den Atem an.
»Da hast du diesen Bastard, Wes.«
Die raue, kratzende Stimme erreichte Shannons Ohren. Er sah, wie der Sprecher dem Mexikaner einen derben Tritt versetzte.
Wes Terrigan, der große blonde Bursche mit dem Kreuzgurt um die schmalen Hüften, verschränkte die Arme vor der Brust, spuckte geringschätzig in den Staub und grollte: »Yeah, O'Mally. Das ist gut.« Ein böser Ausdruck trat in seine Züge, sein Kopf stach vor wie der eines Raubvogels. »Steh auf, du elende Ratte!«, zischte er.
Der Mexikaner wand sich im Staub, von Angst gepeitscht.
»Stellt ihn auf die Beine!«, befahl Terrigan.
»Warum trittst du ihn nicht einfach in den Staub wie einen Wurm?«, fragte Tom Jordan, der sich neben Terrigan aufgebaut hatte, gehässig.
»Ich will ihn hängen sehen!«, stieß Terrigan hervor.
Shannon kam die Galle hoch. In seinen Mundwinkeln waren plötzlich zwei tiefe Kerben. Seine Schultern strafften sich.
»Steh auf, du Kröte!«, fauchte O'Mally, ein verkommenes Subjekt, und trat brutal zu.
Der Junge zuckte schmerzhaft zusammen. Mit dem Schweiß, der ihm über das schmale braune Gesicht lief, vermischte sich der Staub zu einer schmutzigen Schicht. Er knirschte zwischen den Zähnen des Mexikaners und brannte in seinen Augen. Und sein Schrei zitterte noch in der Kehle, als ihn Joe Latigo und Juan Rodriguez auf die Beine zerrten. Er hing förmlich in ihren Fäusten. Sein Wimmern war steinerweichend. Mitleidlos fixierte Terrigan das schlotternde Bündel Mensch.
Shannon bereitete sich darauf vor einzugreifen. Sie waren sechs und sicher mit allen schmutzigen Wassern gewaschen. Er war allein. Aber in der Trommel seines 45ers steckten sechs Kugeln - für jeden von ihnen eine.
Colt-Shannons Miene drückte eherne Entschlossenheit aus.
Ein hysterischer Schrei gellte über die Plaza. Eine junge Frau rannte mit wehenden Haaren und gerafftem Rock aus der Gasse. Das Entsetzen verzerrte ihr Gesicht. Shannon sah, dass die weiße Bluse, die sie trug, an der Schulter zerfetzt war. Ein Stück braune Haut war zu sehen. Shannon staunte. Die sechs Kerle wandten sich ihr zu. Ein hämisches, abstoßendes Lachen ertönte. Die Mexikanerin rief, und Verzweiflung schwang in ihrem Tonfall mit: »Lass Pepe in Ruhe, Terrigan! Er wollte doch nur …«
Wes Terrigan schnitt ihr grob das Wort ab. »Was er wollte, ist gleichgültig. Was er getan hat, zählt. Das ist so, Maria. Er hat mich ins Gesicht geschlagen und mich einen dreckigen Hibrido genannt. Dafür bezahlt er.«
Maria Montez taumelte gegen einen Vorbaupfosten und hielt sich daran fest. Der Saum ihres roten Kleides fiel in den Staub. Ihre vollen, sinnlichen Lippen zuckten, sekundenlang verschloss ihr die Angst den Mund. Schließlich entrang es sich ihr gequält: »Ich werde dir zu Willen sein, Terrigan. Du kannst von mir alles verlangen. Aber lass Pepe in Ruhe. Er wollte mich vor deinen Compañeros beschützen. Bitte, Terrigan …«
»Verschwinde, elende Puta!«, fauchte Terrigan. »Was ich will, hole ich mir. Und du wirst es mir geben, freiwillig oder unfreiwillig. Verschwinde und warte in der Pulqueria auf mich.«
»Pepe ist noch so jung, Terrigan …« Marias Stimme flehte. Mit dem Blick ihrer dunklen Glutaugen beschwor sie Terrigan.
Aber der war kalt wie ein Eisblock. »Mich schlägt man nicht ungestraft. Und jetzt verschwinde!«
Shannon konnte sich zusammenreimen, was geschehen war. Die Strolche hatten das Mädchen bedrängt. Der junge Mexikaner war ihr zu Hilfe gekommen und hatte diesen Terrigan geschlagen. Den Rest hatte er selbst erlebt.
Oh, verdammt!, durchpeitschte eine klirrende Stimme Shannons Verstand. Warum rührt sich diese Stadt nicht? Warum lassen die Bürger diesen Terror zu? Nach allem, was er vernommen hatte, besaß Maria eine Pulqueria in dieser Town. Also gehörte sie hierher. Die sechs Kerle hingegen vermittelten den Eindruck von heruntergekommenen Sattelstrolchen. Gab es hier keinen Sheriff? Gab es hier nichts, was dem Treiben dieser Schufte Einhalt gebieten konnte?
Diese Fragen stürmten auf Shannon ein. Und irgendetwas mahnte ihn, sich noch zurückzuhalten und abzuwarten.
»Hol ein Lasso, O'Mally!«, presste Terrigan zwischen den Zähnen hervor.
Der bärtige Bursche spritzte davon. Pepe zitterte am ganzen Körper. In seinem Gesicht zuckte es. Sein Mund klaffte auf. Aber ein Stau aus Angst und Grauen erstickte seine Worte im Ansatz, und er brachte nur ein würgendes Gurgeln hervor.
Terrigan deutete auf die Akazien beim Brunnen. Latigo und Rodriguez schleppten Pepe davon. Terrigan, Jordan und Steve Frawler folgten.
Maria wollte schreien, aber ihre Stimme versagte. Sie hetzte los, stolperte, stürzte, kam wieder auf die Beine und hastete weiter. Mit einem zitternden Atemzug lähmenden Entsetzens, der sich ihrer Brust entrang, löste sich endlich der Schrei von ihren Lippen, der ihr tief im Hals gesteckt hatte. Die Verzweiflung raubte ihr fast den Verstand. »Terrigan, halt ein!«
Shannon durchrann es wie ein Fieberschauer. Der Aufschrei, in dem sich alle Empfindungen des Mädchens offenbarten, erschütterte ihn bis ins Mark.
Maria warf sich vor Terrigan auf die Knie, umklammerte dessen Beine. Er stieß sie einfach um, trat einen halben Schritt zurück und fluchte lästerlich. Marias Gesicht war staubgepudert. Wirr hingen ihr die schwarzen Haare in die Stirn.
Für Shannon war es an der Zeit, einzugreifen.
*
Er ruckte im Sattel. »Hüh!« Der Pinto setzte sich in Bewegung. Der Hufschlag hallte über die Plaza. Shannons Augen lagen im Schatten der Hutkrempe. Der untere Teil seines Gesichts wirkte ausdruckslos, wie versteinert.
Die Strolche wirbelten zu ihm herum und duckten sich ein wenig. Jordan, Frawler und O'Mally ließen das Seil los. Gierig sog Pepe die Luft in seine Lungen. Mit den Augen eines waidwunden Tieres sah er dem Fremden entgegen, der furchtlos näher kam. Latigo und Rodriguez nahmen ihre Hände von dem Jungen und ließen sie über den Revolverkolben schweben.
Mit erloschenem Blick starrte Maria auf den Fremden. Sie war schmutzig, abgerissen, gedemütigt und verzweifelt. Aber von diesem Fremden ging etwas aus, das Sicherheit verlieh. Sie rappelte sich auf. Mechanisch fing sie an, ihre Haare und ihre Kleidung in Ordnung zu bringen.
Terrigans Augen bekamen einen raubtierhaften Ausdruck. Die Atmosphäre war unvermittelt angespannt. Eine stumme Warnung ging von Shannon aus. Die Kerle starrten ihm entgegen. Über der Plaza lag eine unheilvolle Spannung.
Der Hufschlag brach ab. Shannon zog das Pferd ein wenig um die rechte Hand, während seine Linke auf dem Coltknauf lag. Locker, ohne dass sich die Finger um den Kolben spannten. Die zwielichtigen Typen vor ihm nahmen die Haltung sprungbereiter Raubtiere an.
»Was willst du, Stranger?«, fragte Terrigan mit kratzender Stimme. »Siehst du nicht, dass du störst?«
»Wie kann ein Mann stören, der einen Mord verhindert?«, entgegnete Shannon eisig. Er war ein Bündel gespannter Aufmerksamkeit, hellwach und auf blitzartige Reaktion eingestellt. Denn ein Blick in ihre Gesichter führte ihm ihre ganze Unberechenbarkeit und Skrupellosigkeit vor Augen. Das waren keine gewöhnlichen Strolche, sondern hundsgemeine Banditen, die nur eine Sprache verstanden: die der Fäuste und Colts. Und in dieser Sprache wollte Shannon sich auch mit ihnen unterhalten.
»Einen Greaser aufzuhängen, ist kein Mord«, erklärte Terrigan höhnisch, und seine Hand berührte den Coltgriff. »Aber wir hängen dich gerne neben ihn, Stranger. Hast du einen Namen, damit wir etwas auf dein Grabkreuz schreiben können?«
»Ich heiße Rhett Shannon.«
Jordan zuckte zusammen, beugte sich unwillkürlich vor, seine Augen waren verkniffen. »Doch nicht etwa Colt-Shannon, der Gesetzesmann?«
»Genau der.« Die beiden Worte fielen wie Hammerschläge.
Sekundenlang schienen die sechs Männer angesichts dieser Eröffnung gelähmt zu sein, aber schließlich gelang es Terrigan, den Bann abzuschütteln. Seine Brauen zuckten in die Höhe. Er legte den Kopf schief und schürzte die Lippen. »Und jetzt denkst du, dass wir vor Ehrfurcht im Boden versinken, wie?« Er fixierte Shannon, doch unter seiner aufgesetzten Gelassenheit schien er zutiefst verwirrt zu sein.
Shannon nickte bedächtig. »Du wirst im Boden versinken, Amigo, sechs Fuß tief. Es sei denn, ihr verschwindet und lasst diese Menschen in Ruhe.«
Ein ironisches Grinsen verzerrte Terrigans Züge. Mit entblößten Zähnen stieß er wild hervor: »Du gehst leichtfertig um mit deinen Versprechen, Colt-Shannon. Möglich, dass du bisher Glück hattest und nur Kerlen begegnetest, die dritte oder vierte Garnitur waren. An uns aber wirst du dir die Zähne ausbeißen.« Terrigans Grinsen verstärkte sich nach diesen Worten, sein Gesicht veränderte sich zur grausamen, zynischen Maske.
Maria fasste sich ein Herz und trat zu Pepe, streifte ihm die Schlinge über den Kopf und führte ihn zum Brunnen. Keiner ihrer Peiniger achtete darauf. Sie standen da und warteten wohl auf Terrigans Kommando. Ihre Haltung war herausfordernd. Sie waren in sechsfacher Überzahl, und jeder von ihnen war ein Akrobat mit dem Schießeisen. Dieser verstaubte Mister auf seinem abgetriebenen Gaul war in ihren Augen so gut wie tot. Für kurze Zeit hatte ihnen sein Name Respekt eingeflößt, aber dann besannen sie sich auf ihre Kampferfahrung. Und ihre Überheblichkeit hatte wieder die Oberhand gewonnen.
»Verschwindet!«, stieß Shannon hervor. Das Aufblitzen in seinen Augen mutete an wie ein Signal.
Terrigan zog. Er bekam das Eisen aus dem Halfter, doch die Mündung zeigte noch auf den Boden, als er schon in das dunkle Mündungsloch von Shannons 45er starrte. Knackend drehte sich die Trommel um eine Kammer weiter, als Shannon den Hammer zurückzog.
Terrigans Kumpane hatten ebenfalls nach den Revolvern gegriffen. Aber ihr Verstand holte diese Bewegung ein. Wenn sie zogen, würde Terrigan heißes Blei schlucken. Sie hielten inne. Wie Adlerklauen hingen ihre Hände über den Knäufen. Ungläubig fixierten sie Shannon. Nie zuvor in ihrem Leben hatten sie einen Mann so blitzartig seinen Colt ziehen sehen. Ihnen wurde klar, dass ein solcher Mann nicht eine einzige Kugel verschwenden würde. Und in der Trommel seines 45ers befand sich für jeden von ihnen eine.
»Ablegen!«, kommandierte Shannon. Seine Hand mit dem Colt pendelte von einem zum anderen und kehrte zu Terrigan zurück.
Dessen Arm mit dem Eisen hing schlaff nach unten. Der zweite Colt steckte noch im Halfter. Terrigans Linke spreizte und schloss sich. Längst war sein hohnvolles Grinsen verwischt.
»Du wirst es bereuen, Shannon!«, zischelte er und war bemüht, seine Erregung nicht zu zeigen. »Greaserfreunde werden hier nicht alt. Noch hast du die Chance, auszusteigen aus diesem Spiel. Wende deinen Gaul und verlass Lordsburg. Andernfalls wirst du keine ruhige Minute mehr haben.«
Völlig unbeeindruckt erwiderte Shannon: »Ich zähle bis drei. Und wenn dann eure Gürtel mit den Kanonen nicht im Staub liegen, wird's heiß! Also …«
Juan Rodriguez glaubte seine Chance wahrnehmen zu müssen, da er Shannon durch Terrigan abgelenkt wähnte. Seine Rechte zuckte nach unten. Er war schneller als je zuvor in seinem Leben. Der Zug des mexikanischen Bravados war eine fließende Bewegung von Hand, Arm und Schulter. Der Colt flirrte hoch. Das Sonnenlicht brach sich auf dem Metall.
Shannon war auf der Hut. Ein kaum wahrnehmbarer Ruck seines linken Armes, ein Druck mit dem Zeigefinger. Ein Feuerstrahl raste aus dem Lauf, stieß am Hals des Pintos vorbei genau auf den Mexikaner zu. Der Hall des Schusses verlor sich in den Gassen. Rodriguez wurde herumgerissen und geschüttelt und taumelte in den Staub. Ein Zucken seines Körpers, ein ersterbendes Röcheln - aus.
Der Schuss jedoch war die Ouvertüre zu einer mörderischen Tragödie. Die Banditen wollten es genau wissen. Wie auf ein geheimes Kommando zogen sie. Shannon gab dem Pinto unbarmherzig die Sporen. Wie von der Sehne geschnellt sprang das Tier an und rammte mit seiner breiten Brust Tom Jordan. Shannon schoss auf Frawler und sah ihn wie vom Blitz getroffen zusammenbrechen. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie Maria den verwundeten Pepe hinter den Brunnen zerrte und zu Boden drückte.
Dann war Shannon zwischen den Akazien. Er sprang ab und nahm die Winchester mit, hechtete zur Seite und rollte hinter einen Baum. Ein wahrer Kugelhagel folgte ihm. Die Projektile bohrten sich in die Stämme und zersplitterten die Rinde. Der Pinto knickte auf dem hinteren linken Bein ein, als es eine Kugel durchschlug, er wieherte trompetend. Es hörte sich fast an wie ein menschlicher Schmerzensschrei.
Brüllend spritzten vor dem Brunnen die Banditen auseinander. Kugel um Kugel jagten sie zwischen die Stämme. Shannon zielte ruhig und eiskalt. Dann krümmte er den Finger. Latigo wurden die Beine unter dem Leib weggerissen. Für den Bruchteil einer Sekunde hing er quer in der Luft, dann prallte er hart auf die Erde.
Im Zickzack rannte Terrigan auf eine Seitengasse zu. Jordan und O'Mally suchten ebenfalls ihr Heil zunächst einmal in der Flucht. Schießend zogen sie sich zurück. Geduckt, verkrampft, von einem instinktiven Selbsterhaltungstrieb getrieben.
Shannons vierte Kugel fegte O'Mally von den Beinen. Er brüllte wie am Spieß, plötzlich aber verstummte sein Geschrei. Der Kopf rollte auf die Seite, eine schreckliche Leere trat in sein Gesicht, die Augen wurden glasig.
Mit einem mächtigen Satz erreichte Terrigan den Schutz der Gasse. Jordan warf sich unter einem Vorbaudach hinter eine Regenwassertonne. Das Grollen der Schüsse verebbte. Eine bleierne Ruhe senkte sich über Lordsburg. Shannon lehnte die Winchester an den Baum, kauerte nieder und äugte über die Plaza. Dann schaute er nach seinem Pferd. Er sah das Blut über das verwundete Bein rinnen und im Boden versickern. Sein Zorn auf die Halunken wuchs. Das Tier stand mit geblähten Nüstern und schnaubte vor Schmerzen. Im Augenblick konnte Shannon für den Pinto nichts tun. Er suchte nach Maria und Pepe. Die beiden waren hinter dem gemauerten Brunnen verschwunden. Auf der Plaza lagen vier tote Kerle, die das Gesetz mit Füßen getreten hatten.
*
»Maria!« Shannons Stimme hallte zum Brunnen hinüber.
Ein Büschel schwarzer Haare erschien über dem brüchigen Mauerrand, eine bleiche Stirn, die der Schweiß mit einem Netz glitzernder Perlen überzog. »Si, Señor …«
»Seht zu, dass ihr euch in Sicherheit bringt!«, rief Shannon. »Wie geht es dem Jungen?«
»Pepe hat einen Schuss in die Schulter abbekommen, Señor! Er verliert Blut und braucht einen Arzt.« Marias Tonfall klang besorgt.
Dort, wo sich Tom Jordan verschanzt hatte, krachte ein Schuss. Rauch wehte über das Wasserfass und zerflatterte. Der Donner rollte über die Plaza und staute sich an den ärmlichen Fassaden der Häuser und Hütten.
»Du fährst zum Teufel, Shannon!«, folgte die keifende Stimme des Banditen. »Und wenn du auf der Nase liegst, wird Pepe hängen. Und Maria …« Höhnisches, viel sagendes Gelächter schloss sich an. Die unausgesprochenen Worte ließen keinen Zweifel an der niedrigen Gesinnung des Outlaws offen.
Shannon ignorierte, was der Bandit von sich gab. Er rief: »Zieht euch zurück und achtet darauf, dass zwischen euch und den Schuften immer der Brunnen ist.«
»Wir stehen hoch in Ihrer Schuld, Señor Shannon.«
»Schon gut«, erwiderte der harte Mann gepresst. Er hörte Dank nicht gern. Rhett fühlte sich berufen, Recht und Ordnung Geltung zu verschaffen. Er sah es als seine Pflicht an. Und dafür wollte er keinen Dank.
Maria und Pepe zogen sich zurück. Geschickt nutzten sie den Schutz des Brunnens aus. Eine Kugel jaulte über den Platz, meißelte kleine Stücke vom Brunnenrand und ließ sie nach allen Seiten spritzen. Mit grässlichem Quarren zischte die Kugel als Querschläger davon. Das Echo des Schusses verebbte mit dumpfem Grollen. Dann verschwanden Maria und Pepe in einer Gasse, und Shannon atmete befreit auf.
Er griff zur Winchester. Den Colt stieß er ins Halfter. Das Geräusch des Repetierens stand einen Herzschlag lang in der Luft. Shannon zielte, drückte ab, repetierte, feuerte erneut …
Fingerdicke Wasserstrahlen schossen aus dem Fass, hinter dem Jordan Zuflucht gesucht hatte. Das Holz splitterte unter den Einschlägen. Shannon schoss in rasender Folge. Die Eichenholzdauben des Fasses wurden förmlich zerfetzt.
Mit Tom Jordan gingen die Nerven durch. Das Gedonner, das Knirschen und Splittern hallten in seinen Ohren wie Laute aus der Hölle. Todesangst griff mit eiskalten Händen nach ihm. Er lernte in diesen Sekunden das grenzenlose Gefühl von Todesangst und Verlorenheit kennen, das er so oft schon gewissenlos verbreitet hatte.
Seine Gestalt kam hinter dem Fass in die Höhe. Der Colt in seiner Faust ruckte hoch. Jeden seiner Schüsse begleitete sein überschnappendes Gebrüll. Ein rauchgraues Auge visierte ihn über Kimme und Korn hinweg an - ohne Hass, ohne Leidenschaft. Jordans Kugeln pfiffen wirkungslos zwischen die Stämme. Blätter segelten unter der Wucht der Einschläge zu Boden. Shannon zog durch. Jordan reckte sich krampfartig. Der Colt glitt aus seiner kraftlos werdenden Hand. Seine Finger verkrallten sich über der Brust. Blut sickerte zwischen ihnen hindurch. Jordan riss den Mund auf, taumelte zurück und fiel mit dem Rücken gegen die Hauswand. Seine Knie gaben nach. Er rutschte langsam an der Wand herunter. Sein Kinn sank auf die Brust, die Arme blieben ausgebreitet liegen.
Nun war nur noch Terrigan auf den Beinen. Er war in die enge Gasse geflohen. Lauerte er dort, oder war er längst über alle Berge? Zu sehen und zu hören war nichts von ihm.
Shannon beobachtete die Gassenmündung. Staubwirbel trieben hinein. Irgendwo knarrte eine Tür im Luftzug. Das Knarren kam mit monotoner Gleichmäßigkeit und war nervtötend. Hinter den Fenstern rings um die Plaza zeigte sich hin und wieder ein bleiches, angespanntes Gesicht. Der Hund begann wieder zu kläffen. Der Schatten unter den Akazien brachte keine Linderung. Die Hitze war quälend. Die Kronen der Bäume filterten das Sonnenlicht.
Wie leergefegt schien die Stadt. Tot und öde lag die Plaza vor Shannon. Ausgestorben waren die Gassen. Der Tod zog auf leisen Sohlen durch den Ort. Er war unersättlich in seiner Gier. Fünf Leichen waren der Beweis.
Hufschlag brandete heran, entfernte sich. Shannon zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Da floh Terrigan.
Der Bandit kniff. Aber er war voll Hass und schwor Rache, blutige Vergeltung. »Colt-Shannon!« In den hämmernden Hufschlag hinein murmelte er den Namen wie eine Beschwörungsformel. Der Reitwind riss ihm die Silben von den Lippen. Er flüchtete in die Pyramid Mountains.
Aus den Häusern strömten Menschen, eine Vielzahl von Gemütsbewegungen in den Gesichtern. Da waren Angst und Schrecken, Neugierde und Fassungslosigkeit, Unsicherheit und Verwirrung. Sie drängten näher, musterten Shannon wie ein Wesen von einem anderen Stern, standen schließlich Schulter an Schulter.
Sie hätten einen Lynchmord zugelassen. Rhett Shannon machte kein Hehl aus seiner Verachtung. Seine Stimme klang kühl und abweisend, fast feindselig, als er sagte: »Ich brauche einen Doc für mein Pferd. Gibt es hier jemand, der eine Schusswunde verarzten kann?«
Ein Mann bahnte sich einen Weg durch die Menschenrotte. Es wurde gemurmelt, Bewegung ging durch die Ansammlung. Es war ein grauhaariger Mann, und er wog sicher zweihundert Pfund bei einer Größe von etwa eins siebzig. Sein Gesicht war hochrot, auf seinen feisten Wangen perlte der Schweiß.
»Mein Name ist Stanton, Mr. Shannon. Ich bin der Town Mayor …«
Shannon maß ihn frostig von oben bis unten. Widerwillig sagte er: »Sie will ich nicht, Mister. Oder verstehen Sie es, eine Wunde zu säubern und sachgerecht zu versorgen?«
Stanton prallte zurück. Pfeifend strömte die Luft über seine wulstigen Lippen. Hilfesuchend schaute er in die Runde. Er rang die schwitzenden Hände und schrie mit einer Stimme, die eine Oktave zu hell erschien und seine Erregung verriet: »Wo ist denn Doc Bennan? Warum kommt er nicht, um nach dem Pferd von Mr. Shannon zu sehen?«
Wieder ging ein Gewoge durch die Menge. Wieder bildete sich eine Gasse. Ein Männchen mit einer schwarzen Melone auf dem Kopf und einer bauchigen Krokodilledertasche in der Hand erschien. »Überlassen Sie mir das Tier, Mister«, erklärte er mit tiefer Bassstimme, die ganz und gar nicht zu seiner mickrigen Gestalt passen wollte. »Ich werde Ihr Pferd gesund machen. Ich bin Doc Bennan.«
Shannon dankte knapp und überließ ihm die Zügel. Der Arzt machte sich an die Arbeit. Unschlüssig trat der Town Mayor von einem Bein auf das andere. Shannon beachtete ihn nicht. Er wachte darüber, dass der Arzt seine Arbeit zufriedenstellend erledigte.
Maria Montez kam heran. Ihr dankbarer Blick hing an Shannon. Ihre schönen Augen drückten Wärme aus. Ihr Blick kreuzte sich mit dem des Revolvermannes. Und es bedurfte keiner Worte, um den Funken zu beschreiben, der von Maria auf Shannon übersprang.
»Nicht schlimm«, murmelte Doc Bennan und arbeitete geschickt. Das Pferd wich zur Seite, als er Desinfektionslösung in die Wunde träufelte. Shannon trat hinzu, hielt die Zügel und redete sanft auf das Tier ein.
»Gracias, Señor Shannon«, flüsterte Maria mit belegter Stimme. »Pepe ist mein Bruder. Sie haben ihm das Leben gerettet, und mich haben Sie vor dem schrecklichen Schicksal bewahrt, Opfer dieses gierigen Terrigan zu werden. Der Himmel möge Sie für Ihr Eingreifen belohnen.«
Shannon lächelte vage. »Es war mir eine Ehre, Ihnen beizustehen, Señorita.«
»Sie haben der Stadt einen großen Dienst erwiesen, Shannon«, meldete sich Bob Stanton, der Bürgermeister. Er hatte etwas von seiner Sicherheit zurückgewonnen. »Wir alle sind Ihnen …«
Ungnädig winkte Shannon ab. Er wollte dieses Geschwätz nicht hören - konnte es nicht hören. Denn es war heuchlerisch und phrasenhaft.
Er sagte grimmig: »Diese Stadt hat sich feige verhalten, Town Mayor Sie hätte einen kaltblütigen Mord zugelassen. Mir scheint, es ist gar keine Stadt, sondern eine Rattenburg. Und Sie sind die Oberratte.«
Stanton duckte sich wie unter Peitschenhieben. Seine Mundwinkel zuckten. Erst nach einer ganzen Weile fand er seine Stimme wieder.
»Seit drei Wochen haben die Banditen uns terrorisiert. Drei Männer wurden umgebracht. Sie töteten sie zum Spaß, einfach nur zum Spaß. Niemand wollte der vierte sein. Oh mein Gott, Shannon, sehen Sie sich um.« Stanton vollführte mit dem rechten Arm eine ausholende Bewegung. »Unter all diesen Menschen gibt es keinen Kämpfer. Terrigan und seine Horde hingegen …« Er verschluckte sich und hustete. Die Röte, die sich langsam aus seinem Gesicht zurückgezogen hatte, kehrte zurück. »Es waren Banditen der übelsten Sorte. Gott sei Dank sind die meisten von ihnen jetzt tot.«
»Beruhigen Sie sich«, lenkte Shannon ein. »Ich wollte Sie nicht beleidigen.« Er trat vor den dicken Mann hin und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Terrigan hat also drei Morde auf dem Gewissen?«, fragte er düster.
»Zwei der Männer hat er eigenhändig erschossen. Den dritten tötete Jordan, nachdem Terrigan ihn dazu aufgefordert hatte.«
»Gibt es in diesem Nest kein Gesetz?«
»Nein. Der letzte Marshal floh bei Nacht und Nebel. Das war vor drei Jahren. Lordsburg liegt an der Straße nach El Paso. Übles Gesindel zieht laufend durch die Stadt und gibt sich hier ein Stelldichein. Mexiko ist keine siebzig Meilen entfernt. Die schlimmsten Grenzbanditen kommen von Zeit zu Zeit nach Lordsburg.« Er verstummte vielsagend und holte hörbar Luft. Und dann schloss er: »Hier hält sich kein Marshal oder Sheriff, es sei denn, er wäre ein Selbstmörder.«
Der Arzt war fertig und schloss seine Tasche. Maria beeilte sich zu sagen: »Pepe hat eine Kugel in der Schulter, Doc. Er braucht Ihre Hilfe.« Und an Rhett gewandt: »Mir gehört eine kleine Pulqueria, Mr. Shannon. Sie können Ihr Pferd bei mir im Stall unterstellen. Mein Peon wird sich darum kümmern und es pflegen. Und Sie, Mr. Shannon, sind mein Gast. Erweisen Sie mir diese Ehre?«
Rhett sah keinen Grund, dieses Angebot abzulehnen. Er kam von Tucson herüber und hatte seit Tagen keine richtige Mahlzeit zwischen die Zähne bekommen und kein richtiges Bett gesehen. Er war müde, verstaubt und hungrig. Und da war die Faszination Marias, der er sich nicht entziehen konnte. Sie strahlte Wärme und Fraulichkeit aus, und die Linien um Augen und Mund zeigten deutlich, dass sie trotz ihrer jungen Jahre schon das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen kennengelernt hatte.
Kein Mann konnte sich dieser Frau verschließen.
»Der Posten des Marshals in dieser Stadt ist also vakant«, stellte Shannon nachdenklich fest. Und als der Town Mayor nickte, fügte er hinzu: »Ich bin bereit, den Stern zu nehmen und in Ihrer Stadt für Ruhe und Ordnung zu sorgen, bis alles Gesindel einen weiten Bogen um Lordsburg macht. Berufen Sie den Bürgerrat ein, und lassen Sie mich Ihre Entscheidung wissen. Aber beeilen Sie sich. Terrigan muss für drei Morde zur Rechenschaft gezogen werden. Und ich will nicht, dass sein Vorsprung allzu groß wird.«
Er schwang zu Maria herum, und die Härte in seinem Blick milderte sich ein wenig.
Im Schankraum der Pulqueria war es kühl und dämmrig. Shannon hatte gegessen und rauchte. Vor ihm auf dem Tisch stand eine Karaffe mit Rotwein, der im diffusen Licht wie Blut glitzerte. Den Pinto wusste Shannon gut versorgt im Stall. Er hatte sich zurückgelehnt und die Beine unter dem Tisch ausgestreckt.
Lächelnd kam Maria aus der Küche. Ihre Augen strahlten. Ihr Mund war rot und verlockend, ihr Antlitz erschien weich und gelöst. Die Zähne blitzten. »Der Doc meint, dass Pepe bald wieder auf den Beinen sein wird, Señor Shannon«, sagte sie mit dunkler, schwingender Stimme. Sie hatte sich den Staub aus dem Gesicht gewaschen, die Haare gekämmt und die zerrissene Bluse gegen eine frische, blütenweiße gewechselt. »Hat das Essen geschmeckt?«
Sie näherte sich dem Tisch, um den leeren Teller fortzutragen. Rhett sog an seiner Zigarette, stieß den Rauch aus und antwortete: »Es war ein vorzügliches Essen, Maria. Aber warten Sie mit dem Abräumen. Nehmen Sie sich ein Glas und trinken Sie mit mir. Erzählen Sie mir etwas über Terrigan und über diese Stadt.«
Ihr Lächeln war wie weggewischt. Sie blickte ernst. Durch die Schlieren von Zigarettenrauch betrachtete sie sein Gesicht. Es war, als wollte sie sich jede Linie seiner Züge einprägen. Dann sagte sie, und ihre Stimme klang brüchig: »Diese Stadt ist böse, Señor Shannon. Sie sollten sich das Angebot, das Sie dem Town Mayor machten, noch einmal überlegen. Sie haben es selbst erlebt. Vor drei Wochen kamen Terrigan und seine zweibeinigen Hibridos in die Stadt. Sie nahmen sich von der ersten Stunde an, was sie wollten. Niemand gebot ihnen Einhalt. Leute wie Stanton krochen zu Kreuze in ihrer erbärmlichen Angst. Drei Männer mussten sterben. Und wären Sie nicht im richtigen Moment nach Lordsburg gekommen, dann hätten sie auch Pepe …« Das nachträgliche Grauen versiegelte ihre Lippen.
»Gerade weil das so ist, gilt mein Angebot«, erwiderte Shannon mit eiserner Entschlossenheit. »Es gibt in diesem Land ein geschriebenes Gesetz. Diesem Gesetz muss Geltung verschafft werden. Das Gesetz des Stärkeren zählt nicht mehr. Und darum bin ich bereit, hier den Stern zu nehmen.«
»Die Stadt wird Sie im Stich lassen. Señor«, warnte Maria.
Shannon zuckte mit den Achseln.
*
Er ritt auf der Spur Wes Terrigans. Sie führte geradewegs nach Süden. Es ging auf den Spätnachmittag zu. Vor Shannon lagen die Pyramid Mountains. Blauer Dunst stieg aus den Schluchten und Spalten. Vor der Kulisse des Augusthimmels muteten die Berge zerklüftet und unüberwindbar an. Aber da waren Schluchten und Canyons, die hineinführten, abfallende Felsterrassen, Senken und Hochebenen, die es einem Reiter ermöglichten, diese Berge zu durchqueren.
Shannon ritt einen rehbraunen Wallach. Er gehörte Pepe Montez. Der Junge hatte ihn dem Mann gerne zur Verfügung gestellt. Der Marshalstern an seiner Brust reflektierte grell das Sonnenlicht. Rhythmisch setzte das Pferd einen Huf vor den anderen. Die Berge rückten näher. Terrigans Vorsprung betrug keine zwei Stunden.
Gegen zehn Uhr erreichte er Animas. Unter vielen Vorbaudächern brannten Laternen, Gehsteige und Fahrbahn schwach ausleuchtend. Die erleuchteten Fenster warfen rechteckige Lichtkästen auf den Boden. Das Klimpern eines Klaviers wehte durch die Main Street. Dumpfes Gebrodel, das aus dem Saloon quoll, schlug Shannon entgegen.
Animas war ein Nest. Es gab nur die Häuser zu beiden Seiten der Straße und ein paar Hinterhöfe sowie Gärten. Die Fassaden der Häuser waren falsch. Das Holz war grau verwittert. Überall blätterte die Farbe ab. Hier und dort stand ein flacher Adobebau. Die Nähe Mexikos verlieh dem Ort seine Charakteristik.
Shannon hielt sich am Rande der Fahrbahn. Die Hufe des Wallachs schaufelten den knöcheltiefen Staub. Das Tier ging mit gesenktem Kopf. Shannon saß aufrecht im Sattel. Locker hielt seine Rechte die Zügel. Die linke Hand lag auf dem Sattelknopf. Mit jeder Pferdelänge, die Shannon zurücklegte, wurde der Lärm aus dem Saloon intensiver. Eine Kirchenglocke schlug weithin hallend. Der Padre oder Küster läutete die volle Stunde. Zehnmal. Es mutete so fremd an wie Klänge aus einer anderen Welt. Der Lärm des Saloons wurde davon überlagert. Aber dann stieg er wieder aus den verhallenden Glockenschlägen wie das sündige Gegenstück.
Shannon musste unwillkürlich lächeln. So war das auf der Welt. Überall gab es Gut und Böse, Licht und Schatten, Freud und Leid. Er rückte den Hut aus der Stirn und parierte das Pferd. Ein einsamer Gaul stand am Haltebalken vor dem Saloon. Deutlich umriss das herausfallende Licht seine Konturen. Die Nieten von Sattel und Zaumzeug blinkten.
Shannon ritt quer über die Straße, saß ab und zog die letzten Schritte den Wallach am Zügel hinter sich her. Er leinte ihn neben dem verstaubten Fuchswallach an den Holm. Ein Ausdruck düsteren Triumphs lag auf seinem hageren, scharf geschnittenen Gesicht. Er rückte das Holster zurecht und lüftete den Colt ein wenig. Steifbeinig stieg er die vier Stufen zum Vorbau hinauf. Er spreizte die Finger seiner Linken, um sie geschmeidig zu machen. Ein Kampf auf Leben und Tod stand ihm bevor. Wes Terrigan würde seine Haut so teuer wie möglich verkaufen.