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Trevellian und die tödlichen Blüten: Action Krimi

von Pete Hackett (Autor:in)
©2022 240 Seiten

Zusammenfassung

Krimi von Pete Hackett

Der Umfang dieses Buchs entspricht 241 Taschenbuchseiten.

Die geheimnisvolle QVP legt sich mit der New Yorker Unterwelt an, um die Stadt zu kontrollieren. Die Fäden, die die Verbrecherorganisation zieht, sind blutig und lang; sie reichen bis in die Gefängnisse von Rikers Island und Sing-Sing. Die FBI-Agenten Trevellian und Tucker hinken zunächst hinterher, wobei die freundliche Hilfe eines Stadtverordneten sich eher als Hindernis erweist.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Trevellian und die tödlichen Blüten: Action Krimi

Krimi von Pete Hackett


Der Umfang dieses Buchs entspricht 241 Taschenbuchseiten.


Die geheimnisvolle QVP legt sich mit der New Yorker Unterwelt an, um die Stadt zu kontrollieren. Die Fäden, die die Verbrecherorganisation zieht, sind blutig und lang; sie reichen bis in die Gefängnisse von Rikers Island und Sing-Sing. Die FBI-Agenten Trevellian und Tucker hinken zunächst hinterher, wobei die freundliche Hilfe eines Stadtverordneten sich eher als Hindernis erweist.



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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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1

Die Augen des Mannes versprühten wütende Blitze. Er schlug Byram Wilson die flache Hand ins Gesicht. Es klatschte hässlich. Die Finger zeichneten sich auf der Wange des gefesselten Mannes ab. »Wer stellt für dich das Falschgeld her, mit dem du uns bezahlt hast?«

Wilson presste die Lippen zusammen und schwieg.

Eine Hand verkrallte sich seinen Haaren und bog ihm brutal den Kopf in den Nacken. Sein Mund öffnete sich zu einem Schrei, der in der Kehle erstickte und nur als verlöschendes Röcheln über seine Lippen brach. Er hatte der brutalen Gewalt nichts entgegenzusetzen, denn sie hatten ihn auf einem Stuhl festgebunden und seine Hände waren auf den Rücken gefesselt. »Wer? Rede endlich! Du kannst dir eine Menge Schmerzen ersparen.«

Wilsons Psyche begann zu versagen.


*


Mein Telefon klingelte. Ich nahm den Hörer, hob ihn vor mein Gesicht und nannte meinen Namen. Es war Mr. McKee, der sagte: »Kommen Sie doch bitte gleich mal zu mir, Jesse, und bringen Sie Milo mit.«

»Wir sind schon auf dem Weg, Sir. – Komm, Kollege. Der Chef ruft.«

Eine Minute später betraten wir das Vorzimmer. Mandy arbeitete am Computer. Ich grüßte und hörte auch Milo einen Gruß murmeln. Die schöne Sekretärin des Assistant Directors lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und lächelte. »Geht nur hinein. Kaffee kommt gleich.«

Die Kaffeemaschine lief tatsächlich. Es roch wie in einem türkischen Kaffeehaus.

Ich klopfte an die Verbindungstür zum Büro des AD, und ohne die Aufforderung zum Eintreten abzuwarten öffnete ich.

»Treten Sie ein«, sagte Mr. McKee und wir betraten das Büro. »Setzen Sie sich.«

Wir nahmen, nachdem wir den Chef begrüßt hatten, an dem kleinen Konferenztisch Platz, um den einige Stühle gruppiert waren. Er setzte sich zu uns und begann ohne Umschweife: »Vor drei Tagen wurde die nackte Leiche eines Mannes im Riverside Park gefunden. Der Leichnam wies zwei Schusswunden auf. Den Mund hatte man ihm voll Geld gestopft.«

Von Milo kam ein überraschter Laut.

»Voll Geld«, echote ich. Dass man in den New Yorker Parks Leichen fand, gehörte in unserer Stadt fast zur Tagesordnung. In der Regel handelte es sich um Raubmorde. Dass jemand seinem Opfer den Mund voll Geld stopfte, war sicher einmalig.

Mr. McKee nickte. »Falschgeld! Fünfzig-Dollar-Noten. Erstklassige Fälschungen, wie mir von Seiten des Police Department versichert wurde.«

Das rückte die Sache gleich in ein anderes Licht.

»Wurde der Tote schon identifiziert?«, fragte ich.

»Ja. Es handelt sich um Byram Wilson. Zweiundvierzig Jahre alt, wohnhaft West siebenundvierzigste Straße hundertzweiundfünfzig, siebzehnte Etage.«

Ich strich mir mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn. »Wilson«, murmelte ich versonnen. »Handelt es sich vielleicht um einen Verwandten von Robert Wilson, diesem Gangster, der sich bisher erfolgreich dem Zugriff der Polizei entzogen hat?«

»Byram Wilson ist sein Bruder.«

Ich pfiff zwischen den Zähnen.

»Robert wird es nicht schlucken, dass man seinen Bruder auf die wenig feine Art vom Leben zum Tod befördert hat«, bemerkte Milo.

»Beim Police Department geht man davon aus, dass Byram Wilson seine Hände ins Falschgeldgeschäft gestreckt hatte«, gab Mr. McKee zu verstehen. »Was genau hinter seiner Ermordung steckt, beschränkt sich auf Vermutungen und Spekulationen, die lediglich durch die bekannten Tatsachen untermauert werden.«

»Zwischen dem Falschgeld und Wilsons Ermordung besteht auf jeden Fall ein Zusammenhang«, sagte ich. Meine Stimme hob sich. »Ich denke, das Police Department hat den Fall an uns abgegeben.«

»So ist es. Und ich bin zu dem Schluss gekommen, Sie beide mit der Klärung zu beauftragen.« Der Chef reichte mir einen Schnellhefter. »Da drin finden Sie alles, was bisher an Ermittlungsergebnissen vorliegt. Machen Sie sich an die Arbeit, Gentlemen, und halten Sie mich auf dem Laufenden.«

Mandy brachte den Kaffee. Der Chef wollte wissen, wie weit die Ermittlungen in unserem aktuellen Fall gediehen waren. Es ging um Kreditkartenbetrug im großen Stil. Eine Bande hatte sich darauf spezialisiert, Kreditkarten zu fälschen und Konten bei den verschiedenen New Yorker Banken und einigen Banken in New Jersey leerzuräumen.

Während wir Kaffee tranken, berichteten wir abwechselnd. Als wir geendet hatten, sagte der AD: »Sie werden den Fall an die Agents Anderson und O'Hara abgeben. Überlassen Sie den beiden Damen Ihre bisherigen Ermittlungsergebnisse. Ich will, dass Sie sich zu hundert Prozent auf die Falschgeldsache konzentrieren.«

»Natürlich, Sir.«

Wir fuhren zuerst in die 47th Street. Wer sich hier eine Wohnung leistete, musste über eine Menge Geld verfügen. Die Rezeption in der Halle des Hochhauses war verwaist. Es gab einen elektronischen Führer. Auch hier hatte die Technik schon den Menschen ersetzt.

Der Aufzug brachte uns in die siebzehnte Etage. Schließlich standen wir vor der Tür der Wohnung, die Byram Wilson sein Eigen genannt hatte. Milo läutete. Es dauerte nicht lange, dann verdunkelte sich die Linse des Spions, und im nächsten Moment wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet.

Es war eine Frau, Ende der zwanzig, blondhaarig und blauäugig. Ihre Augen waren gerötet, ihr Gesicht mutete ein wenig verquollen an. Aus der Akte, die uns Mr. McKee gegeben hatte, konnte ich entnehmen, dass es sich bei dieser Frau um Susan Hagare handelte, der Lebensgefährtin von Byram Wilson.

»Wir sind die Special Agents Tucker und Trevellian vom FBI New York«, stellte ich uns vor. »Mein Name ist Trevellian.« Ich hielt meine ID-Card in die Höhe.

Sofort schossen ihr die Tränen in die Augen. Sie schniefte. »Sie kommen sicher wegen der Sache mit Byram.«

»Sehr richtig. Dürfen wir eintreten?«

Ihre Mundwinkel zuckten. »Bitte.« Sie öffnete die Tür vollends und machte eine einladende Handbewegung. Wir traten ein. Im Wohnzimmer bot uns Susan Hagare Sitzplätze an. »Es will mir noch immer nicht in den Kopf«, murmelte sie. »Es – es übersteigt mein Begriffsvermögen.« Sie schlug beide Hände vors Gesicht.

»Sind Sie in der Lage, uns in paar Fragen zu beantworten?«, begann ich.

Sie ließ die Hände sinken. Tränen liefen ihr über die Wangen. »Bitte, fragen Sie. Ich habe zwar schon alles Ihren Kollegen gesagt, aber fragen Sie ruhig.«

Ich reichte ihr ein Papiertaschentuch, und sie trocknete sich die Tränen ab.

»Was arbeitete Ihr Lebensgefährte?«

»Er betrieb einen Geldverleih. In der Zwischenzeit gibt es vier Filialen in New York. In Manhattan, Queens und Staten Island.«

»Gingen die Geschäfte gut?«

»Byram sprach mit mir nur selten über geschäftliche Angelegenheiten. Aber so viel ich weiß, war er sehr zufrieden mit den Erträgen, die der Geldverleih abwarf. Wir führten auch ein sorgenfreies Leben.«

»Erzählen Sie uns etwas über den Bekanntenkreis Ihres Lebensgefährten.«

Susan Hagare überlegte kurz. »Byram ging öfter mal alleine aus. Er traf sich mit Geschäftsfreunden. Um wen es sich dabei handelte, weiß ich nicht. Manchmal trafen wir uns mit seinem Bruder. Der Kontakt beschränkte sich auf einige gemeinsame Essen im Jahr und Telefonate zu besonderen Anlässen wie zu Weihnachten oder an Geburtstagen.«

»Wurde Mister Wilson bedroht?«

»Nicht, dass ich wüsste.«

»Wissen Sie etwas über seine geschäftlichen Kontakte?«

»Nein. Wie ich schon sagte …«

Ich winkte ab. »Sicher. Mr. Wilson sprach kaum über seine geschäftlichen Belange. Denken Sie nach, Miss Hagare. Gibt es nichts, was Ihnen außergewöhnlich erschien, etwas am Verhalten von Mister Wilson, das Sie vielleicht befremdete?«

»Er war in letzter Zeit ziemlich aufgekratzt«, erklärte die Frau. »Er sprach davon, dass er sein Geschäft ausbauen wollte, und er träumte von einer Villa an der Little Neck Bay.« Susan zuckte mit den Schultern. »Er war eben ein Träumer. Doch nun …«

Sie begann wieder zu weinen.

Mir war klar, dass sie uns nicht weiterhelfen konnte. Ich gab ihr eine von meinen Visitenkarten, dann verabschiedeten wir uns.

»Wir sollten auch mal mit seinem Bruder sprechen«, sagte Milo, als wir im Sportwagen saßen.



2

Robert Wilson bewohnte ein Penthouse in der 55th Street. Wir trafen ihn zu Hause an. Er war nur mit einem Bademantel bekleidet, und seine Haare waren nass. Wahrscheinlich kam er gerade aus der Dusche.

Wilson war vierundvierzig Jahre alt, dunkelhaarig, etwa eins achtzig groß und schlank. Durchaus ein Frauentyp. Über der Oberlippe trug er einen sauber getrimmten Schnurrbart à la Clark Gable.

Er lud uns in die Wohnung ein und bot uns Sitzplätze an. Hier war alles vom Feinsten. Designermöbel, viel Kristall und wertvolles Porzellan in den Vitrinen, teure Bilder an den Wänden, echte Orientteppiche auf dem Parkettboden.

Eine Frauenstimme erklang aus einem der Nebenräume: »Wer ist gekommen, Bob?«

»Zwei Polizisten«, erwiderte er, und es klang fast ein wenig geringschätzig. »Es ist wahrscheinlich wegen meines Bruders.«

Einen Augenblick erschien eine dunkelhaarige Schönheit in der Tür. Sie war nur mit einem durchsichtigen Negligé über einem spitzenbesetzten Nachthemd bekleidet.

»Leg dich wieder hin, Carmen«, sagte Robert Wilson, und die Lady verschwand. Die Tür wurde zugedrückt. »Was führt Sie zu mir?« Sein ausdrucksloser Blick war auf mich gerichtet. Von seinen Zügen war nicht abzulesen, was hinter seiner Stirn vorging. Er hielt meinem Blick stand.

»Sie haben recht«, antwortete ich. »Es ist wegen Ihres Bruders.«

Sekundenlang presste Robert Wilson die Lippen zusammen, sodass sie nur noch einen dünnen, blutleeren Strich in seinem schmalen Gesicht bildeten. Dann stieß er hervor: »Wer immer meinen Bruder auf dem Gewissen hat, er muss mich fürchten. Ich werde nicht ruhen, bis ich den Mörder meines Bruders zur Verantwortung gezogen habe.«

»Das sollten Sie uns überlassen«, knurrte Milo.

Wilson starrte meinen Kollegen an. »Ich werde Sie nicht fragen, Special Agent.«

»Sie sind weder Richter noch Henker«, gab ich zu bedenken. »Aber da Sie sich mit Racheplänen tragen, haben Sie sicherlich eine Ahnung, wo Sie ansetzen wollen.«

»Ich habe keine Ahnung, wer hinter dem Mord steckt. Jedenfalls dürfte Falschgeld eine erhebliche Rolle spielen. Ich habe viele gute Freunde mit Beziehungen. Sie habe ich angesetzt. Sollte ich irgendwelche Hinweise erhalten …«

Robert Wilson brach vieldeutig ab.

»Was ist dann?«

»Dann werde ich Sie Ihnen ganz sicher nicht auf die Nase binden.«

»Sie sollten uns nicht ins Handwerk pfuschen«, warnte ich.

Wilsons Brauen schoben sich zusammen, über seiner Nasenwurzel bildeten sich zwei senkrechte Falten. »Ich habe an der Totenbahre meines Bruders Rache geschworen. Und ich pflege meine Schwüre zu halten. Machen Sie nur Ihren Job, G-men. Wir werden sehen, wer von uns erfolgreicher ist auf der Jagd nach dem Mörder meines Bruders.«

»Sie pflegten losen Kontakt zu Ihrem Bruder?«, wechselte ich das Thema. Den kleinen Zwist zu vertiefen würde zu nichts führen. Auch würde sich Robert Wilson von Worten, die aus dem Mund eines Polizisten kamen, niemals beeinflussen lassen. Jedes Wort wäre also in den Wind gesprochen gewesen. Darum brachte ich das Gespräch auf den Punkt.

Wilson nickte einige Male. »So kann man es sagen. Manchmal gab es ein gemeinsames Essen …«

»Und an Geburtstagen oder zu Weihnachten riefen Sie sich an.«

Seine linke Braue hob sich. Es verlieh seinem Gesicht einen arroganten Eindruck. »Sie sind ja hervorragend informiert.«

»Wir haben mit Susan Hagare gesprochen.«

»Die Ärmste. Wenn Sie mein Bruder geheiratet hätte, würde sie jetzt wenigstens erben. So aber wird sie leer ausgehen.«

»Gibt es denn so viel zu erben?«

»Nun, Byram war sicher nicht unvermögend.«

»Dass man den Mund Ihres Bruders mit Falschgeld vollgestopft hat, stellt den Mordfall in einem besonderen Licht dar«, bemerkte Milo.

»Ich kann mir nicht denken, was dahintersteckt.«

»Womöglich hatte Ihr Bruder die Finger im Falschgeldgeschäft«, gab ich zu bedenken.

»Daran habe ich auch schon gedacht.« Wilson nagte kurz an seiner Unterlippe. »Ist in New York Falschgeld aufgetaucht?«

»Bis jetzt nicht. Es ist aber sicher nicht davon auszugehen, dass jemand das Falschgeld nur zu dem Zweck hergestellt hat, um es Ihrem Bruder in den Mund zu stopfen.«

»Nein, das kann ich mir auch nicht vorstellen.« Wilson zuckte mit den Schultern. »Ich kann Ihnen nichts sagen, Gentlemen. Zu meinem Bruder hatte ich viel zu wenig Kontakt, um Ihnen Einzelheiten aus seinem Leben berichten zu können.«

»Dann gibt es keinen Grund, Ihre kostbare Zeit länger in Anspruch zu nehmen«, sagte ich mit leisem Spott in der Stimme und schaute in Richtung Schlafzimmertür. Gleichzeitig erhob ich mich. Neben mir wuchs Milos Gestalt in die Höhe. Ehe wir jedoch die repräsentativ eingerichtete Wohnung verließen, wandte ich mich noch einmal an Wilson. »Werden Sie dieses Mal Ihrem Schwur untreu, Wilson.«

In seinen Zügen arbeitete es.

Ich übte mit meinem Blick Druck auf ihn aus. Sekundenlang hing lastendes Schweigen zwischen uns, dann ergriff ich noch einmal das Wort: »Wobei ich Sie nicht daran hindern will, Ermittlungen anzustellen. Wenn Sie jedoch irgendetwas erfahren, dann sollten Sie uns davon in Kenntnis setzen. Die Zeiten des Faustrechts, in der jeder seine eigenen Gesetze schrieb, sind vorbei.«

Wilson mahlte mit den Zähnen. »Ich setze keine großen Erwartungen in die Arbeit der Polizei«, presste er dann hervor.

»Rufen Sie uns an!«, sagte ich mit Nachdruck und gab Wilson eine Visitenkarte. »Haben Sie für mich auch so ein Kärtchen?«, fragte ich. »Kann sein, dass uns noch etwas einfällt und wir Sie anrufen müssen.«

Ich bekam eine Visitenkarte. Dann verließen wir die Wohnung.

Als wir wieder auf dem Weg nach Süden waren, sagte Milo: »Seine Überheblichkeit wirkte wie ein Brechmittel auf mich.« Milos Stimme veränderte sich. »Ich setze keine großen Erwartungen in die Arbeit der Polizei«, äffte er Robert Wilson nach und holte tief Luft. »Das glaube ich schon. Er hält uns für doof, weil es uns bis jetzt nicht gelungen ist, ihm das Handwerk zu legen.«

Ich konnte Milo verstehen. Die Spatzen pfiffen es von den Dächern, dass Robert Wilson das Geschäft mit dem Verbrechen nördlich des Central Parks kontrollierte. Drogenhandel, illegale Prostitution, Schutzgelderpressung und eine Reihe Verbrechen mehr gingen auf sein Konto. Seine Beziehungen reichten weit. Man munkelte, dass er sogar in höchsten Polizeikreisen, im Stadtrat New Yorks und im Büro des Gouverneurs Freunde sitzen hatte.

Die Unternehmen, die Byram Wilson gegründet hatte, trugen den Namen »Star Finance«. Das Hauptgeschäft befand sich in der Cedar Street. Ich fand einen Parkplatz zwischen einem rostigen Pick-up und einem Müllcontainer, der am Straßenrand stand, und quetschte den Sportwagen hinein. Der Dienstleistungsbetrieb befand sich in der ersten Etage des Hochhauses. Ich klopfte an eine Tür, über der ein Schild mit der Aufschrift »Sekretariat« hing. Eine Frauenstimme rief »Herein« und wir betraten das Büro. Die Sekretärin war eine junge Lady mit kohlschwarz gefärbten Haaren, eine Frau, die man als hübsch bezeichnen konnte. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie.

Ich stellte uns vor. Ihr Gesicht veränderte sich. »Der arme Mister Wilson.« Sie schluchzte. »Wir denken, dass ihn einer seiner Kunden ermordet hat.«

»Warum?«, fragte Milo. »Verlangte er zu hohe Zinsen?«

»Nein, das ist es nicht. Aber …«

»Aber er kannte keinen Pardon, wenn jemand seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkam«, sagte ich. »Und so mancher stand vor dem Nichts, nachdem die Star Finance mit ihm fertig war.«

Die erwiderte nichts, schaute nur fragend.

»Wer vertritt Mister Wilson?«, erkundigte ich mich. »Dass nach seinem Tod die Geschäfte weiterlaufen, muss ja jemand angeordnet haben.«

»Gordon Douglas ist sein Vertreter. Sein Büro finden Sie am Ende des Flurs auf der rechten Seite. Soll ich Sie anmelden?«

»Das ist nicht notwendig«, sagte ich, dann traten wir wieder auf den Korridor hinaus und folgten der Beschreibung der Sekretärin. Das Türschild zeigte uns an, dass wir richtig waren. Ich klopfte und öffnete die Tür.

Hinter einem Schreibtisch saß ein rotblonder Mann in Hemdsärmeln. Er telefonierte gerade. Sein Alter schätzte ich auf Ende der dreißig. Sein Gesicht war voller Sommersprossen. Möglicherweise war er irischer Abstammung. Er ließ die Hand mit dem Telefonhörer sinken. »Moment«, stieß er etwas genervt hervor. »Ich telefoniere …«

Ich war ein höflicher Mensch, entschuldigte mich und schloss die Tür wieder. Wir warteten. Und während wir warteten, wälzte ich eine Reihe von Gedanken. Unter anderem dachte ich daran, dass ein Geldverleih geradezu dafür prädestiniert war, Geld zu waschen. Aber konnte man in diesem Geschäft auch Falschgeld umsetzen? Kaum anzunehmen, dass Wilson Falschgeld an seine Kunden ausgegeben hatte. Und wenn, dann hätte ihn der geprellte Kunde sicher nicht umgebracht. Er wäre vielmehr zur Polizei gegangen. Den Mörder unter den Kunden des Geldverleihs zu suchen war wahrscheinlich vergeudete Zeit.

Aber man hatte Byram Wilson nicht von ungefähr ein Knäuel Falschgeld in den Mund gestopft.

Die Tür ging auf, und Douglas streckte den Kopf heraus. »Kommen Sie herein, Gentlemen. Entschuldigen Sie, wenn Sie etwas warten mussten. Was führt Sie zu mir.«

»Der Mord an Ihrem Boss«, versetzte Milo trocken. Dann nannte er seinen Namen, zeigte seine ID-Card und stellte auch mich vor.

Douglas dirigierte uns zu dem kleinen Besuchertisch, wir setzten uns, Douglas sagte: »Eine tragische Sache. Haben Sie schon eine Spur?«

»Nein. Aber die Blüten in Wilsons Mund lassen den Schluss zu, dass sein Tod in einem engen Zusammenhang mit der Herstellung von Falschgeld steht.«

»Mysteriös«, murmelte Douglas.

»Haben Sie angeordnet, dass die Geschäfte weiterlaufen sollen?«, fragte ich.

»Ja. Irgendjemand wird den Laden ja übernehmen. Solange führe ich die Geschäfte kommissarisch.«

»Führen Sie auch die Aufsicht über die anderen Filialen?«

»Ich war Byrams – ich meine Mister Wilsons rechte Hand. Ja, die Leiter der Filialen sind mir Rechenschaft schuldig.«

»Wer sind diese Männer.«

Douglas nannte drei Namen, die Milo notierte.

Dann sagte ich: »Erzählen Sie uns etwas über Byram Wilson. Was waren seine Vorlieben? Wo verkehrte er, welche geschäftlichen Beziehungen pflegte er? Gab es Kunden, die Grund hatten, sauer auf ihn zu sein?«

»Wir tranken manchmal nach der Arbeit in Joe‘s Lounge in der siebten Straße ein Bier zusammen. Dort ist Byram gut bekannt. Es war seine Stammkneipe. Geschäftliche Beziehungen pflegte er nur zu Leuten, die unsere Dienste in Anspruch nahmen, also Darlehensnehmer, und zu den Banken, mit deren Geld wir arbeiteten.« Douglas spitzte die Lippen und schaute versonnen drein. Dann nickte er und fuhr fort: »Es gab sicher Leute, die Grund hatten, auf Byram sauer zu sein. Es waren die säumigen Zahler, denen er rücksichtslos auf die Füße trat. Davon gibt es einige.«

»Kann es sein, dass über den Geldverleih Falschgeld in Umlauf gebracht wurde?«

Erst schaute mich Douglas verblüfft an, dann lachte er auf. »Nein. Das Geld, das wir ausgaben, war sauber. Die Banken, mit denen wir Verträge hatten, stellten es uns zur Verfügung.«

»An welchen Personenkreis verleihen Sie Geld?«

»Zum großen Teil sind es Leute, die den Kreditrahmen bei ihrer Bank ausgereizt haben, deren Konten gesperrt worden sind und denen die Bank ein Darlehen verweigert.«

»Hochverschuldete Zeitgenossen also, die kaum eine Chance haben, die Schulden bei Ihnen zu begleichen.«

»Wir arbeiten mit Inkasso-Gesellschaften zusammen.«

»Deren Geldeintreiber es oftmals mit dem geltenden Recht nicht so genau nehmen, wie?«, schnappte Milo.

Douglas schwieg.

Ich sagte: »Ich bitte Sie mir eine Liste mit den Namen derjenigen Schuldner zusammenzustellen, bei denen die Star Finance eine Inkasso-Gesellschaft mit der Beitreibung der Schulden beauftragt hat. Können Sie das bis morgen schaffen?«

»Ich werde mich bemühen.«



3

»Joe‘s Lounge« in der 7th Straße war ein düsterer Schuppen. Das Publikum ließ sich nicht zuordnen. Da waren junge Leute, aber auch solche mittleren Alters, und an einem Tisch saßen sogar vier Senioren, von denen keiner unter fünfundsechzig war. Auch einige Frauen der unterschiedlichen Altersklassen waren zu sehen. Die Musik, die gespielt wurde, reichte vom Schmusesong bis hin zum Hardrock. Hier versuchte man allen Altersklassen und Geschmäckern gerecht zu werden.

Wir fielen nicht auf. Da alle Tische besetzt waren, hatten wir uns an die Theke gestellt. Ich als Kraftfahrer trank ein Wasser, Milo hatte sich ein Budweiser bestellt. Stimmendurcheinander und Gelächter umgab uns. Ich winkte einen der beiden Keeper heran, die hinter der Theke alle Hände voll zu tun hatten. Der Mann, ein Bursche von etwa fünfundzwanzig Jahren mit gelockten, schwarzen Haaren, legte beide Hände auf den Tresen. »Was darf‘s sein?«

»Würden Sie uns eine Frage beantworten?«

Er kniff die Augen ein wenig zusammen. »Seid ihr Bullen?«

»Bundesbullen«, erwiderte ich und zeigte ihm meinen Ausweis.

Sein Gesicht nahm einen abweisenden Ausdruck an. Seine Hände auf der Theke begannen sich unruhig zu bewegen. »Was für ‘ne Frage ist das?«

»Kennen Sie Byram Wilson?«

Der Bursche wich meinem Blick aus. »Byram Wilson«, wiederholt er nachdenklich. »Wer soll das sein?«

»Er verkehrte in diesem Laden«, sagte Milo. »Sie kennen ihn sicher. Vielleicht haben Sie vorgestern einen Blick in die Times geworfen. Dort stand ein Bericht über Wilson. Man hat ihn tot im Riverside Park gefunden.«

Der Keeper zog den Kopf zwischen die Schultern. »Ja, ja, ich weiß, von wem Sie reden. Byram. Ja, er war des Öfteren hier.«

»Mit wem verkehrte er?«

»Er saß mal mit diesem, mal mit jenem zusammen am Tisch. Ich kann Ihnen die Frage nicht eindeutig beantworten. Manchmal war ein Mann namens Gordon dabei …«

»Gordon Douglas?«

»Keine Ahnung. Er hat rötliche Haare.«

»Mit wem saß er öfter an einem Tisch als mit anderen?«, fragte Milo.

»Kann ich Ihnen wirklich nicht sagen.«

»Nennen Sie uns einfach ein paar Namen.«

Der Keeper verdrehte die Augen. »Sam, Ben, Jack, John …«

»Schon gut, schon gut!«, unterbrach ich ihn. »Ich habe das Gefühl, Sie wollen nicht. In diesem Laden ist unsere Sorte nicht willkommen, wie? Haben Sie etwas zu verbergen? Wird hier mit Drogen gehandelt? Oder frönt man in den oberen Etagen der illegalen Prostitution? Vielleicht dem Glücksspiel?«

»Nein – nein« stammelte der Keeper. »Gott bewahre. Wir – wir haben nichts gegen die Polizei. Wirklich nicht. Ich – ich kann Ihnen wirklich nicht helfen. Die Gäste hier sprechen sich nur mit Vornamen an.«

»Befindet sich jemand im Lokal, mit dem Wilson des Öfteren an einem Tisch saß?«

Wieder irrte der Blick des Keepers zur Seite. Und ich wusste, dass er mich mit seinen nächsten Worten anlügen würde.

»Ich sehe niemand.«

»Raus mit der Sprache!«, knurrte ich.

Der Keeper schien zu schrumpfen. Dann wies er mit dem Kinn zu einem Tisch, an dem fünf Männer saßen, alle so um die vierzig. »Clark. Er hat oft mit Byram an einem Tisch gesessen. Das ist der Bursche mit der Glatze.«

Ich ging zu dem Tisch hin und heftete meinen Blick auf Clark. Er schien zu bemerken, dass ich mich auf ihn konzentrierte, denn er schaute mich an und knurrte: »Wollen Sie ein Bild von mir? Oder haben Sie ein Problem?«

»Kann ich Sie kurz sprechen? Ein paar Fragen nur.«

»Sind Sie ‘n Bulle?«

»FBI. Mein Name ist Trevellian.«

Sein Gesicht verschloss sich. »Ich wüsste nicht, was ich mit dem FBI zu tun hätte.«

»Es sind ein paar Fragen wegen Byram Wilson.«

Es war, als duckte sich Clark ein wenig.

Einer der Kerle am Tisch erhob sich und trat vor mich hin. »Hast du nicht verstanden, Schnüffler? Er will nicht mit dir reden. Also zieh Leine. Oder müssen wir dir und deinem Kollegen Beine machen?«

»Sie sollten sich raushalten, Mister«, murmelte ich. Mir war nicht entgangen, dass der Bursche nicht mehr ganz nüchtern war. Aus glasigen, vom Alkohol geröteten Augen starrte er mich herausfordernd an. »Überlassen Sie es Clark, ob er mit mir redet oder nicht.«

Jetzt erhob sich Clark und legte dem Angetrunkenen die Hand auf die Schulter. »Schon gut, Cole. Setz dich wieder hin. Ich will mir anhören, was der Agent zu sagen hat.«

»Kommen Sie mit zur Theke«, forderte ich Clark auf. Als wir bei Milo anlangten, fragte ich: »Wie heißen Sie mit Familiennamen?«

»Holbright. Was steht an, Agents?«

»Sie kannten Byram Wilson gut.«

»Ja, ich kannte ihn. Wir haben öfter mal miteinander gesprochen.«

»Wer war noch an diesen Gesprächen beteiligt?«

»Mal dieser, mal jener. Hier spricht jeder mit jedem. Warum wollen Sie das wissen?«

»Wir müssen wissen, mit wem Wilson engeren Kontakt pflegte.«

»Suchen Sie in diesem Dunstkreis seinen Mörder?«

»Unter anderem.«

Clark Holbright wiegte den Kopf. »In der Zeitung stand, dass der Mund des Toten mit Falschgeld vollgestopft war. Ich denke, Sie sollten Byrams Mörder in irgendwelchen Geldfälscherkreisen suchen.«

Der Keeper, mit dem wir vorhin gesprochen hatten, stand am anderen Ende der Theke und telefonierte mit einem Handy. Ich sah, dass sich seine Lippen bewegten, doch was er sprach, konnte ich nicht hören. Mir entging aber nicht, dass er immer wieder zu uns her schielte.

»Sagen Sie uns Namen«, forderte ich.

»Ich kenne nur die Vornamen der Männer. Damit dürfte Ihnen aber kaum gedient sein.«

»Denken Sie nach.«

»Ich kann Ihnen nicht helfen.«

»Wo wohnen Sie?«

»Warum wollen Sie das wissen?«

»Für den Fall, dass wir mit Ihnen noch einmal sprechen möchten.«

»West achtunddreißigste Straße, Nummer neununddreißig, erste Etage.«

Milo notierte die Anschrift.

»Kann ich mich wieder setzen?«

»Bitte.«

Holbright wandte uns den Rücken zu und ging zu seinem Tisch zurück.

Hier kamen wir wohl auch nicht weiter. Man wollte uns keine Auskunft geben.

Langsam tranken wir aus. Milo bestellte sich sogar noch ein zweites Budweiser. Als wir das Gespräch mit Clark Holbright abbrachen, beendeten wir sozusagen den Dienst. Und darum gönnte sich Milo ein zweites Bier. Auch ich hätte gerne eine Flasche des edlen Gerstensafts getrunken, aber wenn ich Auto fuhr, verzichtete ich komplett auf Alkohol. Das hatte ich mir zum Grundsatz gemacht und daran hielt ich mich akribisch. An Stelle eines Biers trank ich noch ein Bitter Lemon. Es ging auf Mitternacht zu, als wir Joe‘s Lounge verließen. Ich knöpfte meine Jacke zu. Es war Ende September und die Abende waren schon ziemlich frisch. In den Nächten war die Temperatur schon einige Male bis auf den Gefrierpunkt gefallen.

Aus der Dunkelheit auf der anderen Straßenseite löste sich eine schemenhafte Gestalt. Sie kam schnell über die Straße und nahm Formen an. Jetzt vernahm ich auch rechts von uns schnelle Schritte. Da kamen zwei Kerle. Und im nächsten Moment sah ich auch von links zwei kommen.

Etwas in mir straffte sich. »Das gilt uns, Milo«, knurrte ich. »Mach dich bereit.«

Wir hielten an. Mir war klar, dass dieses Schlägerkommando der Keeper angefordert hatte, als er telefonierte, während wir mit Holbright sprachen. Da waren die Kerle auch schon heran und einer sagte: »Wir werden euch das Schnüffeln austreiben.«

Sie wollten ein Exempel statuieren.

»Seid vernünftig«, versuchte ich es mit Worten. »Wir machen nur unseren Job. Ihr wisst, dass wir Polizisten sind, und macht euch strafbar, wenn ihr uns angreift.«

»Ihr werdet auf den Bäuchen nach Hause kriechen, Drecksbullen!«

Der Kerl schlug nach mir. Ich duckte mich geistesgegenwärtig und seine Faust pfiff über meinen Kopf hinweg. Er wurde halb herumgerissen. Ich drosch ihm die Faust gegen die Leberpartie. Ein Gurgeln stieg aus seiner Kehle. Aber jetzt kam Leben in seine Kumpane.

Nun, ich bekam einige Schläge und Tritte ab. Wohl auch Milo, denn immerhin waren sie zu fünft und wir waren nur zu zweit. Aber jetzt zahlte sich die hervorragende Ausbildung in Quantico wieder einmal aus. Ich schickte einen der Kerle mit einem Fußfeger zu Boden, den anderen schleuderte ich mit einem klassischen Hüftwurf aufs Pflaster, einem dritten hämmerte ich die Faust in den Leib, und als er sich vor mir verneigte, richtete ich ihn mit einem Schwinger unters Kinn wieder auf.

Milo übernahm die beiden anderen Kerle. Das Ende vom Lied war, dass sie die Flucht ergriffen. Lediglich der Bursche, den ich per Hüftwurf auf die Matte geschickt hatte, lag am Boden und rang nach Luft.

Wir stellten ihn mit vereinten Kräften auf die Beine. Ich schlug ihm die flache Hand auf den Rücken, und endlich kam bei ihm der befreiende Atemzug. Er hustete. Wir hielten ihn fest.

»Wer hat euch alarmiert?«, fragte Milo. »Der Keeper?«

»Ja, Charly war‘s. Er meinte, da wären zwei Typen, die eine Abreibung brauchten. Wir sollten uns vor dem Lokal postieren. Als ihr das Lokal verlassen habt, hat er uns informiert.«

Ich ließ den Arm des Burschen los. »Verschwinden Sie!«

»Was?«

»Ja, ziehen Sie Leine. Und sehen Sie sich die Leute, die Sie verprügeln möchten, in Zukunft genauer an. Es kann ins Auge gehen.«

»Schwing die Hufe!«, knurrte Milo.

Der Kerl beeilte sich, davonzukommen.

»Ich denke, wir sollten uns mit Charly ein wenig intensiver befassen«, sagte ich.

»Ganz meine Meinung«, murmelte Milo.



4

Wir setzten uns in den Sportwagen und warteten, bis die Bar schloss. Nach einiger Zeit verließ das Personal das Lokal. Ich sah den Keeper, dessen Name Charly war und der uns eine Horde Schläger auf den Hals gehetzt hatte.

»Okay, Milo«, knurrte ich, »schnappen wir uns den staubigen Bruder.«

Als uns Charly sah, schien es einen Moment lang, als wollte er sich herumwerfen und die Flucht ergreifen. Geduckt und sprungbereit stand er da. Wir forderten die anderen Bediensteten der Bar, die Charly begleiteten, auf, weiterzugehen. Dann waren wir mit Charly allein.

»Warum, Charly?«, fragte Milo mit sanfter Stimme.

»Ich verstehe nicht!«

»Warum haben Sie uns die Schläger auf den Hals gehetzt?«

»Aber …«

»Keine Ausflüchte. Einer der Kerle hat Sie verraten. Also, raus mit der Sprache.«

»Ihr – ihr solltest einen …« Charly verschluckte sich und hustete. Die Augen quollen ihm aus den Höhlen. Er presste die linke Hand auf seinen Leib.

»… Denkzettel erhalten, wie?«, vollendete ich.

»Ja, ja.«

»Na schön«, sagte ich. »Schwamm drüber. Weil Sie uns Schnüffler nicht leiden können, haben Sie uns auch die erbetenen Auskünfte verweigert, nicht wahr?«

»Können wir jetzt miteinander reden?«, mischte sich Milo ein.

»Was wollt ihr wissen?«

»Mit wem verkehrte Byram Wilson?«, fragte ich.

»Der Bursche heißt John. Er ist um die fünfzig und grauhaarig. Dieser Gordon war des Öfteren dabei, wenn Byram und John zusammensaßen. Vielleicht sollten sie ihn fragen.«

»Das werden wir.«

Am folgenden Vormittag sprachen wir bei Gordon Douglas vor. Er gab mir eine Liste mit Namen von Leuten, denen die Star Finance ihre Geldeintreiber geschickt hatte.

»Wer ist John?«, fragte ich geradeheraus.

Douglas legte die Stirn in Falten. »Wer soll John sein?«

»Ich rede von jenem John, mit dem Sie und Wilson des Öfteren in Joe‘s Lounge an einem Tisch saßen.«

»John Bender«, murmelte Douglas. Er wirkte ausgesprochen nervös. Es blieb mir nicht verborgen. Wie das personifizierte schlechte Gewissen. »Ich kenne ihn nicht näher. Er, Byram und ein Bursche namens Clark kennen sich von früher. Ich weiß auch nicht, wo Bender wohnt.«

»Worüber sprachen Wilson, Bender und Clark Holbright?«, fragte ich. »Über Geschäfte? Illegale Geschäfte vielleicht?«

»Was spricht man nach Feierabend unter Männern?« Douglas versuchte ein verschwörerisches Grinsen aufzusetzen, was ihm jedoch kläglich misslang. »Jedenfalls nicht über Geschäfte.«

»Der Kerl weiß mehr, als er zugibt«, meinte Milo, als wir im Sportwagen saßen. Dann begann er den Bordcomputer zu bearbeiten. Ich konzentrierte mich auf den Verkehr. Da mein Sportwagen als Dienstwagen zugelassen war, hatten wir auch Zugriff auf die umfangreichen Datenbanken des NCIC 2000, was wir der Einfachheit halber nur als Archiv bezeichneten.

»Da haben wir ihn ja!«, stieß Milo nach einiger Zeit hervor. Und dann: »Das ist ja ‘n Hammer, Jesse. Bender hat sechs Jahre in Rikers Island gesessen. Und jetzt rate mal, weswegen.«

»Du wirst es mir sicher gleich sagen.«

»Er hat Falschgeld hergestellt.«

Es durchfuhr mich wie ein Stromstoß. »Sag bloß!«

»Hergestellt und in Umlauf gebracht. Ich glaube, Partner, wir sind einen gehörigen Schritt weitergekommen.«

»Wo wohnt Bender?«

»Letzte bekannte Anschrift ist East zweiundsiebzigste Straße, Nummer neunundachtzig.«

»Sag im Field Office Bescheid, dass wir in die Zweiundsiebzigste fahren.«

Wir wurden in dem Gebäude Nummer 89 in der vierten Etage fündig. Auf dem Türschild stand J. Bender. Ich läutete. Es dauerte nicht lange, dann wurde die Tür geöffnet. Eine Frau mit rötlich gefärbten Haaren, ich schätzte sie auf Mitte vierzig, schaute uns fragend an.

Ich grüßte, dann stellte ich uns vor. Und dann erklärte ich ihr, dass wir zu Mr. John Bender wollten.

»Mein Mann ist nicht da.«

»Arbeitet er?«

»Nein. Ich weiß nicht, wo er ist.«

»Wir würden gerne mit Ihnen sprechen, Mistress Bender.«

Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie von diesem Anliegen nicht erbaut war. »Was wollen Sie denn?«

»Nur ein paar Routinefragen.«

»Kommen Sie herein.« Sie sagte es widerwillig und ohne jede Freundlichkeit. Sie ließ uns deutlich spüren, dass sie uns lieber von hinten gesehen hätte.

Dennoch wahrte sie die Gesetze der Höflichkeit und bot uns im Wohnzimmer Sitzplätze an. Herausfordernd, fast trotzig musterte sie uns abwechselnd. Ich sagte: »Ihr Mann verkehrt in Joe‘s Lounge.«

»Hin und wieder geht er auf ein Bier dorthin.«

»Er traf sich dort mit Freunden.«

»Mag sein.«

»Einer seiner Freunde war Byram Wilson.«

Mrs. Bender hob die schmalen Schultern. »Ich kenne seinen Umgang nicht.«

»Wilson wurde ermordet.«

Sie zuckte zusammen. Ihre Nasenflügel vibrierten leicht. Aber sie sagte nichts.

»Im Mund des Toten steckte ein Knäuel Geld – Falschgeld.«

Ich ließ sie nicht aus den Augen. Und mir entging nicht, dass sie plötzlich schneller atmete. Ihr Blick wurde unstet. Sie legte die Hände ineinander und begann sie zu kneten.

Ihre Reaktion sagte mir, dass sie verunsichert war.

Plötzlich ergriff sie das Wort: »Die Sache liegt lange zurück. Mein Mann befindet sich seit zwei Jahren in Freiheit, und er hat mit der Herstellung von Blüten nichts mehr am Hut. Sie müssen mir glauben.«

»Dennoch würden wir gerne mit Ihrem Mann selbst sprechen.«

Die Frau seufzte. »John befindet sich in Washington. Er ist zu seiner Schwester geflohen.«

»Er ist geflohen?«, dehnte Milo überrascht. »Vor wem?«

»Jemand ist an ihn herangetreten. Ich weiß nicht, wer. Auch John weiß es nicht. Es war ein anonymer Anrufer. Er forderte John auf, wieder Falschgeld herzustellen, und gab ihm drei Tage Bedenkzeit.«

»Das ist noch kein Grund, nach Washington zu fliehen«, gab ich zu verstehen.

»Der Anrufer sagte, dass John ein toter Mann sei, wenn er sich weigere, für ihn Falschgeld herzustellen.«

»Und diese Drohung nahm Ihr Mann ernst?«

»Natürlich.«

»Sind die drei Tage, die man ihm Bedenkzeit eingeräumt hat, schon abgelaufen?«

»Gestern. Der Kerl hat wieder angerufen. John sagte ihm, dass ihm die Sache zu heiß wäre. Der Anrufer fragte, ob dies sein letztes Wort sei. John bejahte. Der Kerl drohte ihm mit dem Tod. Dann legte er auf.«

»Und Ihr Mann hat sofort New York verlassen.«

Mrs. Bender bestätigte es mit einem Nicken.

»Wovon leben Sie, wenn Ihr Mann nicht arbeitet?«

»Ich habe nicht gesagt, dass er keinen Job ausübt. Er ist als Designer bei einer Werbeagentur tätig. Nach dem Anruf gestern hat er telefonisch Urlaub beantragt und auch erhalten. Mister Kilkeene, für den John arbeitet, hat ihm vor zwei Jahren nach seiner Haftentlassung eine Chance gegeben. Und John hat geschworen, nie wieder straffällig zu werden.«

»Sagen Sie uns die Adresse seiner Schwester in Washington.«

Nachdem Milo die Anschrift notiert hatte, verließen wir Mrs. Bender.

Ich hatte Zweifel, ob sie uns mit der Wahrheit bedient hatte. John Bender war ein verurteilter Geldfälscher, und bei dem Toten, der Umgang mit Bender pflegte, wurden falsche Fünfzig-Dollar-Noten gefunden. Das konnte kein Zufall sein.

»Soll ich dir sagen, was ich denke?«, fragte ich, als wir in Richtung Federal Plaza fuhren.

»Ich bitte darum.«

»Bender ist wieder ins Falschgeldgeschäft eingestiegen. Und Byram Wilson hat mitgemischt. Er versuchte, jemandem die Blüten anzudrehen, und der hat ihn deswegen umgebracht.«

»Das klingt plausibel«, meinte Milo, »doch es ist nur Spekulation. Wir müssen uns Bender vorknöpfen. Mit seiner Hilfe bringen wir vielleicht etwas Licht ins Dunkel.«

»Er wird es uns nicht auf die Nase binden, wenn er sich wieder als Geldfälscher betätigt«, gab ich zu bedenken.

»Sicher nicht. Doch wenn es so ist, dann kriegen wir ihn auch.«

»Ruf ihn an«, sagte ich.

Mrs. Bender hatte uns auch die Telefonnummer ihrer Schwägerin in Washington D. C. gegeben. Milo holte sein Notizbüchlein aus der Jackentasche, schlug es auf, dann wählte er eine Nummer. Gleich darauf ertönte es aus dem Lautsprecher der Freisprechanlage: »Nelly Chandler.«

»Hier ist Special Agent Milo Tucker vom FBI New York. Ich möchte mit Ihrem Bruder sprechen.«

»Wie kommen Sie darauf, dass er …«

»Wir wissen, dass er bei Ihnen ist. Geben Sie ihn mir, bitte.«

Eine männliche Stimme meldete sich: »John Bender. Was wollen Sie?«

»Wir möchten, dass Sie uns einige Fragen beantworten, Fragen, die im Zusammenhang mit dem Mord an Byram Wilson stehen.«

»Ich habe damit nichts zu tun. Sind Sie wirklich vom FBI?«

»Sie können sich gerne bei Ihrer Frau rückversichern.«

»Das werde ich.«

Danach war die Leitung tot. John Bender hatte die Verbindung unterbrochen. Milo drückte die Wahlwiederholungstaste, lauschte kurz, dann knurrte er: »Besetzt. Wahrscheinlich telefoniert er mit seiner Gattin.«

»Ich denke, wir sind auf der richtigen Spur«, murmelte ich. »Irgendwie passen die Fakten, die wir bis jetzt gesammelt hatten, wie ein Mosaikstein zum anderen. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich bei den Leuten, die sich an John Bender gewandt haben, um die Mörder von Byram Wilson handelt.«

»Das sind gedankliche Kartenhäuser«, wandte Milo ein. »Wir sollten uns nicht in irgendwelche Vermutungen verrennen. Ich versuche noch einmal, Bender zu sprechen.«

Kurze Zeit verstrich.

»Noch immer besetzt«, brummte Milo.

Vor mir leuchteten die Bremslichter auf und ich trat auf den Stempel. Weit vorne stand eine Ampel auf Rot. Wir befanden uns auf der Fifth Avenue. Sämtliche Fahrspuren waren voll von Autokolonnen. Es ging nur stockend vorwärts.

»Ich finde, das ist gar noch so weit hergeholt«, erklärte ich. »Wir …«

Das Telefon läutete. Milo nahm das Gespräch an. Es war John Bender. »Meine Frau hat mir Ihre Telefonnummer gegeben. Was sind das für Fragen, die ich Ihnen beantworten soll?«

»Das sollten wir nicht am Telefon erledigen. Wir würden gerne unter sechs Augen mit Ihnen sprechen. Wann kehren Sie nach New York zurück?«

»Meine Frau hat Ihnen gesagt, was mich veranlasst hat, New York zu verlassen.«

»Hat sie.«

»Dann werden Sie sicher verstehen, dass ich noch einige Zeit bei meiner Schwester bleibe.«

»Okay«, sagte ich. »Dann werden wir Sie eben in den nächsten Tagen in Washington D. C. besuchen.«



5

Bei Mrs. Bender läutete es. Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit. Ehe sie sich versah, wurde die Tür aufgerammt. Sie bekam das Türblatt gegen die Stirn, taumelte zwei Schritte zurück, zwei Männer drängten in die Wohnung, einer drückte die Tür hinter sich zu.

Mrs. Bender überwand die Benommenheit, die nach dem Schlag gegen ihre Stirn kurze Zeit gegen ihr Bewusstsein anbrandete, ihr Blick klärte sich, ihr entrang es sich: »Wer sind Sie, was wollen Sie?«

»Setzen Sie sich!«, gebot einer der Kerle. Und als Mrs. Bender nicht sogleich reagierte, nahm er sie am Oberarm, führte sie zu einem der Sessel und versetzte ihr einen Stoß. Der Mann baute sich vor ihr auf. Der andere trat hinter den Sessel und legte beide Hände auf den oberen Rand der Rückenlehne.

Joan Bender verspürte Angst. Eine unsichtbare Hand schien zu würgen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Das Herz drohte ihr in der Brust zu zerspringen, so sehr raste es. Sie atmete stoßweise.

»Wo ist Ihr Mann?«

»Er – er … Ich – ich weiß es nicht. John hat die Wohnung gestern verlassen und …«

Die Hand des Mannes, der hinter dem Sessel stand, verkrallte sich in den Haaren der Frau. »Du solltest reden, Lady. Wir kennen Mittel und Wege, dir die Würmer aus der Nase zu ziehen. Das geht natürlich nicht ohne Schmerzen ab. Also überleg dir‘s, Lady.«

Der andere der Kerle zündete sich eine Zigarette an. Er inhalierte den Rauch und stieß ihn durch die Nase aus. Dann brachte er den Glutpunkt der Zigarette dicht an das Gesicht der Frau heran. »Soll ich dir ein Loch in die Wange brennen, Lady?«

Ein brutaler Ausdruck hatte sich in den Mundwinkeln des Mannes festgesetzt. Seine Augen blickten hart und kalt. Die Glut näherte sich dem Gesicht der Frau. Sie spürte schon die Hitze.



6

An Nelly Chandlers Wohnungstür läutete es. Sie schaute durch den Spion und sah zwei Männer draußen stehen. Aha, dachte sie. Das sind die beiden Agents aus dem Field Office New York, die gestern angerufen haben. Nelly Chandler öffnete die Tür. »Treten Sie ein, Gentlemen. Mein Bruder erwartet Sie schon.«

Die beiden Kerle schauten überrascht, dann gingen sie in die Wohnung. Nelly Chandler schloss die Tür.

John Bender saß am Tisch auf der Couch und starrte die beiden Männer an. Er befeuchtete sich mit der Zungenspitze die Lippen. Deutlich war ihm anzusehen, dass er sich nicht wohl fühlte in seiner Haut.

Als die Kerle plötzlich Pistolen mit aufgeschraubten Schalldämpfern unter den Jacken hervorzogen, wurde John Bender blass. Wie von Schnüren gezogen erhob er sich. Er wollte etwas sagen, aber seine Stimmbänder versagten.

Einer der Kerle hatte sich Nelly Chandler zugewandt, richtete die Pistole auf die Frau und drückte ab. Nelly Chandler kam gar nicht zum Denken. Die letzte Wahrnehmung in ihrem Leben war der furchtbare Einschlag in der Brust, dann schwanden ihr die Sinne. Sie starb noch im Stehen.

Das Entsetzen raubte John Bender fast die Besinnung. Er war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Ein Laut kämpft sich in seiner Brust hoch und brach aus seiner Kehle. Ein unartikulierter Laut, der dem Grauen entsprang, das ihm den Magen zusammenkrampfte.

»Du hattest deine Chance, und du hast dich entschieden«, sagte einer der Kerle. »Zu unserem Bedauern hast du die falsche Entscheidung getroffen.«

Bar jeglichen Gedankens, von keinem bewussten Willen geleitet, hob John Bender abwehrend beide Hände. Seine Lippen formten tonlose Worte. Aus seinem Gesicht schien der letzte Blutstropfen gewichen zu sein.

Der Bursche, der gesprochen hatte, feuerte.

John Bender bekam die Kugel in die Brust. Sie warf ihn in den Sessel zurück. Sein Kinn sank auf die Brust. Mit einem verlöschenden Stöhnen auf den Lippen starb er.



7

Wir fuhren mit dem Sportwagen nach Washington D. C. Das Navigationsgerät führte uns bis vor die Haustür des Gebäudes, in dem Nelly Chandler wohnte. Wir hatten uns bei den Kollegen in Washington angekündigt und eine Zeit vereinbart, zu der wir uns vor der Wohnung treffen wollten.

Da wir eine Viertelstunde zu früh dran waren, warteten wir. Zum vereinbarten Zeitpunkt fuhr ein Buick heran, aus dem zwei Männer stiegen, die die blauen Blousons des FBI trugen. Auch Milo und ich stiegen aus. Wir gaben uns zu erkennen. Die beiden stellten sich uns als Special Agents Milford Dexter und Lane Wright vor. Milford Dexter war der Ältere der beiden. Seine Haare begannen sich schon grau zu färben. Er hatte sie geschnitten wie Arnold Schwarzenegger in »Phantomkommando«. Lane Wright war ein junger Spund, der mich sehr an meinen Neffen Will vom FBI Los Angeles erinnerte.

Obwohl Mr. McKee, als er uns beim hiesigen Dienststellenleiter anmeldete, berichtet hatte, worum es ging, klärte ich die Kollegen mit wenigen Worten noch einmal auf, damit sie aus erster Hand erfuhren, was uns nach Washington D. C. verschlagen hatte.

Schweigend hörten sie sich meinen knappen Bericht an, dann sagte Milford Dexter mit rollender Bassstimme: »Dann lasst uns hineingehen, Leute. Hören wir uns an, was Mister John Bender zu erzählen hat.«

Wir betraten das Haus und standen wenig später vor der Wohnungstür. Auf unser Läuten öffnete uns niemand. Ich schlug zusätzlich mit der Faust gegen die Tür. Aus der Nachbarwohnung kam eine Frau und fixierte uns fragend. Ich erklärte ihr, wer wir waren, dann sagte die Frau: »Ich habe von Nelly seit gestern Abend nichts mehr gesehen oder gehört und dachte schon, sie wäre verreist. Vielleicht ist sie auch verreist. Warum nicht? Ihr Mann ist vor drei Jahren überraschend an einem Herzinfarkt gestorben und …«

»Verreist Mistress Chandler öfter mal?«, so unterbrach ich den Redeschwall der Lady.

»Nie. Einen Urlaub kann sie sich mit der kleinen Rente, die sie von ihrem Mann erhält, eigentlich nicht leisten, und Kinder zu denen sie fahren könnte, hat sie nicht. Da ist zwar noch ein Bruder, der in New York lebt, aber …«

Ich hatte mich halb abgewandt. »Öffne die Tür, Milo. Mir schwant Schlimmes.«

Milo holte sein Etui mit den Dietrichen aus der Tasche. Es handelte sich um Spezialwerkzeug, mit dem er jedes Schloss innerhalb weniger Sekunden aufschließen konnte. Er benötigte in der Tat keine halbe Minute, um das Zylinderschloss der Wohnungstür zu knacken.

Wir fanden zwei Tote.

Die Leute, für die John Bender arbeiten sollte, waren schneller als wir gewesen. Ich verspürte einen bitteren Geschmack in der Mundhöhle.

Agent Wright verständigte die Mordkommission. Die Spurensicherung machte sich an die Arbeit. Wir hatten den Weg nach Washington D. C. umsonst gemacht. Am späten Nachmittag waren wir wieder in New York. Nicht ahnend, dass wir an diesem Tag eine zweite böse Überraschung erleben sollten, fuhren wir in die 72nd Street.

Joan Bender schien ausgeflogen zu sein. Dreimal läutete ich. In der Wohnung blieb es ruhig. Mein Blick traf sich mit dem von Milo. »Soll ich?«, fragte der Kollege.

Ich bejahte.

Milo machte sich an die Arbeit. Ich wartete mit gemischten Gefühlen. Dann schwang die Tür auf. Mrs. Bender saß in einem Sessel, ihr Kopf hing vor der Brust. Mitten auf ihrer Brust zeichnete sich ein dunkler Fleck ab. Blut! Es war bereits eingetrocknet.

Ich biss die Zähne zusammen, dass es schmerzte. Wer immer auch hinter den Morden an John Bender, seiner Schwester und seiner Frau steckte – er kannte keine Skrupel und arbeitete mit erschreckender Präzision.

Eine Stunde später kamen die Kollegen von der SRD. Sie brachten den Polizeiarzt mit, der sehr schnell zu dem Ergebnis kam, dass die Frau seit mindestens vierundzwanzig Stunden tot war. Wenig später erschien der Coroner mit seinem Gehilfen.

Die Beamten von der Spurensicherung machten sich ans Werk. Boden und Polstermöbel wurden mit einem Spezialstaubsauger abgesaugt. Fingerabdrücke wurden sichergestellt. Nachdem alle Spuren gesichert waren, machten wir uns an die Durchsuchung der Wohnung. Wir schauten in alle Schränke, durchwühlten Schübe, John Benders Computer wurde beschlagnahmt. Ein Kollege stand beim Wohnzimmerschrank und blätterte die Bücher durch, die dort standen. Und plötzlich rief er: »He, seht euch das an!«

Er hielt eine Fünfzig-Dollar-Note in die Höhe.

Ich nahm das Buch und blätterte es durch. Insgesamt kamen sechs Fünfziger zum Vorschein. Ich begutachtete die Scheine und reichte sie dann Milo. »Die sehen ausgesprochen echt aus«, bemerkte mein Kollege. »Und sie fühlen sich auch nicht an wie Falschgeld.«

»Lassen Sie sie auf Ihre Echtheit überprüfen«, trug ich dem Beamten von der Spurensicherung auf.

In weiteren Büchern wurden Fünfzig-Dollar-Noten gefunden.

Ich war davon überzeugt, dass sie gefälscht waren.

John Bender war also wieder ins Falschgeldgeschäft eingestiegen. Und ich vermutete, dass seine Gattin Bescheid gewusst hatte. Sie hatte uns angelogen.

Für Milo und mich gab es nichts mehr zu tun hier. Wir fuhren ins Field Office und meldeten uns bei Mr. McKee an.

»Wir waren in Washington«, begann ich, als wir saßen. »Was wir fanden, waren zwei Tote …«

Ich berichtete ausführlich. Manchmal ergänzte Milo meine Ausführungen. Mr. McKee hört zu, ohne ein einziges Mal zu unterbrechen. Erst, als ich geendet hatte, sagte er: »Diejenigen, die John Bender ermordet haben, zeichnen auch für Wilsons Ermordung verantwortlich.«

»Davon sind wir überzeugt, Sir«, antwortete ich. »Ich habe folgende Theorie aufgestellt: Wilson kaufte irgendeine Ware und bezahlte sie mit Falschgeld. Seine Geschäftspartner kamen ihm auf die Schliche und bestraften ihn. Ehe sie ihn jedoch ermordeten, pressten sie aus ihm heraus, wer das Falschgeld hergestellt hat. Und er verrät den Namen Bender.«

Der AD blickte mich versonnen an. »Was könnte das für eine Ware sein?«

Ich hob die Schultern, ließ sie wieder nach unten sacken und versetzte: »Im Hinblick darauf haben wir nicht den geringsten Anhaltspunkt.«

»Sie tappen also völlig im Dunkeln«, resümierte der AD.

»So kann man es ausdrücken.«

»Nun ja, Sie werden sich schon durchbeißen.« Der Chef lächelte flüchtig. Dann wurde er wieder ernst und fuhr fort: »In New Jersey sind zwei gefälschte Fünfziger aufgetaucht. Das dortige Field Office hat mich in Kenntnis gesetzt. Mit bloßem Auge sind die Fälschungen von echtem Geld nicht zu unterscheiden. Ich denke, sie stammen aus derselben – hm, Kollektion, aus der auch die Blüten stammen, die sich in Wilsons Mund und in den Büchern in Benders Wohnung befunden haben.«

»Wir wissen nicht, ob es sich bei dem Geld, das wir in Benders Wohnung sichergestellt haben, um Fälschungen handelt«, wandte ich ein.

»Ich gehe davon aus«, erwiderte Mr. McKee im Brustton der Überzeugung.

Es waren Fälschungen. Wir erfuhren es am nächsten Tag. Hervorragende Arbeiten. Die Blüten waren identisch mit dem Falschgeld, das bei Byram Wilson gefunden worden war. Und die Fälschungen, die in New Jersey sichergestellt worden waren, stammten aus derselben Werkstatt.

Uns wurde ein weiteres Gutachten von der SRD vorgelegt. Danach hatte der ballistische Abgleich ergeben, dass Byram Wilson und John Bender mit derselben Waffe erschossen worden waren. Es handelte sich um Kugeln vom Kaliber neun Millimeter Luger.

Diese Erkenntnis brachte uns jedoch nicht weiter. Wir brauchten die Pistole, mit denen die Morde begangen worden waren, und wir brauchten den Mann, der die Pistole gehalten hatte.

Fingerabdrücke, Haare und Hautschuppen, die sowohl in der Wohnung in Washington D. C. als auch in der Wohnung in der 72nd Street gefunden worden waren, mussten erst noch ausgewertet werden.

Milo und ich nahmen uns die Liste vor, die wir von Gordon Douglas erhalten hatten und die die Namen derjenigen Schuldner beinhaltete, die von der Star Finance nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst worden waren.

Der erste Mann auf unserer Liste hieß James Belknap.

Ich war davon überzeugt, dass auf der Liste nicht der Name von Wilsons Mörder stand. Mochte jeder von denen ein Motiv gehabt haben, um Wilson den Garaus zu machen – sie hatten jedoch keines, um John Bender, dessen Schwester und seine Ehefrau zu töten.

Nun, wir durften nichts außer Acht lassen.



8

Gordon Douglas machte um 17 Uhr Feierabend. Er nahm nicht den Aufzug, sondern stieg die Treppe hinunter und gelangte in die Tiefgarage. Sein Chevy stand auf dem für ihn reservierten Parkplatz. Douglas betätigte die Fernbedienung. Es gab ein leises Ploppen, als sich die Zentralverriegelung öffnete, die Lichter des Chevy blinkten einige Male auf.

Gordon Douglas war in Gedanken versunken. Er machte sich Sorgen. Es hing mit Byram Wilsons Ermordung zusammen. Seine Rechte ertastete den Türgriff, er öffnete die Tür und klemmte sich hinter das Lenkrad. Dann startete er den Motor, stieß rückwärts aus der Parkbucht, kurbelte am Lenkrad und nahm den Weg zur Rampe, über die er auf die Cedar Street gelangte.

Da sagte im Fond des Wagens eine dunkle Stimme: »Wir fahren nach Haverstraw, Douglas. Wenn du nicht weißt, wo das liegt, werde ich dir gerne den Weg beschreiben.«

Douglas erschrak bis in seinen Kern. Das Herz schlug ihm hinauf bis zum Hals. Unwillkürlich hatte er das Bremspedal getreten. Der Chevy stand. Er schaute in den Rückspiegel und sah ein grinsendes Gesicht, das er nicht kannte. Der Kerl hatte sich im Fußraum im Fond des Wagens versteckt und jetzt war er aus der Versenkung aufgetaucht. Er sagte: »Keine faulen Tricks, Douglas. Gegen die Rückenlehne deines Sitzes ist eine Pistole gerichtet. Die Kugel geht durch wie durch Butter. Ich würde dir die Wirbelsäule auseinander schießen.«

»Wer sind Sie?«, stammelte Douglas. »Was soll ich in Haverstraw?«

»Jemand will dich sprechen.«

»Wer?«

»Das wirst du sehen. Fahr los, Douglas. Es geht nach Norden.«

Es war eine Qual, durch den Feierabendverkehr von Manhattan ein Auto zu lenken. Nieselregen fiel. Douglas musste die Scheibenwischer einschalten. Die meisten Passanten auf den Gehsteigen hatten Regenschirme aufgespannt. In Douglas‘ Eingeweiden rumorten dumpfe Angst und Unsicherheit. War er den Leuten, die Wilson ermordet hatten, ins Netz gegangen? Wenn ja, war sein Leben wohl keinen rostigen Cent mehr wert. Krampfhaft suchte er nach einem Ausweg. Aber angesichts der drohend auf seinen Rücken gerichteten Waffe kam jeder Versuch, das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden, einem Selbstmord gleich.

Douglas durchrann es wie ätzende Säure. Er zitterte innerlich. Die Angst ließ keinen anderen Gedanken mehr zu und lähmte ihn geradezu. Der Mann auf dem Rücksitz dirigierte ihn durch Manhattan. Haverstraw lag am Highway 9W. Auf ihn gelangen sie über die Interstate 87.

Dann hatten sie ihr Ziel erreicht. Sie befanden sich auf dem Hof einer Farm. »Aussteigen, Douglas. Ich werde durch die Jackentasche auf dich zielen. Versuche es lieber nicht.«

»Ihr – ihr bringt mich doch sowieso um«, würgte Douglas hervor.

Der Andere lachte. »Keine Sorge, Douglas. Wenn du einige Fragen beantwortet hast, darfst du nach Hause fahren.«

Douglas war skeptisch, schöpfte aber Hoffnung.

Sie betraten das Farmhaus. Drei Männer befanden sich im Wohnzimmer. Der Bursche, der Douglas hergebracht hatte, postierte sich vor der Tür und verschränkte die Arme vor der Brust.

Douglas war verblüfft. Einer der Männer wies große Ähnlichkeit mit Byram Wilson auf.

»Setzen Sie sich, Douglas«, sagte der Mann. Und als Douglas Platz genommen hatte, stellte er sich vor: »Mein Name ist Robert Wilson. Ich bin Byrams Bruder.«

Douglas atmete auf. Er war sich jetzt sicher, nicht Byrams Mördern in die Hände gefallen zu sein. Mit erzwungener Ruhe fragte er: »Warum haben Sie mich entführen lassen?«

»Ich habe ein paar Fragen an Sie.«

»Wenn ich kann, werde ich sie Ihnen gerne beantworten.«

»Sie werden antworten«, versetzte Wilson mit besonderer Betonung des Wortes werden.

Douglas‘ schweißnasse Hände öffneten und schlossen sich. Er spürte das Unheil tief in der Seele. Seine Nerven lagen blank. Von den Kerlen, die außer Robert Wilson im Raum waren, ging eine stumme Drohung aus.

»Was hatten mein Bruder und Sie vor?«

Robert Wilsons Worte fielen wie Hammerschläge.

»Was meinen Sie? Ich arbeite für Ihren Bruder in der Hauptverwaltung der Star Finance und war dort so etwas wie seine rechte Hand. Im Falle seiner Abwesenheit vertrat ich ihn. Wir …«

Wilsons Rechte pfiff ungeduldig durch die Luft. Douglas verstummte. »Ich habe meine Ohren am Pulsschlag des Verbrechens in dieser Stadt«, grollte Wilson. »Man munkelt, dass mein Bruder einen Drogenring aufziehen wollte. Alleine kann man so etwas nicht machen. Sie waren der engste Vertraute meines Bruders.«

Wilson trat vor Douglas hin, beugte sich vor und stemmte seine Arme auf die Lehnen des Sessels, in dem Douglas saß. Wilsons Atem schlug Douglas ins Gesicht, als er fortfuhr.

»Sprechen Sie frei von der Leber weg, Douglas. Oder muss ich Ihnen von meinen Männern Schmerzen zufügen lassen?«

»Ihr Bruder ist tot«, murmelte Douglas. »Warum also interessieren Sie sich für seine Pläne? Er kann sie nicht mehr umsetzen.«

»Erzählen Sie mir von seinen Plänen.«

»Ich spiele darin keine große Rolle«, murmelte Douglas.

»Ihre Rolle interessiert mich nicht, Douglas. Ich will den oder die Mörder meines Bruders schnappen. Das ist der Grund.«

Wilson hatte sich wieder aufgerichtet und die Arme in die Seiten gestemmt. Mit zwingendem Blick musterte er Douglas. Dieser atmete tief durch, räusperte sich den Hals frei und sagte: »Gut. Es ist so. Byram wollte ins Drogengeschäft einsteigen. Ich ließ mich von ihm überreden, mitzumachen. Er kaufte Drogen an und wollte sie in Südmanhattan vertreiben. Byram war akribisch darauf bedacht, Ihnen nicht in die Quere zu kommen.«

»Weiter.«

»Er beschaffte Drogen im Wert von einer Million Dollar.«

»Und zahlte mit Falschgeld.«

»Ja. Er kaufte das Falschgeld im Verhältnis eins zu zehn an. Fünf Dollar für einen gefälschten Fünfziger. Es waren erstklassige Blüten. Aber scheinbar waren sie nicht gut genug. Byrams Geschäftspartner scheinen ihm auf die Schliche gekommen zu sein.«

»Von wem kaufte er das Falschgeld?«

»Das hat er mir nicht gesagt. Wirklich nicht. Ich sollte für ihn ein Heer von Straßenverkäufern zusammenstellen, die die Drogen an den Mann bringen sollten.«

»Von wem hat er das Rauschgift gekauft?«

»Der Bursche heißt Roger Colby.«

»Wo sind die Drogen jetzt?«

»Sie haben sie sich wieder geholt.«

»Wer.«

»Die Leute, die Ihren Bruder auf dem Gewissen haben.«

»Werden Sie weiterhin für die Star Finance arbeiten, Douglas?«

»Natürlich.«

»In Ordnung. Ich bin der Erbe meines Bruders. Das heißt, ich werde bald Ihr Boss sein. Ich denke, wir beide werden keine Probleme miteinander haben.« Robert Wilson grinste.

»Sie werden sich auf mich verlassen können, Sir.«

»Sie können nach Hause fahren.«

Douglas erhob sich. »Ich habe Byram gewarnt. Aber er war der Meinung, dass die Kerle, von denen er das Rauschgift kaufte, nicht bemerken würden, dass er sie mit Falschgeld bediente.«

»Er bezahlte den Irrtum mit seinem Leben«, brummte Robert Wilson. »Warum hat dieser Narr mich nicht mit ins Boot genommen? Man muss in diesem Geschäft eine gewisse Erfahrung vorweisen können. Warum ist er nicht an mich herangetreten?«

»Er befürchtete, dass Sie das Geschäft an sich reißen würden und er auf der Strecke bleiben würde.«

»Dieser Dummkopf.«



9

»Ich habe einen Anruf erhalten«, sagte Clark Holbright. »Jemand hat mir das Angebot gemacht, für ihn zu arbeiten.«

»Verdammt. Es ist wie bei John. Was hat man dir angedroht, wenn du dich weigerst?«

»Dass es mir ebenso ergeht wie John.«

»Woher kennen die Kerle unsere Namen?«

»Ich schätze, sie haben Byram solange gefoltert, bis er sie ihnen nannte.«

»Verdammt, verdammt. Ich muss damit rechnen, dass auch ich den Kerlen bekannt bin.«

»Ja, davon musst du ausgehen.«

»Was wirst du tun?«

Clark Holbright zuckte mit den Achseln. »Ich werde wohl tun, was sie von mir verlangen. Zum Sterben fühle ich mich noch zu jung.«

»Wenn sie an mich herantreten, werde ich ebenfalls die Bereitschaft signalisieren, für sie zu arbeiten.«

»Wir werden auch ohne John erstklassiges Falschgeld herstellen«, gab Holbright zu verstehen. »Ich melde mich wieder bei dir.«

»Bis dann.«

Dick Sheppard legte auf. Gedankenverloren starrte er vor sich hin. Seine Gedanken arbeiteten. Er verspürte ein seltsames Kribbeln. Wer waren die Leute, für die sie arbeiten sollten? Je länger er darüber nachdachte, umso mehr bemerkte er, wie sich Unbehaglichkeit bei ihm einnistete. Er hatte plötzlich Angst vor der Zukunft. Und er nahm sich fest vor, für den- oder diejenigen zu arbeiten, sollte man dahingehend an ihn herantreten.

Er stellte den Hörer in die Station, ging zu einem Schrank und zog den Schub heraus. Da lag ein Bündel 50-Dollar-Noten. Er zählte fünf Scheine ab, steckte sie in die Tasche und verließ seine Wohnung. Vor dem Haus stand sein Wagen. Es war ein anthrazitfarbener Toyota. Dick Sheppard startete den Motor, lenkte das Fahrzeug aus der Parklücke und fuhr los. Ein Blick auf die Tankuhr sagte ihm, dass es Zeit wurde, zu tanken. Er fuhr die Tankstelle in der 24th Street an, stellte den Wagen bei einer der Zapfsäulen ab und stieg aus.

Dick Sheppard machte den Tank voll. Er ging in den Kassenraum, um zu zahlen, der Kassierer nannte den Preis, Sheppard gab ihm einen von den Fünfzigern. Er bekam das Wechselgeld und verließ die Tankstelle. Sheppard fuhr zu einem Supermarkt, um einige Lebensmittel und Getränke einzukaufen.



10

Robert Wilsons Telefon klingelte. Carmen Reynolds, seine Geliebte, schnappte sich den Hörer und hob ihn vor ihr Gesicht. »Bei Bob Wilson.«

»Ist Wilson zu sprechen?«

»Wer ist da?«

»Einer, der es gut mit ihm meint.«

»Das soll wohl ein Witz sein.«

»Wenn du mich kennen würdest, Lady, würdest du mich ganz und gar nicht für einen Witzbold halten. Nun gib mir Wilson. Was ich ihm zu sagen habe, ist wichtig. Wichtig für ihn.«

Carmen hielt Robert Wilson das Telefon hin. »Für dich. Ein ziemlich unfreundlicher Zeitgenosse.«

Robert Wilson nahm den Hörer. »Wer ist da?«

»Hör zu, Wilson. Wir wollen, dass du aus New York verschwindest.«

Wilson verschluckte sich fast. »Wer ist: wir?«, fragte er, als er die Worte verarbeitet hatte.

»Das tut nichts zur Sache. Nur soviel: Wir werden das Terrain, das du für dich beanspruchst, übernehmen. In jeder Beziehung. Da Manhattan nur Platz für einen von uns bietet, bist du fehl am Platz. Also such dir ein anderes Revier. Solltest du diese Aufforderung ignorieren, werden wir ihr Nachdruck verleihen. Es gibt Mittel und Wege …«

Der Anrufer legte auf.

Wilson wusste nicht, was er davon halten sollte. Versonnen starrte er seine Geliebte an, ohne sie jedoch wahrzunehmen. Er schien durch sie hindurchzublicken.

»Was wollte der Kerl?«, fragte Carmen.

Wilson zuckte zusammen und schaute sie an wie ein Erwachender. Sekundenlang kaute er auf seiner Unterlippe herum, dann sagte er: »Man hat mich aufgefordert, New York zu verlassen und meine Geschäfte hier aufzugeben. Es war eine ziemlich handfeste Drohung.«

Robert Wilson ahnte, dass er sie nicht auf die leichte Schulter nehmen durfte. Es legte sich wie eine tonnenschwere Last auf seine Schultern.



11

Roger Colby lenkte seinen Wagen in die Tiefgarage des Gebäudes, in dem sich sein Apartment befand. Er besaß einen eigenen Stellplatz, auf dem er den Mercury parkte. Dann stieg er aus, ging um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür. Eine mittelgroße Frau mit blonden Haaren stieg aus dem Wagen und schenkte Colby ein freundliches Lächeln. »Du entpuppst dich mehr und mehr zum Gentleman, Roger«, flötete sie mit einer etwas schrillen Stimme.

»Man tut was man kann«, erwiderte er grinsend. Linda Carter war seine neueste Eroberung. Er hatte sie einige Male zum Essen ausgeführt und war mit ihr jedes Mal im Anschluss daran in eine Bar gefahren, die höchsten Ansprüchen genügte. Heute wollte er die Früchte für seine Bemühungen ernten. Sie hatte sich bereit erklärt, bei ihm zu schlafen.

Colby war dreiundvierzig Jahre alt, er wechselte die Frauen wie andere Männer die Hemden, längere Beziehungen kamen für ihn nicht in Frage. Das war auch der Grund, weshalb er nie geheiratet hatte.

Linda hängte sich bei ihm ein, als sie zum Aufzug gingen. Er drückte den Knopf, um den Lift in den Keller zu holen. Wenig später setzte die Kabine auf, die Edelstahltür glitt zur Seite, Colby machte eine einladende Handbewegung. »Bitte.«

Sie fuhren in die zwölfte Etage. Colby gehört Apartment 1205. Er schloss die Tür auf und machte Licht. Seine Wohnung war gediegen eingerichtet. Die Tür klappte leise, als er sie ins Schloss drückte, er lehnte sich dagegen und meinte grinsend: »Das ist mein Reich. Fühl dich wie zu Hause.«

Sie trat vor ihn hin. Colby nahm sie in die Arme und küsste sie. Linda erwiderte seine Küsse. Keiner nahm wahr, dass sich die Tür zum Badezimmer leise öffnete. Ein Mann trat in das Türrechteck. Er hielt eine Pistole in der Hand, sie war auf das Paar gerichtet. Ein klobiger Schalldämpfer war aufgeschraubt.

Ein zweiter Mann verließ das Schlafzimmer. Er bewegte sich leise wie ein Schatten. Auch in seiner Rechten lag eine Pistole mit aufgeschraubtem Schalldämpfer.

Colby und die Frau küssten sich leidenschaftlich. Für Colby war es schon Teil des Vorspiels. Er wusste, wie man eine Frau glücklich machte. Jede seiner Handlungen war zielgerichtet. Er wollte die Frauen im Bett haben. Danach verlor er sehr schnell das Interesse an ihnen.

»Das reicht jetzt!«, sagte der Mann, der in der Schlafzimmertür stand.

Der Schreck bei Colby ging tief und nahm ihm für die Spanne einiger Herzschläge den Atem. Sein Kopf ruckte hoch, er versetzte Linda einen leichten Stoß, der sie zwei Schritte zurücktaumeln ließ, sein Blick verkrallte sich an dem Fremden. Die Mündung des Schalldämpfers glotzte ihn an wie das hohle Auge eines Totenschädels. Und jetzt sah er auch den Burschen, der vor die Badezimmertür getreten war und auf ihn zielte.

Die Tatsache, dass zwei Waffen auf ihn gerichtet waren, brachte Colbys Nerven zum Schwingen.

Von Linda kam ein ersterbender Ton. Angst war wohl ein zu gelindes Wort, um zu beschreiben, was angesichts der Pistolen in ihr vorging. Auch Entsetzen konnte nicht ausdrücken, was sie empfand. Sie hatte das Gefühl, von einem eisigen Hauch gestreift zu werden.

»Du wirst mit uns ein Stück fahren, Colby«, sagte der Mann bei der Badezimmertür. »Die Lady werden wir allerdings hier lassen müssen. Und da sie unsere Gesichter gesehen hat …«

Eiskalt drückte der Kerl ab. Es gab ein Geräusch, als würde jemand den Korken aus einer Sektflasche ziehen. Linda brach zusammen wie eine Marionette, deren Schnüre man loslässt.

Einen Moment hatte Roger Colby das Gefühl, als würde sich um ihn herum alles drehen. Eine Welle des Entsetzens überschwemmte sein Bewusstsein, sein Herz hämmerte einen rasenden Rhythmus, ein Schrei staute sich in ihm und wollte ihm schmerzhaft in die Kehle stiegen. Sein Mund stand halboffen, sein Blick irrte rastlos zwischen den beiden Eindringlingen hin und her. Mit dem zitternden Atemzug lähmenden Entsetzens, der sich seiner Brust entrang, löste sich ein verlöschender Laut von seinen Lippen, der ihm sekundenlang tief in der Kehle gesteckt hatte. Aber er war nicht in der Lage, irgendeine Frage zu formulieren.

»Gehen wir«, sagte Lindas Mörder ohne die Spur einer Gemütsregung.

Die beiden näherten sich Colby. Er war zu keiner Reaktion fähig. »Reiß dich zusammen«, stieß einer der beiden Kerle hervor. »Du bist doch sonst auch nicht so sensibel.«

Jetzt endlich gelang es Colby, seine Stimmbänder zu aktivieren und zu fragen: »Wer schickt euch? Was wollt ihr von mir?«

»Das wirst du sehen. Gehen wir.«

Sie verließen die Wohnung. Die beiden hatten Colby zwischen sich. Ihre Pistolen hatten sie weggesteckt. Es war nach zwei Uhr, und im Treppenhaus begegnete ihnen niemand. Colby musste vor dem Gebäude in den Fond eines Buick steigen. Einer der Kerle nahm neben ihm Platz. Der andere übernahm das Steuer. Sie fuhren nach Haverstraw. Es handelte sich um eine kleine Ortschaft westlich des Hudson River. Ein verschlafenes Nest, in dem die Welt noch in Ordnung war. Colby wurde etwas außerhalb der Stadt auf eine Farm gebracht und dort in einen Kellerraum gesperrt, in dem es finster war wie im Schlund der Hölle. Es gab weder ein Fenster, noch konnte Colby Licht machen, weil sich der Schalter außerhalb des Raumes befand. Die Tür war aus Stahlblech.

Die Finsternis, die Colby umgab, verstärkte das Gefühl von Einsamkeit und Verlorenheit, das ihn erfüllte. Angst und Unsicherheit ließen ihn innerlich erbeben. Er ahnte, weshalb er entführt worden war. Das Blut drohte ihm in den Adern zu gefrieren, als er daran dachte, dass er Zeuge eines brutalen Mordes war und die Gesichter der Mörder kannte. Das konnte nur bedeuten, dass er keine Gelegenheit bekommen sollte, die Mörder Lindas zu beschreiben.

Zur Angst begann sich die Verzweiflung zu gesellen.



12

Mich rief ein Kollege von der SRD an. Er sagte: »Wir haben einen Burschen namens Dick Sheppard kassiert. Er bezahlte an einer Tankstelle mit einem falschen Fünfziger. Der Tankwart hat sich die Nummer seines Wagens aufgeschrieben und uns informiert. Die Fälschung ist identisch mit den Blüten, die bei Byram Wilson gefunden und auch in der Wohnung von John Bender sichergestellt wurden.«

»Wo befindet sich Sheppard jetzt?«

»Wir haben ihn noch in Gewahrsam. Sobald jedoch Haftbefehl erlassen wird, lassen wir ihn nach Rikers Island überführen.«

»Wurde er schon vernommen?«

»Ja. Unsere Verhörspezialisten haben ihn in die Mangel genommen. Er hat nicht standgehalten und einige Namen erwähnt. Das Falschgeld will er zusammen mit zwei Kerlen namens John Bender und Clark Holbright hergestellt haben.«

Also hatte auch Holbright seine Hände im Spiel. Damit hatten wir die Geldfälscher. Jetzt galt es nur noch, herauszufinden, in welcher Verbindung Byram Wilson zu ihnen stand. »Wir kommen sofort«, sagte ich, und dann bedankte ich mich für den Anruf.

Wir fuhren zum Police Department, wo Sheppard arretiert worden war. Er wurde vorgeführt. In dem Raum, in dem wir uns befanden, gab es nur einen Tisch mit vier Stühlen und einen Beistelltisch, auf dem ein Computer stand. Die Wände waren kahl. An der Decke war ein Neonstab angebracht, der weißes Licht auf den Tisch warf.

Ich bat den Wachposten, Sheppard die Handschellen abzunehmen, dann forderte ich den Gefangenen auf, sich zu setzen. Auch ich nahm Platz. Milo setzte sich auf die Schreibtischkante und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Sie haben Falschgeld hergestellt«, begann ich.

»Ich habe doch schon alles erzählt«, kam es fast weinerlich von Sheppard. »Ja, ja, ja. Wir waren zu dritt. John Bender wurde in der Zwischenzeit ermordet. Und Holbright erhielt einen Anruf, in dem ihm der Tod angedroht wurde, falls er sich weigere, für die Kerle zu arbeiten.«

»Warum weigerte sich Bender, für die Leute zu arbeiten, die ihn deswegen angegangen sind?«

»Er wollte das Geschäft alleine machen. Sie wollten uns die Blüten nicht abkaufen. Wir sollten sie für sie herstellen. Damit war John nicht einverstanden.«

»Was spielte Byram Wilson für eine Rolle?«, fragte Milo.

Fahrig strich sich Sheppard über das Gesicht. »Er kaufte uns das Falschgeld ab. Eins zu zehn. Das war in Ordnung. Wozu Wilson das Falschgeld brauchte, weiß ich nicht. Die Verhandlungen mit Wilson hat John geführt. Ob John in Wilsons Geschäfte eingeweiht war, weiß ich ebenfalls nicht.«

»Wo befindet sich die Werkstatt?«

»In einer Garage in Brooklyn.«

Sheppard nannte uns die Adresse.

»Wo wohnt Holbright?«

Auch dessen Anschrift erfuhren wir; West 38th Street Nummer 39. Milo und ich machten uns auf den Weg. Die Wohnung lag in der ersten Etage. Milo legte den Daumen auf den Klingelknopf. Gleich darauf erklang es: »Wer ist draußen?«

»Die Special Agents Trevellian und Tucker vom FBI. Öffnen Sie.«

»Was wollt ihr?«

»Wir haben mit Sheppard gesprochen. Er hat ein Geständnis abgelegt. Machen Sie auf, Holbright. Andernfalls verschlechtern Sie Ihre Lage nur.«

Drin blieb es still. Eine halbe Minute verstrich. Ich schlug mit den Knöcheln meiner Rechten gegen das Türblatt. »Ich gebe Ihnen noch eine Minute, Holbright.«

Keine Resonanz.

Als die Minute vorbei war, warf ich mich mit der Schulter gegen die Türfüllung. Krachend flog die Tür auf. Ich war sofort wieder in den Schutz der Wand getreten. »Falls Sie bewaffnet sind, legen Sie die Waffe weg und kommen Sie mit erhobenen Händen heraus.«

Eine weitere halbe Minute verstrich. Ich nickte Milo zu, dann wirbelte ich um den Türstock, machte zwei lange Schritte und ging sofort auf das linke Knie nieder. Den Arm mit der Pistole hatte ich erhoben. Das Handgelenk stabilisierte ich mit der Linken. Meine Hand mit der Waffe beschrieb einen Halbkreis, dem ich mit dem Blick folgte.

Das Wohnzimmer war verwaist.

Ich richtete mich auf. Milo betrat die Wohnung. Ich glitt zu einer der Türen, die in einen Nebenraum führte, klinkte sie auf und versetzte ihr einen Stoß. Sie knarrte leise in den Angeln.

Nichts!

Es gab ein Badezimmer, ein Schlafzimmer und einen kleinen Raum, der als Abstellkammer diente. Das Fenster im Schlafzimmer war in die Höhe geschoben. Ich beugte mich hinaus. Etwa fünf Yards unter mir lag der Hof. Holbright war aus dem Fenster gesprungen. Er hatte das Wagnis, sich die Beine zu brechen, auf sich genommen, nur um uns nicht in die Hände zu fallen.

Jetzt war er über alle Berge. Der Hof war auf drei Seiten von etwa zwei Yard hohen Mauern begrenzt. Für einen Mann, der fünf Yard in die Tiefe sprang, stellte es sicher kein Problem dar, eine der Mauern zu übersteigen.

Es war ein Fehler, die Möglichkeit der Flucht aus dem Fenster nicht ins Kalkül zu ziehen. Nun hatten wir das Nachsehen. Uns blieb es nur, die Fahndung nach Clark Holbright einzuleiten.

Wir wussten nun Bescheid. Byram Wilson hatte Falschgeld aufgekauft. Die Falschgeldhersteller waren uns bekannt. Einer von ihnen war tot, der andere befand sich hinter Schloss und Riegel. Und sicher war es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch hinter Clark Holbright die Gefängnistore schlossen.

Aber wer hatte Byram Wilson ermordet?

Der Fall war erst abgeschlossen, wenn wir seinen Mörder überführt hatten.

Details

Seiten
Jahr
2022
ISBN (ePUB)
9783738959390
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (März)
Schlagworte
trevellian blüten action krimi

Autor

  • Pete Hackett (Autor:in)

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Titel: Trevellian und die tödlichen Blüten: Action Krimi