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Trevellian und das Model: Action Krimi

von Pete Hackett (Autor:in)
©2022 130 Seiten

Zusammenfassung

Krimi von Pete Hackett

Der Umfang dieses Buchs entspricht 122 Taschenbuchseiten.

FBI-Agent Jesse Trevellian und sein Kollege Milo Tucker sollen gerade den Mord an einer Unterweltgröße aufklären, als ein Russe auf dem Revier auftaucht und das Verschwinden seiner Tochter meldet. Ein Mann namens Brewster habe seiner Tochter eine Karriere als Model angeboten und sie mitgenommen. Wenig später wird die Leiche des Mädchens gefunden und die Spuren führen zu illegaler Prostitution. Nachdem eine zweite Unterweltgröße ermordet wird, vermutet Trevellian Zusammenhänge zwischen den einzelnen Fällen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Trevellian und das Model: Action Krimi

Krimi von Pete Hackett


Der Umfang dieses Buchs entspricht 122 Taschenbuchseiten.


FBI-Agent Jesse Trevellian und sein Kollege Milo Tucker sollen gerade den Mord an einer Unterweltgröße aufklären, als ein Russe auf dem Revier auftaucht und das Verschwinden seiner Tochter meldet. Ein Mann namens Brewster habe seiner Tochter eine Karriere als Model angeboten und sie mitgenommen. Wenig später wird die Leiche des Mädchens gefunden und die Spuren führen zu illegaler Prostitution. Nachdem eine zweite Unterweltgröße ermordet wird, vermutet Trevellian Zusammenhänge zwischen den einzelnen Fällen.



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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /COVER FIRUZ ASKIN

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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1

Es war kurz nach 21 Uhr. Der Mann trug einen Jeansanzug, auf seinem Kopf saß eine schwarze Baseballmütze. Es kostete ihn ein Lächeln, mit einem Spezialdietrich das Schloss der Tür zur Wohnung von Duncan O'Connor zu knacken. In dem Hochhaus war es ruhig. Der Mann nahm die dickbauchige Aktentasche, die er vor der Tür abgestellt hatte, und betrat die Wohnung. Hinter sich drückte er die Tür zu. Über die Hände hatte er sich Latex-Handschuhe gezogen.

Er öffnete die Tasche und zog etwas heraus, das auf den ersten Blick an eine Konservendose erinnerte. Es war eine Bombe. Er stellte sie unter den Tisch. Zünden würde er sie via Handy. Duncan O'Connors Schicksal war so gut wie besiegelt. Der Bursche verließ die Wohnung wieder. Auf den ersten Blick würde nichts daran erinnern, dass sich unliebsamer Besuch eingeschlichen hatte.



2

Wir hatten vor zwei Minuten den Dienst angetreten. Ich hatte mir gerade die Jacke ausgezogen und über den Stuhl gehängt, als mein Telefon klingelte. Ich schnappte mir den Hörer, hob ihn vor mein Gesicht und nannte meinen Namen. Es war die wohlvertraute Stimme des Assistant Directors, die sagte: »Guten Morgen, Jesse. Kommen Sie und Milo doch bitte gleich einmal zu mir.«

»Eine Minute, Sir«, erwiderte ich. Dann legte ich auf und sagte zu Milo: »Der Chef ruft. Lassen wir ihn nicht warten.«

Ich zog meine Jacke wieder an, und wenig später betraten wir das Büro von Mr. McKee. Er saß hinter seinem Schreibtisch. Jetzt erhob er sich, kam um den Schreibtisch herum und gab jedem von uns die Hand, dann forderte er uns auf, an dem kleinen Besprechungstisch Platz zu nehmen. Er setzte sich zu uns, schaute uns nacheinander an und sagte: »Duncan O'Connor wurde ermordet.«

»Der Gangster, an dem wir uns bisher die Zähne ausgebissen haben!«, entfuhr es Milo.

»Genau der«, antwortete der Chef. »Jemand hat am 24. in seiner Wohnung eine Bombe deponiert. Als O'Connor und seine Lebensgefährtin gegen Mitternacht nach Hause kamen, ging sie hoch. Die beiden waren sofort tot. Der Name der Frau ist Laura Sullivan.«

»Hat ihn vielleicht die Konkurrenz ausgeschaltet?«, sagte ich fragend.

»Wir wissen es nicht«, versetzte der Assistant Director. »Es ist natürlich nicht auszuschließen.«

»Wer käme in Frage?«, murmelte Milo, und gab sich sogleich die Antwort selbst. »John Cassidy vielleicht, der die East Side ab Spanish Harlem kontrolliert? Oder Stephen Hastings, der sein Unwesen auf der West Side treibt?«

»Das herauszufinden wird Ihre Aufgabe sein, Special Agents«, erklärte Mr. McKee. Er reichte mir einen dünnen Hefter, den er von seinem Schreibtisch mitgebrachte hatte. »Darin ist alles enthalten, was die Spurensicherung bisher ergeben hat.« Er verzog das Gesicht. »Es ist nicht viel, Gentlemen.«

Ich nahm den Hefter.

Wir kehrten in unser Büro zurück. Wir schrieben den 27. Juni. Der Mord geschah also vor drei Tagen. Ich fuhr meinen Computer hoch. Milo sagte:

»Hoffentlich endet das ganze nicht in einem Bandenkrieg.«

»Mal den Teufel nicht an die Wand«, antwortete ich.

»So erleben wir wenigstens keine böse Überraschung.«

Ich klickte das Archiv her und gleich darauf blickte mir Duncan O'Connors Konterfei vom Bildschirm entgegen. Der Gangster war zweiundvierzig Jahre alt geworden. Es handelte sich um einen dunkelhaarigen Burschen, der ein wenig zur Übergewichtigkeit neigte. Sein Register verzeichnete einige kleine Vorstrafen, da stand aber auch, dass er der Bandenkriminalität verdächtigt wurde und wahrscheinlich im großen Stil mit Drogen handelte. Police Departement, DEA und auch das FBI hatten bereits ein Auge auf ihn geworfen, zu beweisen war ihm bisher nichts gewesen.

Ich las die Berichte. Bei der Bombe handelte es sich um eine professionelle Konstruktion. Sie ging gegen Mitternacht hoch. Ausgelöst war sie durch ein Handy worden. TATP-Sprengstoff. Die Bestandteile der Mischung kann man sich in jeder Drogerie besorgen.

Die gesicherten Spuren ergaben keinen Hinweis auf den Bombenleger.

Milo und ich besprachen uns. Mein Kollege meinte: »Wenn es nicht die Konkurrenz im Drogengeschäft war, dann jemand, der eine ziemliche Wut auf O'Connor hatte. Vielleicht ein Racheakt. Er wurde vor einem Jahr geschieden. Was meinst du? Sollten wir eventuell mit seiner Geschiedenen sprechen?«

»Gute Idee«, versetzte ich.

Claire O'Connor wohnte in West 52nd Street. Es war davon auszugehen, dass ihr geschiedener Mann sie großzügig unterstützte, denn wer sich in Clinton eine Wohnung leistete, durfte nicht arm sein. Das Apartment lag in der vierzehnten Etage. Der Aufzug trug uns nach oben, Milo läutete an der Wohnungstür.

Eine Frau Mitte der dreißig öffnete uns. Sie war sehr hübsch und gepflegt, ihre Haare waren blond, sie hatte sie hochgesteckt. Fragend schaute sie uns an. Ich übernahm es, uns vorzustellen. Dann sagte ich: »Sie wissen sicher, was geschehen ist, Ma'am. Wir haben dahingehend einige Fragen an Sie.«

Ein Schatten überlief das hübsche, frauliche Gesicht. Die blauen Augen schienen sich zu verdunkeln. »Mein geschiedener Mann wurde ermordet. Denken Sie, dass ich damit etwas zu tun habe?«

»Wir haben keine Verdächtigen«, sagte ich ausweichend, war mir aber sicher, dass sie mit O'Connors Tod nichts zu tun hatte. Warum sollte sie sich ihrer Pfründe berauben?

»Kommen Sie herein«, lud sie uns ein, die Wohnung zu betreten, und drin bot sie uns Sitzplätze an. In der Wohnung war alles nur vom Feinsten. Claire O'Connor sagte: »Bis zur Trennung wohnten wir hier gemeinsam. Mein Mann hat mir die Wohnung überlassen. Er kam auch für sämtliche Unkosten auf.«

»Ihr Mann muss viel Geld verdient haben«, bemerkte Milo.

Ein lauernder Ausdruck trat in die Augen der Lady. Ihr Gesicht verschloss sich. »Sicher, er hat viel Geld verdient. Aber das ist ja legitim. Stellen Sie Ihre Fragen, Gentlemen.«

»Hatten Sie noch Kontakt zu Ihrem Mann?«

»Natürlich. Wir sind in aller Freundschaft auseinandergegangen. Es war einfach so, dass wir uns auseinander gelebt hatten. Wir haben einen Schlussstrich gezogen.«

»Womit verdiente Ihr Mann sein Geld?«

»Mit Bekleidung. Er betrieb einen gut gehenden Laden in der Fifth Avenue. >Duncan's Boutique<. Bei ihm kaufte die New Yorker Society. Er vertrieb nur Designerware.«

»Kann man mit einem Kleiderladen so viel Geld verdienen?«, fragte Milo und lächelte anzüglich.

»Mein Mann hat gezeigt, dass es geht.«

Ich hatte darüber meine eigene Meinung. Jetzt mischte ich mich wieder ein. »Wurde Ihr Mann bedroht? Hatte er Feinde?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Mir gegenüber hat er nie etwas in dieser Hinsicht erwähnt. Aber fragen Sie mal Jack McLowry. Das war sein Geschäftsführer und Vertrauter.«

»Wo wohnt McLowry?«

»East 83rd Street. Die Hausnummer weiß ich leider nicht.«

»Die finden wir heraus. Beschäftigte Ihr Mann sonst noch jemand?«

Claire O'Connor nickte. »Fünf Verkäuferinnen. Kaum vorstellbar, dass mein Mann mit ihnen über private Dinge gesprochen hat.«

»Wo finden wir das Geschäft Ihres Mannes?«, fragte ich.

Sie nannte uns die Hausnummer.

Wir fuhren in die Fifth Avenue. In einer Seitenstraße fand ich einen Parkplatz. Der Laden hatte geöffnet. Eine junge Verkäuferin kam uns entgegen. »Herrenkleidung finden Sie in der ersten Etage, Gentlemen.« Sie lächelte verbindlich.

»Wir sind vom FBI«, erklärte ich. »Ich bin Special Agent Trevellian, mein Kollege Tucker.«

Das Lächeln der Verkäuferin erlosch. »Sie kommen wegen der Sache mit dem Chef, nicht wahr. Es – es ist an Tragik kaum zu überbieten.«

»Befindet sich Mister McLowry im Geschäft?«, fragte ich.

Die Verkäuferin schüttelte den Kopf. »Aber ich kann ihn telefonisch erreichen. Soll ich ihn anrufen?«

»Seien Sie so gut«, erwiderte ich.

Die Verkäuferin holte ein Handy aus der Jackentasche und tippte eine Nummer ein, dann ging sie auf Verbindung, und gleich darauf sagte sie: »Zwei Agents vom FBI sind hier, Jack. Einen Moment.«

Sie reichte mir das Mobiltelefon. Ich sagte: »Guten Tag, Mister McLowry. Wir haben einige Fragen an Sie. Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Entweder Sie kommen ins Field Office, oder wir statten Ihnen einen Besuch ab.«

»Kommen Sie zu mir. 172 East 83rd Street.«

»Vielen Dank. Wir sind in einer halben Stunde bei Ihnen. Bis dann, Mister McLowry.« Ich reichte der Verkäuferin das Handy und sie unterbrach die Verbindung. »Wussten Sie, ob Ihr Chef bedroht wurde?«, fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich sah Mister O'Connor vielleicht dreimal im Jahr. Um die geschäftlichen Belange kümmerte sich Jack.«

»Jack McLowry.«

»Ja.«

Wir machten uns auf den Weg in die 83rd.



3

Jack McLowry war ein Mann von ungefähr vierzig Jahren. Ein dunkler Typ mit schmalem Gesicht und stechenden Augen. Er bat uns in seine Wohnung. »Das mit Duncan ist eine schreckliche Sache«, murmelte er, als wir saßen. »Auf eine derart hinterhältige Art und Weise vom Leben zum Tod befördert zu werden …«

Er verschwieg den Rest.

Ich sagte: »Wegen des Mordes an O'Connor sind wir hier.«

Er nickte. »Das ist mir klar. Allerdings werde ich Ihnen nicht viel dazu sagen können. Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, wer die Bombe in Duncans Wohnung deponiert haben könnte.«

»Vielleicht ein Konkurrent!«, meinte Milo etwas vorlaut.

»Ein gut laufendes Geschäft ist doch kein Grund …«

»Ich rede nicht von der Bekleidungsbranche«, unterbrach ihn Milo.

»Ich verstehe nicht.«

»Wir kommen noch drauf«, sagte ich. »Sie waren O'Connors Geschäftsführer, sozusagen seine rechte Hand.«

»Wir waren Freunde.«

»Wurde O'Connor bedroht?«

»Nicht, dass ich wüsste.«

»Hatte er Feinde?«

McLowry kniff kurz die Lippen zusammen. Dann schüttelte er den Kopf: »Auch davon ist mir nichts bekannt. Sicher hatte er nicht nur Freunde. Aber einen Feind, der ihm eine Bombe in die Wohnung stellte …«

Wieder verschwieg er den Rest.

»Was ist mit John Cassidy und Stephen Hastings?«, fragte Milo.

McLowry blinzelte. »Wer ist das?«

»Zwei Gangsterbosse, Kerle, die vom Verbrechen leben. Sicherlich Konkurrenten von Duncan O'Connor, der ja auch – so pfeifen es zumindest die Spatzen von den Dächern -, von illegalen Geschäften lebte.«

McLowry prallte regelrecht zurück. »Aber das ist doch …«

»Drogenhandel«, stieß Milo hervor, »illegale Prostitution, Schutzgelderpressung, illegales Glücksspiel – in diesem Milieu war O'Connor zu Hause. Und in diesem Milieu ist auch sein Mörder zu suchen.«

»Haben Sie dafür auch nur einen einzigen Beweis?«, knurrte McLowry und schaute Milo hart an.

Mein Kollege musste passen.

»Sie sollten etwas zurückhaltender mit Ihren Behauptungen sein, G-man«, sprach McLowry weiter. »Das Gesetz nennt es falsche Verdächtigung. Ich sage dazu Rufmord. O'Connor war ein Ehrenmann. Ich lasse es nicht zu, dass Sie seinen Namen in den Schmutz treten.«

»Wir werden seinen Mörder finden«, erklärte Milo im Brustton der Überzeugung. »Und dann kommt die Wahrheit ans Licht. Wenn Sie eine Rolle in der Inszenierung spielen, in der O'Connor Regie führte, dann ziehen Sie sich warm an, Mister McLowry.«

McLowry knirschte mit den Zähnen.

Nachdem wir McLowry verlassen hatten und auf der Straße standen, sagte ich: »Du hast ihn ziemlich harsch herausgefordert.«

»Er ist ein Gangster«, versetzte mein Kollege. »Und ich kann seine Sorte nicht ausstehen. Ich habe lediglich in der Sprache mit ihm geredet, die er auch versteht.«

Wir kehrten ins Field Office zurück. Im dreiundzwanzigsten Stock, den das FBI innehatte, stand ein Mann auf dem Flur und studierte gerade ein Türschild. Er klopfte gegen die Tür. Es war das Büro von Clive Caravaggio. Ich wusste, dass Clive und Blackfeather im Außendienst waren und ging zu dem Mann hin. »Zu wem möchten Sie denn?«

»Zu Special Agent Charge Caravaggio«, sagte der Mann in einem holprigen Englisch. Seine Sprache wies einen harten Akzent auf. »Mein Name ist Boris Wossow. Ich bin vor drei Tagen aus Moskau nach New York gekommen. Es geht um meine Tochter Ivana. Sie ist seit sechs Wochen hier in New York verschollen. Ich wollte mit Agent Caravaggio darüber reden.«

»Caravaggio ist im Außendienst«, gab ich zu verstehen. »Ich bin sein Vertreter. Vielleicht nehmen Sie mit mir Vorlieb.«

»Hauptsache ich kann mit einem kompetenten Mann sprechen«, sagte der Russe.

Wir nahmen den Mann mit in unser Büro und dort bot ich ihm einen Platz zum Sitzen an. »Dann schießen Sie mal los«, sagte ich, als er saß.

»Ich hatte immer Ärger mit meiner Tochter«, sagte er. »Sie tat immer genau das Gegenteil von dem, was ich wollte. Vor einem Vierteljahr verließ sie Russland und reiste nach New York. Ein Mann, den sie in Moskau kennenlernte, bezahlte ihr das Ticket. Sein Name ist Brewster – Allan Brewster. Er versprach Ivana das Blaue vom Himmel. Ich konnte sie nicht halten. Einige Wochen rief sie mich regelmäßig an. Seit sechs Wochen gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihr. Ich mache mir Sorgen.«

»Wie alt ist Ivana?«

»Siebzehn.«

»Brauchte Sie nicht Ihre Einwilligung, um Russland verlassen zu können?«

»Ich gab sie ihr. Brewster versprach ihr eine Modelkarriere. Ivana hätte mich gehasst, wenn ich nein gesagt hätte. Ich dachte mir, dass ihr früher oder später die Augen aufgehen würden und sie dann reumütig zurückkehren würde. Aber jetzt …«

»Allan Brewster heißt der Mann?«, fragte ich.

»Ja. Es gibt in New York drei Männer mit diesem Namen. Ich habe mich an sie gewandt. Keiner von ihnen will Ivana kennen.«

»Nannte Ihnen Ihre Tochter eine Anschrift hier in New York?«, fragte Milo.

»Nein.«

»Wie verlief die Modelkarriere bis zu dem Zeitpunkt, an dem Sie das letzte Mal von Ivana hörten?«

»Sie sagte immer, es gehe ihr gut. Manchmal klang sie ein wenig komisch, als wäre sie betrunken. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Wenn ich sie fragte, ob sie getrunken habe, verneinte sie.«

»Wo wohnen Sie, Mister Wossow?«

»Im >Edison<, West 47th Street, zwischen Broadway und Eight Avenue.«

»Wir werden uns drum kümmern«, versprach ich. »Machen Sie sich mal keine Sorgen«, versuchte ich ihn dann zu trösten.

»Ich habe ein ungutes Gefühl«, murmelte der Russe. »Entweder lebt Ivana gar nicht mehr, oder wie wird irgendwo gegen ihren Willen festgehalten. Ich habe von Banden gehört, die Mädchen illegal ins Land holen und sie hier zwingen, der Prostitution nachzugehen. Vielleicht ist Ivana solchen Leuten in die Hände gefallen.«

»Nun sehen sie mal nicht gleich so schwarz«, versetzte ich, klang aber wenig überzeugend. Das merkte ich selbst. Die Banden, von denen der Russe gesprochen hatte, gab es in der Tat. Sie versklavten die jungen Frauen regelrecht.

»Ich verlasse mich auf Sie«, sagte der Russe, dann gab er mir eine Visitenkarte des Hotels und nannte mir die Nummer seines Zimmers. Ich händigte ihm im Gegenzug eine von meinen Visitenkarten aus.

Als wir wieder alleine waren, fragte Milo: »Was hältst du davon?«

»Eine pubertierende Siebzehnjährige, die ihrem Vater durchgebrannt ist«, tat ich die Sache ab. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich ja nicht ahnen, wie sehr uns der Fall noch beschäftigen würde. »Aber wir werden uns drum kümmern. Ich habe es dem Mann versprochen. Er macht sich echte Sorgen.«

»Ich bin der Meinung, dass seine Sorgen begründet sind«, murmelte Milo. »Die Kleine hatte keinen Grund, den Kontakt zu ihrem Vater abzubrechen. Solche unbedarften Girls mit einer Modelkarriere zu ködern ist eine alte Masche. Sehen wir zu, dass wir den Allan Brewster herausfiltern, der die Kleine in die Staaten gelockt hat. Er wird uns ein paar Fragen zu beantworten haben.«

Ich fand drei Männer, die in New York wohnten und Allan Brewster hießen. Einer wohnte 231 East 22nd Street, der zweite in der Puritan Avenue in Queens, der dritte in Manhattan, 130th Street.

Wir begannen in der 22nd Street. Dieser Allan Brewster war um die vierzig, solariengebräunt, schlank und sehr auf sein Äußeres bedacht. Das wurde auf den ersten Blick klar. Ich stellte uns vor. Seine Brauen schoben sich zusammen, über seiner Nasenwurzel bildeten sich zwei senkrechte Falten. »Was will das FBI von mir?«

»Waren Sie innerhalb des letzten halben Jahrs in Moskau?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein.« Er lachte. Es klang nicht echt. »Ich backe meine Brötchen hier in New York«, sagte er. »Was sollte ich in Moskau?«

»Sagt Ihnen der Name Ivana Wossow etwas?«

Die Antwort bestand zunächst wieder in einem Kopfschütteln, dann sagte Brewster: »Bei mir war ein Mann, ein Russe. Ich glaube, er hieß Wossow, und er fragte mich nach seiner Tochter. Geht es um diese Lady?«

»Ja«, erwiderte ich, »Ivana Wossow. Sie wurde von einem Allan Brewster mit dem Versprechen in die Staaten gelockt, ihr eine Modelkarriere zu bieten. Seit sechs Wochen gibt es kein Lebenszeichen mehr von Ivana.«

»Ich kann Ihnen nicht helfen, Special Agents.«

»Gehen Sie einem Beruf nach, Mister Brewster?«, fragte ich.

»Ohne Einkommen würde ich mir kaum eine Wohnung in der 22nd leisten können«, lachte er. Seine Zähne blitzten.

»Was arbeiten Sie denn?«

»Ich besitze drei Bars. Sie werfen genug ab, sodass ich gut leben kann.«

Als wir im Sportwagen saßen und in Richtung 130th fuhren, meinte Milo: »Vielleicht sollte man in seinen Bars mal 'ne Razzia halten. Möglicherweise finden wir Ivana.«

»Kein abwegiger Gedanke«, pflichtete ich bei. »Wir werden darüber nachdenken.«

»Wir haben vergessen, ihn nach den Namen der Bars zu fragen. Aber das können wir nachholen. Vielleicht finden wir es auch anderweitig heraus. Schließlich musste er ja eine Konzession beantragen.«

»Keine voreiligen Schlüsse«, bremste ich den Elan meines Partners. »Aus der Tatsache, dass er drei Bars besitzt, können wir keine Folgerungen ziehen.«

»Der Kerl gefällt mir nicht«, knurrte Milo und sprach mir aus der Seele.

In der 130th fand ich einen Parkplatz und rangierte den Sportwagen hinein. Dann betraten wir das Haus. Es handelte sich um einen Wohnblock. Im Treppenhaus war es düster. Die Luft war abgestanden. In jeder Etage befanden sich zwei Wohnungen. In der dritten Etage wurden wir fündig. Milo legte den Daumen auf den Klingelknopf. Die Linse des Spions verdunkelt sich, dann wurde die Tür einen Spalt breit geöffnet und ein männliches, stoppelbärtiges Gesicht zeigte sich.

»Allan Brewster?«, sagte ich fragend.

»Ja. Falls ihr von einer Versicherung kommt, spart euch die Mühe. Ich …«

»FBI«, sagte ich und zeigte ihm meine Dienstmarke mit dem US-Adler.

Sein Gesicht verfinsterte sich. »Ich wüsste nicht, was das FBI von mir will.«

Er wollte die Türe zudrücken, aber ich stellte schnell meinen Fuß dazwischen. »Nicht so schnell«, sagte ich. »Es sind nur ein paar Fragen, eine Ivana Wossow betreffend.«

»Ihr Vater war bereits bei mir. Ich war nicht in Russland und hab die Kleine in die Staaten gelockt. Ich lebe von Gelegenheitsjobs. Glauben Sie, da kann ich mir ein Ticket nach Moskau leisten?«

»Damit haben Sie unsere Fragen gewissermaßen beantwortet«, sagte ich. »Vielen Dank, Mister Brewster. Das war's schon.«

Er drückte die Tür zu.

»Unfreundlicher Zeitgenosse«, knurrte Milo. »Aber ich glaube, wir können ihn von unserer Liste streichen.«

»Ja, das denke ich auch.«

Allan Brewster Nummer drei wusste auch nichts von Ivana Wossow. Er betrieb einen Im- und Export, erklärte uns aber, dass er keine geschäftlichen Beziehungen nach Russland habe. Wir hatten keinen Grund, dies anzuzweifeln.

»Bleibt nur der Barbesitzer übrig«, resümierte Milo, als wir auf dem Weg nach Manhattan waren.

»Oder der Allan Brewster, den wir suchen, wohnt gar nicht in New York.«

»Tja, das ist natürlich nicht auszuschließen. Wobei ich der Meinung bin, dass wir unser Augenmerk auf den Barbesitzer richten sollten.«

»Du kannst den Burschen nicht leiden, wie?«

»Er ist zwielichtig«, erwiderte Milo. »Das ist der einzige Grund.«

»Immer objektiv bleiben, Kollege«, lachte ich.



4

Allan Brewster betrieb die >Sunshine Bar< in der Grand Street, >Allan's Lounge< in der Bethune Street, und den >Manhattan Club< in East 57th Street.

Es war Milos Idee gewesen, sich die Läden einmal näher anzusehen. Wir begannen in der Grand Street, Lower East Side. Die >Sunshine Bar< war gut besucht, obwohl es erst 21 Uhr war. Einige junge Frauen fungierten als Bedienungen. Jede von ihnen war erstklassig gewachsen. Sie trugen kurze Röcke und freizügige Oberteile. An der Bar saßen zwei Ladies, denen man von weitem ansah, welchem Gewerbe sie nachgingen. Auch an einigen Tischen sah ich solche Ladies.

Prostitution ist in den USA verboten. Das heißt aber nicht, dass sie nicht betrieben wird. Aber diese Art von Vergehen fiel nicht in unsere Zuständigkeit. Darum sollte sich die Sitte kümmern, die dem Detective Bureau im Police Departement angegliedert war.

Wir bestellten Wasser, da es aber nur Gedecke gab, mussten wir wohl oder übel einen Schnaps dazu nehmen. Ich für meinen Teil beschloss, ihn stehen zu lassen. Denn wenn ich mit dem Wagen unterwegs war, ließ ich die Finger vom Alkohol. Als die Bedienung unsere Bestellung brachte, fragte ich: »Wir suchen Ivana – Ivana Wossow. Sagt Ihnen der Name etwas?«

Die junge Frau spitzten die Lippen, dann schüttelte sie den Kopf. »Sagt mir nichts. Seid ihr von der Polizei?«

Ich gab darauf keine Antwort. »Ivana ist siebzehn und erst vor einem Vierteljahr aus Russland gekommen.«

»Ich kenne sie wirklich nicht.«

Die Bedienung stöckelte davon, ging zur Theke und sprach mit dem Keeper. Der schaute zu uns her, sagte etwas, dann ging er zu den beiden Ladies hin, die meiner Meinung nach im horizontalen Gewerbe tätig waren, und sprach mit ihnen. Verstohlene Blicke trafen uns.

Auch Milo ließ seinen Schnaps stehen. Wir tranken das Wasser, dann winkte ich der Bedienung. Als sie zu unserem Tisch kam, sagte ich: »Wir möchten zahlen.«

»Ich habe Will gefragt«, sagte die Bedienung. »Er kennt diese Ivana auch nicht.«

»Will ist der Keeper, nicht wahr?«

»Ja. Er hat den Namen noch nie gehört.«

»Vielen Dank.«

Wir bezahlten und verließen die Bar.

In >Allan's Lounge< in der Bethune Street fand ein Auftritt statt. Eine grazil gewachsene Tänzerin, die nur mit einem winzigen Bikini bekleidet war, verrenkte sich an einer verchromten Stange, die bis zur Decke reichte, die Glieder. Sie tanzte zu einem alten Song von Uriah Heep; Free Me, ein Klassiker der Rockgeschichte.

Die Mehrzahl des Publikums war männlich. Aber auch hier saßen einige Ladies herum, denen man die Art ihres Broterwerbs auf zweihundert Yards im Nebel angesehen hätte. Klar war lediglich nicht, ob sie auf eigene Rechnung anschafften, oder ob sie in Brewsters Diensten standen.

Auch hier waren die Bedienungen jung, hübsch und knackig. Wir bestellten wieder Wasser und mussten auch hier ein Gedeck nehmen. Einmal verschwand eine Lady mit einem Mann durch die Hintertür. Ich wartete ein wenig, dann folgte ich den beiden. Ich stand in einem Flur, von dem vier Türen abzweigten. Links zwei und rechts zwei. Bei den rechten handelte es sich um die Toiletten. Am Ende des Flurs schwang sich eine Treppe nach oben. Ich stieg sie hinauf. Manchmal knarrte eine Stufe unter meinem Gewicht. In der ersten Etage befanden sich zwei Wohnungen. Die Klingelschilder trugen Namen. Ich stieg in die nächste Etage hinauf. Ebenfalls zwei Wohnungen, die bewohnt zu sein schienen.

Ich kehrte um. Zurück an unserem Tisch schaute mich Milo fragend an und ich schüttelte den Kopf, was bedeuten sollte, dass ich nichts entdeckt hatte. Ich winkte die Bedienung heran. Lächelnd kam sie zu unserem Tisch. »Wir suchen eine junge Frau namens Ivana Wossow«, trug ich vor, was uns in das Etablissement getrieben hatte.

Die Bedienung dachte kurz nach. »Nie gehört den Namen. Ist sie Amerikanerin?«

»Russin.«

»Nein, der Name ist mir unbekannt.«

»Danke.«

Fehlanzeige!

Im >Manhattan Club< hatten wir auch nicht mehr Glück. Wir tranken ein drittes Glas Wasser an diesem Abend, die Beobachtungen waren ähnlich wie in den beiden anderen Läden, am Ende mussten wir unverrichteter Dinge abziehen.

Es war uns nicht gelungen, die Spur zu Ivana Wossow aufzunehmen. Ich brachte Milo zu seiner Wohnung, danach fuhr auch ich nach Hause.

Lange noch lag ich wach. Meine Gedanken drehten sich um den Mord an Duncan O'Connor. Wir hatten keinen Hebel, an dem wir ansetzen konnten. Der Mörder hatte nicht die geringste Spur hinterlassen, die einen Hinweis auf seine Person geboten hätte. Zwei Namen spuckten mir durch den Kopf: John Cassidy und Stephen Hastings. Wenn sich einer von ihnen der Konkurrenz entledigte, ergab das einen Sinn. Und wenn es so war, würden wir demnächst wahrscheinlich einen zweiten Leichnam präsentiert bekommen. Denn auch Cassidy und Hastings waren Konkurrenten im Geschäft mit dem Verbrechen. dass sie sich verbündet hatten, glaubte ich nicht.

Meine Gedanken schweiften ab und konzentrierten sich auf Ivana Wossow. War sie freiwillig in die Versenkung abgetaucht, oder lag ein Verbrechen vor? Sie habe manchmal betrunken geklungen, wenn sie mit ihm telefonierte, hatte uns Boris Wossow erzählt. Vielleicht hatte sie unter Drogen gestanden. Die gesamten Umstände des Falles ließen mich plötzlich nicht mehr daran glauben, dass Ivana freiwillig abgetaucht war. Ivana hatte keinen Grund. Sie hatte vor ihrem Verschwinden regelmäßig mit ihrem Vater telefoniert. Da er ihr die Ausreise in die Staaten erlaubt hatte, bestand auch kein Grund ihrerseits, auf ihn wütend zu sein.

Das Schicksal der jungen Frau lag mir plötzlich sehr am Herzen.

Irgendwann schlief ich ein.



5

Stephen Hastings trank seinen Kaffee aus. Es war 9 Uhr vorbei. Seine Lebensgefährtin war noch im Morgenrock. Hastings war bereits angezogen. Auf dem Tisch lag die Times. Es hatte eine Pressekonferenz den Mord an Duncan O'Connor betreffend gegeben und die Zeitung brachte einen entsprechenden Artikel. Unterm Strich kam in der Publikation zum Ausdruck, dass die Polizei im Dunkeln tappte und dass das FBI den Fall übernommen habe.

»Das kann nur John Cassidy gewesen sein«, murmelte Hastings. »Er expandiert. O verdammt, wahrscheinlich hat er es auch auf mich abgesehen.«

»Ich denke, ihr habt eine Art Waffenstillstand vereinbart«, sagte Lorette Miles, die Lebensgefährtin des Gangsters.

»Die Frage ist, ob sich Cassidy daran hält«, antwortete Hastings. »Vielleicht will er mich nur in Sicherheit wiegen.«

»Hast du schon mit ihm telefoniert?«

»Nein. Aber das hole ich sofort nach.« Hastings erhob sich, ging zu dem Sideboard, auf dem das Telefon stand, nahm es aus der Ladestation und suchte im Telefonregister eine Nummer heraus, wählte sie und stellte eine Verbindung her.

»Cassidy«, erklang es.

»Hier spricht Stephen Hastings.«

»Hallo, Hastings«, grüßte Cassidy. »Ich kann mir schon denken, weshalb Sie anrufen.«

»Es ist wegen O'Connor«, erklärte Hastings. »Haben Sie ihn zu seinen Ahnen geschickt?«

»Sind Sie verrückt?«

»Sagen Sie mir die Wahrheit.« Hastings sprach es mit Nachdruck.

»Nein, wirklich nicht. Ich dachte, dass vielleicht Sie …«

»Unsinn. Die Polizei tappt im Dunkeln.«

»Ich habe den Bericht in der Times gelesen. Und ich habe mich gewappnet.«

»Sie denken …?«

»Ich weiß es nicht. Aber ich kann es nicht ausschließen, dass es derjenige, der O'Connor in die Hölle schickte, auch auf mich abgesehen hat.«

»Sie haben mich im Verdacht, wie?«, fragte Hastings.

»Ja.«

»Und ich denke, dass Sie ihn auf dem Gewissen haben.«

»Blödsinn. Er kam mir nicht in die Quere. Wir sollten mal unsere Fühler ausstrecken. Vielleicht kommen wir dahinter, wer O'Connor abserviert hat. Und dann sehen wir auch, ob er uns gefährlich werden kann. Ich werde meine Leute schon instruieren. Sie sollen sich umhören.«

»Das werde ich auch. Wir haben vereinbart, uns gegenseitig nicht in die Quere zu kommen.«

»Daran habe ich mich auch gehalten«, sagte Cassidy, dann verabschiedete er sich und unterbrach die Verbindung.

Hastings legte das Telefon auf das Board und setzt sich wieder an den Tisch. Grübelnd starrte er vor sich hin.

»Was spricht er?«, fragte die Frau.

»Dass er mit dem Mord an O'Connor nichts zu tun hat. Er hat mich im Verdacht.«

Es läutete. Verblüfft schaute Hastings seine Lebensgefährtin an. Ohne jedoch ein Wort zu sagen erhob er sich und ging zur Tür, schob die Klappe vor dem Spion zur Seite und schaute hinaus. Etwas durchschlug die Tür, Hastings verspürte einen furchtbaren Schlag gegen die Brust, eine zweite Kugel durchschlug das Türblatt und traf sein Gesicht. Er brach zusammen. Detonationen waren nicht zu hören gewesen. Ein Schalldämpfer hatte sie geschluckt.

Loretta Miles starrte betroffen auf die reglose Gestalt ihres Lebensgefährten. Die Betroffenheit wich dem Entsetzen. Ihre Psyche versagte und sie bekam einen Schreikrampf.



6

Der Chef rief uns zu sich. »Stephen Hastings wurde vor einer Stunde in seiner Wohnung ermordet.«

Die Nachricht traf mich wie ein Faustschlag. Hastings war einer der Männer, die ich im Verdacht hatte, beim Tod von O'Connor die Finger im Spiel gehabt zu haben. Ich verlieh dem auch Ausdruck. Der Chef sagte: »Sieht aus, als wollte sich jemand Steine aus dem Weg räumen. Wie O'Connor war auch Hastings ein Gangster, der das Geschäft mit dem Verbrechen kontrollierte. Sein Revier war die West Side ab der 42nd Street.«

»Bleibt nur noch John Cassidy übrig«, bemerkte ich. »Ich schließe nicht aus, dass er O'Connor und Hastings abservierte, um deren Gebiete zu übernehmen. Wo liegt Hastings' Wohnung?«

»West 34th Street, Nummer -«, der Chef warf einen Blick auf einen Schmierzettel, »- Nummer 376.«

In der Wohnung waren die Männer von der Mordkommission und ein Team der SRD am Werk. Der Leichnam war in einen Leichensack verpackt worden. Auch der Coroner und ein Vertreter der Staatsanwaltschaft waren anwesend. Auf der Couch saß eine rothaarige Frau. Sie war bleich, ihre Augen waren gerötet und vom Weinen verquollen.

Bei dem Mann, der die Spurensicherung leitete, handelte es sich um Detective Lieutenant Bill Cormick. Ich wandte mich an ihn? »Irgendwelche Erkenntnisse?«

Er schüttelte den Kopf. »Der Mörder feuerte durch die geschlossene Tür, als Hastings durch den Spion schaute. Er konnte ihn gar nicht verfehlen. Das war ein eiskalter Killer.«

Der Staatsanwalt gesellte sich zu uns. »Ich habe versucht, der Frau ein paar Fragen zu stellen. Sie ist nicht in der Lage, sie mir zu beantworten. Um Sie sollte sich ein Arzt kümmern.«

»Wohl eher ein Psychologe«, murmelte Cormick.

Die Gehilfen des Coroners trugen den Leichensack aus der Wohnung. Ich warf einen Blick auf die Frau. In ihren Augen las ich nur grenzenloses Entsetzen. Wahrscheinlich hatte sie mental noch gar nicht verarbeitet, was sich hier zugetragen hatte. Derart hautnah war sie wohl nie zuvor mit dem gewaltsamen Tod konfrontiert worden. Ich trat vor sie hin. »Darf ich Ihnen mein Mitgefühl ausdrücken?«

Sie schaute mich an wie eine Erwachende. Ihre Lippen bebten, die Nasenflügel vibrierten leicht. Mit einer fahrigen Geste strich sie sich über die Augen, als wollte sie einen bösen Traum verscheuchen. Dann murmelte sie: »Wir – wir saßen beim Frühstück, als es klingelte. Stephen ging hin. Plötzlich brach er zusammen. Ich – ich begriff erst gar nicht …«

Ihre Stimme brach, sie schluchzte. Dann schlug sie die Hände vor das Gesicht. Ein Beben schien durch ihre Gestalt zu laufen.

Ich wechselte mit Milo einen Blick. Er zuckte mit den Schultern. Plötzlich aber ließ die Frau die Hände sinken und hob den tränenumflorten Blick zu mir empor. »Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, dann fragen Sie. Ich glaube, ich bin in der Lage, sie zu beantworten.«

»Wurde Ihr Mann bedroht?«

»Stephen war nicht mein Mann«, murmelte die Frau. »Wir lebten zusammen. Mein Name ist Miles – Loretta Miles. – Ich weiß nicht, ob Stephen bedroht wurde. Er hat mit mir nicht darüber gesprochen.«

Mein Blick fiel auf die Zeitung, die auf dem Tisch lag. Die Überschrift sprang mir regelrecht in die Augen. >Polizei tappt im Dunkeln<. Ich nahm die Zeitung und überflog den Bericht. Dann legte ich das Blatt auf den Tisch zurück. Die Frau sagte: »Stephen hatte John Cassidy im Verdacht, den Mord an O'Connor begangen zu haben.«

Ich war ganz Ohr. »Wie kam er darauf?«

»Er verdächtigte ihn eben. Und ich denke, dass Cassidy auch Stephen auf dem Gewissen hat. Er ist ein Gangster.«

»Ein Gangster zu sein sagte man auch Stephen Hastings nach«, bemerkte Milo. »Und auch Duncan O'Connor. Wenn Sie was wissen, sollten Sie es uns sagen.«

»Stephen telefonierte mit Cassidy und äußerte seinen Verdacht. Wir hatten ja keine Ahnung, dass der Killer gewissermaßen schon vor der Tür stand.« Wieder drohte sie in einen Weinkrampf zu verfallen. Tränen rannen über ihre Wangen. Nachdem sie sich etwas gefasst hatte, sagte sie mit gefestigter Stimme: »Der Name seines Mörders lautet John Cassidy. Davon bin ich überzeugt.«

»Wie äußerte sich Cassidy, als ihn Hastings mit seinem Verdacht konfrontierte?«, fragte ich.

»Er bestritt, etwas mit dem Mord an O'Connor zu tun zu haben.«

Ich richtete den Blick auf Milo. »Wir werden uns mit Cassidy unterhalten müssen.«

»Ja, das denke ich auch.«

John Cassidys Wohnung lag in der Spring Street. Eine blonde Frau, etwa fünfundzwanzig Jahre alt, öffnete uns die Tür. Ich sagte ihr, wer wir waren und dass wir mit John Cassidy sprechen wollten. Sie rief den Gangster, er musterte uns misstrauisch, ich sagte:

»Wir kommen von Stephen Hastings.«

Seine linke Braue zuckte in die Höhe. »Was führt sie zu mir?«

»Hastings wurde vor nicht ganz zwei Stunden ermordet.«

Jetzt schaute er betroffen und fassungslos drein. »Was sagen Sie da?« Er räusperte sich. »Habe ich Sie richtig verstanden?«

»Dürfen wir reinkommen?«

Er gab die Tür frei und wir betraten die Wohnung. Sie war luxuriös eingerichtet. Mehrere Türen zweigten ab. Ich schätzte, dass das Apartment mindestens eine Million Dollar gekostet hatte. Die Bilder an den Wänden waren echt, und bei dem Teppich, der unter der schweren Polstergarnitur lag, handelte es sich gewiss nicht um Kaufhaus-Massenware.

»Setzen Sie sich.«

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2022
ISBN (ePUB)
9783738960617
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Mai)
Schlagworte
trevellian model action krimi

Autor

  • Pete Hackett (Autor:in)

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Titel: Trevellian und das Model: Action Krimi