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​Stern im Schatten des Galgens: Pete Hackett Western Edition 19

von Pete Hackett (Autor:in)
©2022 130 Seiten

Zusammenfassung

„He, Deputy!"

James Lockwood blieb mitten auf dem Gehsteig stehen und drehte sich langsam um.

Neben der Tür des General Stores stand ein großer hagerer Fremder.

„Meinen Sie mich?", fragte Lockwood.

Der Fremde grinste feindselig.

„Wen denn sonst? Oder gibt es noch einen anderen verdammten Deputy in diesem verdammten Nest?"

James Lockwood spürte, dass dies der gefährlichste Mann war, dem er je gegenübergestanden hatte,

„Okay, Mister. Was wollen Sie?"

„Ich bin Cole Sanders. Matt ist mein kleiner Bruder. Heute wird der Richter ein Urteil über ihn fällen. Du warst es, der ihn geschnappt und wie ein Tier eingesperrt hat. Das war ein Fehler, den du noch bitter bereuen wirst, Deputy. Aber erst werde ich dafür sorgen, dass Matt freikommt."

Das war eine unverhüllte Drohung, aber dagegen konnte der Deputy nichts machen. Von gewaltsamer Gefangenenbefreiung hatte Cole Sanders nichts gesagt, und außerdem konnte man niemanden für eine Drohung bestrafen. Dafür war kein Gericht zuständig.

Und gegen Cole Sanders lag nichts vor, um ihn verhaften zu können. Er konnte sich überall frei bewegen.

„Ihr Bruder ist wegen Mordes angeklagt", sagte James Lockwood eisig. „Er hat Alvin Meacham erschossen. Der Mann war unbewaffnet."

„Er hat Matt angegriffen."

„Ja, mit den Fäusten. Aber vorher hatte ihn Matt gereizt. Und Matt hat ihn eiskalt niedergeknallt. Es war Mord, Sanders."

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Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER EDWARD MARTIN

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​Stern im Schatten des Galgens: Pete Hackett Western Edition 19

Pete Hackett


Western von Pete Hackett


Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

***





„He, Deputy!"

James Lockwood blieb mitten auf dem Gehsteig stehen und drehte sich langsam um.

Neben der Tür des General Stores stand ein großer hagerer Fremder.

„Meinen Sie mich?", fragte Lockwood.

Der Fremde grinste feindselig.

„Wen denn sonst? Oder gibt es noch einen anderen verdammten Deputy in diesem verdammten Nest?"

James Lockwood spürte, dass dies der gefährlichste Mann war, dem er je gegenübergestanden hatte,

„Okay, Mister. Was wollen Sie?"

„Ich bin Cole Sanders. Matt ist mein kleiner Bruder. Heute wird der Richter ein Urteil über ihn fällen. Du warst es, der ihn geschnappt und wie ein Tier eingesperrt hat. Das war ein Fehler, den du noch bitter bereuen wirst, Deputy. Aber erst werde ich dafür sorgen, dass Matt freikommt."

Das war eine unverhüllte Drohung, aber dagegen konnte der Deputy nichts machen. Von gewaltsamer Gefangenenbefreiung hatte Cole Sanders nichts gesagt, und außerdem konnte man niemanden für eine Drohung bestrafen. Dafür war kein Gericht zuständig.

Und gegen Cole Sanders lag nichts vor, um ihn verhaften zu können. Er konnte sich überall frei bewegen.

„Ihr Bruder ist wegen Mordes angeklagt", sagte James Lockwood eisig. „Er hat Alvin Meacham erschossen. Der Mann war unbewaffnet."

„Er hat Matt angegriffen."

„Ja, mit den Fäusten. Aber vorher hatte ihn Matt gereizt. Und Matt hat ihn eiskalt niedergeknallt. Es war Mord, Sanders."

Cole Sanders zeigte die Zähne. „Ich lasse nicht zu, dass ihr meinen Bruder aufknüpft. Ich habe fünf Männer mitgebracht. Wir sind ein halbes Dutzend, und wenn es sein muss, reißen wir dieses Drecknest nieder oder zünden es an allen vier Ecken an."

„Wir fürchten Sie nicht, Sanders", sagte James. „In dieser Stadt gibt es genügend Männer, die das Herz haben, Kerlen wie Ihnen und Ihresgleichen mit der Waffe in der Faust gegenüberzutreten."

Er wollte sich abwenden, als eine Horde Reiter in die Stadt fegte. Es waren über ein Dutzend Männer in Weidereitertracht. Die Pferdehufe rissen Staubwolken in die heiße Luft. Passanten brachten sich vor dem Pulk in Sicherheit.

James sagte kehlig: „Da kommt Keith Meacham mit seiner Mannschaft, Sanders. Er hat ein ausgesprochenes Interesse daran, dass der Mörder seines Sohnes baumelt. Darum wird er höllisch aufpassen, dass Ihr Bruder nicht wie ein Vogel davonflattert."

Cole Sanders zeigte sich unbeeindruckt. Kalt antwortete er: „Diese Kuhtreiber fürchte ich nicht. Jeder meiner Männer nimmt es mit dreien von ihnen gleichzeitig auf."

Er sprach es mit einer Überzeugung, die bei James ein seltsames Kribbeln zwischen den Schulterblättern verursachte. Er ahnte, dass mit Cole Sanders und seinen Männern ein Rudel zweibeiniger Wölfe in Coyote Wells eingebrochen war. James schluckte trocken.

Cole Sanders hakte gelassen die Daumen in seinen Patronengurt. Tief an seinem rechten Oberschenkel hing der schwere 45er. Der Knauf stand etwas ab und war ziemlich abgegriffen. Von den Zügen Sanders' war nicht abzulesen, was hinter seiner Stirn vorging. Sie waren hart und kantig. Mit helläugiger Reglosigkeit starrte er den Reitern entgegen.

Die Reiter näherten sich. Keith Meacham entdeckte den Deputy. Er lenkte sein Pferd auf ihn zu, der Pulk folgte. Vor James kamen sie zum Stehen. Meacham legte die Hände übereinander auf das Sattelhorn, beugte sich ein wenig nach vorn und rief rau: „Heute wird es sich zeigen, Lockwood, wie weit es her ist mit der Gerechtigkeit in unserem Lande. Du weißt, was ich geschworen habe. Bis zum Richterspruch halte ich mich zurück und überlasse alles dem Gesetz. Wenn mir aber der Spruch nicht gefällt, dann fälle ich das Urteil über Matt Sanders. Und wie das lautet, brauche ich dir nicht zu sagen, schätze ich."

James' Schultern strafften sich. „Sheriff Murray, ich und noch ein paar vereidigte Männer werden schon dafür sorgen, dass mit Matt Sanders nichts geschieht, was nicht vom Richter angeordnet wurde, Meacham. Die Zeiten der Selbstjustiz sind vorbei. Ihre Drohungen können Sie sich schenken." Er wies mit dem Kinn auf Sanders. Fast ironisch erklärte er: "Das ist Matt Sanders' großer Bruder, Meacham. Während Sie geschworen haben, Matt eigenhändig den Strick um den Hals zu legen, hat er sich fest vorgenommen, die Haut seines Bruders zu retten."

Keith Meachams Kopf zuckte halb herum. Seine Brauen schoben sich finster zusammen. Die Linien und Kerben in seinem Gesicht vertieften sich. „Ihr Bruder ist ein niederträchtiger Killer, Sanders. Er hat meinen Sohn kaltblütig ermordet. Auf Mord aber gibt es in diesem Land nur eine Antwort: den Strick! Ihr Bruder wird hängen! Und jeder, der es verhindern will, fährt mit ihm in die Hölle."

Cole Sanders lachte klirrend auf, drehte sich wortlos herum und schritt davon. Seine Absätze knallten auf den Gehsteigbohlen.

Sein Ziel war der Saloon, in dem die Verhandlung gegen seinen Bruder stattfinden sollte.

James zog noch einmal an der Zigarette, schleuderte sie in die Fahrbahn und meinte nachdenklich, indes er versonnen hinter Cole Sanders herschaute: „Er ist nicht zu unterschätzen, Meacham. Und er ist nicht allein. Die Sorte ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen."

„Es sind Banditen!", knirschte der Rancher verächtlich. „Dreckiges Gesindel. Bist du nicht für derlei Gelichter zuständig, Deputy?"

„Noch werden Cole Sanders und seine Kumpane nicht vom Gesetz verfolgt", erwiderte James etwas gereizt und wandte sich ab.

Er ging zum Sheriff's Office. Sheriff Steve Murray stand am staubblinden Fenster und starrte hinaus. Es waren noch vier Männer anwesend, an deren Hemden Sterne befestigt waren. Murray hatte sie zu Deputies ernannt. Sie trugen Revolver in den Futteralen und hielten Gewehre in den Fäusten. Murray drehte sich zu James herum und murrte verdrossen: „In der Stadt ist der Teufel los, wie? Die Neugierigen kommen von überall her. Bis von La Belle Well und Bradford Well herunter haben sie den Weg nicht gescheut, um den Prozess hautnah zu erleben."

James rückte sich den Stetson aus der Stirn. „Ein Wagen voll Männer ist sogar von Alamo Spring heraufgekommen. Doch dieser Run war zu erwarten. All diese Menschen treibt die Sensationsgier in unsere Town. Soeben hat sich mir aber ein Hombre in den Weg gestellt, und er ist aus ganz anderen Beweggründen hier. Sein Name ist Cole Sanders."

Der Name schlug ein wie eine Granate. In den Gesichtern arbeitete es plötzlich. Der Sheriff kniff die Lider zusammen. „Matt Sanders' Bruder?", entrang es sich ihm betroffen.

„Genau der", nickte James. „Und er ist nicht allein. Eine Horde Sattelfalken begleitet ihn. Cole Sanders scheint ein Mann zu sein, der hält, was er verspricht. Und wenn seine Gefährten von seinem Schlag sind, dann kann es verdammt rauchig werden."

„Gütiger Gott", flüsterte einer der Deputys. „Matt Sanders hat also nicht übertrieben, als er uns mit seinem Bruder und dessen Freunden drohte."

„Wie erwartet, ist auch Keith Meacham mit den härtesten Burschen seiner Crew eingetroffen", berichtete James weiter. „Ich denke, dieser Tag bringt unserer schönen Stadt noch eine ganze Reihe böser Überraschungen."

Die Augen der Deputies auf Zeit blickten plötzlich unruhig. Unsicherheit griff nach ihnen. Sie vermieden es plötzlich, den Sheriff und James anzusehen.

Murray und James nahmen es wahr. Und sie wussten es zu deuten. Jeder dieser Männer hatte Familie.

Über der Stadt ballte sich wie eine schwarze Gewitterwolke das Unheil zusammen. Egal, wie das Urteil gegen Matt Sanders aussah: einer der Parteien würde es nicht gefallen. Und sie würde ihrer Meinung mit Pulver und Blei Ausdruck verleihen.

Sheriff Steve Murray zog seine Uhr aus der Westentasche, warf einen Blick darauf und sagte: „Zehn vor zwölf. Um zwölf Uhr beginnt die Verhandlung. Geh in den Saloon, James, und halte die Augen offen. Wir bringen in zehn Minuten den Gefangenen."

James ging zum Gewehrschrank, entnahm ihm eine abgesägte Greener, prüfte die Ladungen in den Doppelläufen und legte die Shotgun in seine Armbeuge. „Diese Stadt gleicht einem Pulverfass, an dem die Lunte schon glimmt, Steve", murmelte er und verließ das Office. Hinter ihm klappte die Tür zu.

Der Sheriff wandte sich an seine vier Gehilfen auf Zeit.

„Noch habt ihr Zeit, auszusteigen. Wenn euch die Sache zu heiß wird, legt den Stern auf den Schreibtisch und geht nach Hause. Ich halte keinen."

Sie hatten plötzlich Angst. Dem Sheriff war es nicht entgangen. Zwingend fixierte er sie der Reihe nach.

Sie zogen die Köpfe zwischen die Schultern, drucksten herum und wanden sich geradezu unter seinem Blick.

In ihnen klaffte ein tiefer Zwiespalt zwischen Verstand und Gefühl. Schwer trugen sie an ihrer Unschlüssigkeit. Schließlich fasste sich einer ein Herz. Fast beklommen kam es über seine Lippen:

„Mit Matt Sanders' Bruder rechneten wir nicht, als wir den Stern nahmen. Keith Meacham fürchteten wir nicht, weil es nur einen Richterspruch geben kann, nämlich Tod durch den Strang. Es schien alles ganz einfach. Aber jetzt können wir nicht mehr zurück. Wir würden unser Gesicht verlieren. Sollen unsere Söhne sich unsretwegen schämen?"

Die anderen nickten zustimmend, wenn auch widerwillig.

Sie fürchteten um ihr Ansehen in der Stadt und im ganzen Umland. Ihr Stolz war stärker als ihre Furcht. Noch …

Sheriff Murray stieß die Luft durch die Nase aus. „Well", grollte sein Organ, „holen wir Sanders."


*


James Lockwood betrat den Saloon durch die Hintertür. Der Schankraum war zum Bersten mit Neugierigen gefüllt. Die Bar war während der Verhandlung geschlossen. Unterhalb der Bühne stand der Richtertisch. Zwei Stuhlreihen an der Längswand waren für die Jury vorgesehen. An einem Tisch sollte der Gefangene mit einem Bewacher Platz nehmen. Ein anderer Tisch war für den Sheriff als öffentlichen Ankläger vorgesehen.

Die Menschen standen Schulter an Schulter, drängelten, schoben und traten sich gegenseitig auf die Füße.

James blieb bei der Hintertür stehen. Er wurde kaum beachtet. Bei der Pendeltür brandete entrüstetes Geschrei auf, als Keith Meacham und seine Reiter sich ohne viel Federlesens Zutritt in den Saloon verschafften. Es geriet Bewegung in die Menge. Eine Lady mit grellroten Lippen und Ohrgehängen, die ihr fast bis auf die Schulter reichten, zeterte wütend, weil sie einfach auf die Seite geräumt wurde. Ihre Kraftausdrücke prallten an den Männern von der K.M.-Ranch ab. Sie bauten sich an der Längswand hinter den Stuhlreihen für die Jury auf.

Der Deputy sah sich um und machte Cole Sanders aus. Er stand in der Meute, die den Tresen belagerte. Wieder beschlich James ein mulmiges Gefühl. Sein Blick schweifte über die Gesichter, und viele von ihnen waren ihm unbekannt. Es konnte sich um harmlose Zuschauer handeln, aber auch um Cole Sanders' Gunslinger. James nahm sich vor, auf der Hut zu sein.

Draußen brüllte jemand: „Sie bringen Sanders! Lasst sie durch, damit es endlich losgehen kann."

Schlagartig kehrte im Saloon Ruhe ein. Draußen dröhnten Schritte über den Vorbau, dann wurde Matt Sanders durch die Tür dirigiert. Seine Hände waren vor dem Leib mit Handschellen gefesselt. Das schwarze Haar hing ihm wirr in die Stirn. Er war bleich, in seinen dunklen Augen flackerte die Erregung, die in ihm tobte wie ein Sturm. Die vielen Schaulustigen machten ihn beklommen. Er war ein Mörder, und er ahnte, dass das Urteil gegen ihn bereits feststand. Man würde ihn ins Jail zurückbringen, und dann würde sich ein Großteil der Versammelten betrinken. Keith Meacham würde das Feuer des Hasses schüren, und dann kam sehr schnell der Ruf nach einem Strick …

Sheriff Murray ging voraus. Er hielt ein Gewehr in den Fäusten. Die vier blassen Deputys hatten Matt Sanders in die Mitte genommen. Auch sie trugen schussbereite Gewehre. Sanders wurde auf den für ihn vorgesehenen Stuhl gedrückt. Ein Gehilfe nahm neben ihm Platz. Die anderen drei drängten die Schaulustigen etwas zurück. Der Sheriff nahm seinen Platz ein, und dann kamen aus einem Hinterzimmer der Richter und die Jurymitglieder.

Es war Punkt zwölf Uhr, als der Richter mit seinem Holzhammer auf den Tisch schlug und die Verhandlung für eröffnet erklärte.

Murray verlas die Anklage. Bald kamen die Zeugen zu Wort. Matt Sanders schwieg sich aus. Der Richter schloss die Beweisaufnahme. Steve Murray beantragte mit Donnerstimme die Höchststrafe. Die Jury verschwand im Hinterzimmer, um sich zu beraten.

Schon bald kam sie mit einem Schuldspruch zurück. Der Richter sprach das letzte Wort. Das Urteil lautete lebenslänglich Zuchthaus. Der Richter ordnete an, dass Matt Sanders nach Yuma zu überführen sei, um dort seine Strafe zu verbüßen.

Lebenslänglich Yuma - das war schlimmer als ein Todesurteil. Denn Yuma war die Hölle. Dort starb ein Mann den Tod auf Raten.

Während der Urteilsverkündung hatte James Cole Sanders beobachtet. In dessen Zügen zuckte kein Muskel. Es sah fast so aus, als triumphierte er.

Keith Meachams Gesicht hingegen verdunkelte sich vor Wut. Seine Zähne knirschten übereinander, seine Kiefer mahlten. Eine Reihe von Gemütsbewegungen drückte sich in seinen wettergegerbten Zügen aus.

Wieder ertönte das trockene Klopfen des Holzhammers. Der Richter rief: „Die Verhandlung ist geschlossen." Er verließ den Schankraum, die Jurymitglieder drängten hinter ihm her. Im Saloon brach heilloser Tumult los. Die Männer brüllten nach Bier und Brandy. Jemand schrie überschnappend: „Lebenslänglich! Wenn das kein Hohn ist. Der Bastard gehört an den Galgen!"

Das Stimmengewirr nahm an Vehemenz zu. Die Atmosphäre im Saloon war plötzlich explosiv. Cole Sanders drängte sich nach vorn, legte die Hand auf die Schulter seines Bruders und zischte: „Keine Sorge, Matt, wir holen dich raus."

Der Sheriff war mit zwei schnellen Schritten neben ihm.

„Weg von dem Verurteilten!", knurrte er und hielt die Winchester auf Cole Sanders angeschlagen. „Nehmt Sanders wieder in die Mitte, und klopft jedem auf die Finger, der sie nach ihm ausstreckt. Hoch mit dir, Sanders." Er stieß den Gefangenen mit dem Gewehrlauf an.

Matt Sanders stemmte sich am Tisch in die Höhe. Er starrte seinen Bruder an, und dieser senkte kurz die Lider.

Keith Meacham setzte sich ruckhaft in Bewegung. Er stampfte näher wie ein zorniger Bulle. Murray hatte es plötzlich eilig. „Vorwärts, Sanders!" Er drückte dem Gefangenen die Gewehrmündung gegen die Niere.

Der keine Pulk drängte zum Ausgang. Die Deputies fühlten sich nicht wohl in ihrer Haut. Das war offensichtlich. Sie schoben sich mit dem Banditen durch das Spalier, das die Gaffer bildeten, gefolgt vom bedrohlichen Gemurmel derjenigen, die mit dem Urteil nicht zufrieden waren. Jemand spuckte Matt Sanders an. Der Sheriff trieb den Burschen mit dem Gewehr zurück.

Keith Meacham holte die kleine Gruppe ein. Er stellte sich ihr in den Weg, stemmte die Arme in die Seiten und stieß hervor: „Der Richter hat dich lebenslänglich hinter Zuchthausmauern geschickt, Sanders. Ich aber habe dich zum Tod verurteilt. Du siehst das Zuchthaus nicht von innen. Dafür garantiere ich. Du stirbst am Strick, Mörder, und keine Macht der Welt kann es verhindern."

Grimmig schnaubte der Sheriff: „Aus dem Weg, Meacham! Sie sind weder Richter noch Henker. Das Urteil ist gesprochen, und Sie haben es zu akzeptieren."

In Meachams Miene wütete tödlicher Hass. „Auch du kannst es nicht verhindern, Murray", prophezeite er.

Sie bugsierten Matt Sanders den Vorbau hinunter, um ihn zurück ins Jail zu bringen.

James Lockwood blieb noch auf dem Gehsteig stehen.

Im Saloon rief Meacham mit dröhnender Stimme: „Das Urteil ist ein Witz. Mein Sohn ist tot. Sein Mörder aber soll leben. Das darf nicht sein! Matt Sanders' Bruder Cole ist mit seiner Bande in der Stadt. Bis Yuma sind es hundert Meilen. Cole Sanders bieten sich also tausend Möglichkeiten, seinen Bruder zu befreien. Darum darf der Mörder diese Stadt nicht lebend verlassen."

Grölender Beifall brandete auf. Jemand übertönte das tosende Stimmengewirr mit heiserem Gebrüll: „Holen wir ihn aus dem Jail und hängen wir ihn auf. So wird der Gerechtigkeit Genüge getan, und wir alle kommen auf unsere Rechnung."

Der Lärm im Saloon nahm zu. James ging los, um dem Sheriff zu sagen, was sich anbahnte ...


*


Als James das Sheriffs Office betreten wollte, traten die vier Deputies, die Murray auf Zeit verpflichtet hatte, aus der Tür. Verunsichert schauten sie sich um, wurden rot unter James' fragendem Blick, und der Deputy begriff. Sie nickten ihm verbissen zu und eilten davon. Er ging hinein und schloss die Tür. Die vier Sterne, die auf dem Schreibtisch lagen, stachen ihm sofort in die Augen.

„Die Ratten verlassen das sinkende Schiff", empfing ihn der Sheriff. „Dabei weiß ich nicht, wen sie mehr fürchten. Cole Sanders oder Keith Meacham. Wir sind alleine, James."

Murray ging hinter seinen Schreibtisch und ließ sich schwer auf den Stuhl fallen. Das Möbel ächzte unter seinem Gewicht. James schritt zum Fenster und schaute hinaus. Nur schwach vernahm er den Lärm aus dem Saloon.

„Wir sitzen sozusagen zwischen zwei Mühlsteinen", sagte er. „Das hat jedoch auch seinen Vorteil. Denn zunächst werden sich Cole Sanders und Keith Meacham in die Haare geraten. Sanders und seine Strolche werden über das Jail mit Argusaugen wachen. Und wenn die von Meacham aufgestachelte Meute aufkreuzt, fliegen die Fetzen."

„Sollen sie sich von mir aus gegenseitig zerfleischen", platzte es aus dem Sheriff heraus.

„Eine Partei aber wird am Ende Sieger sein. Und die haben wir dann gegen uns, James."

„Yeah. Und weil das so ist, muss Matt Sanders so schnell wie möglich auf den Trail nach Yuma gebracht werden. Wenn er erst mal aus der Stadt draußen ist, glätten sich hier die Wogen schnell wieder."

„Wer soll ihn nach Yuma überführen?"

James kratzte sich am Kinn. „Da kommt nur einer von uns beiden in Betracht", erklärte er dann.

„Würdest du es dir zutrauen?"

„Heavens, du verlangst, dass ich meine Haut zu Markte trage?"

„Wenn es einer schafft, dann bist du es, James. Ich werde hier die Stellung behaupten. Vielleicht kann ich Sanders und Meacham solange hinhalten, bis du einen ausreichenden Vorsprung hast."

„Das kann verdammt ins Auge gehen. Wenn sie merken, dass sie genarrt wurden, nehmen sie den Laden auseinander. Meacham ist in seinem Hass unberechenbar, er wird auf deinen Stern spucken. Und Sanders - nun, auch er scheint keinen großen Respekt vor dem Stern zu haben. Mich hat er schon auf seine Abschussliste gesetzt."

„Mach dir meinetwegen keine Gedanken", murmelte der Sheriff. „Auf deiner Fährte werden sie kleben wie Bluthunde, wenn sie merken, dass du mit Matt Sanders auf den Trail gegangen bist."

James befeuchtete sich mit der Zungenspitze die Lippen. Von einem Augenblick zum anderen entschloss er sich. „Ich mache es, Steve. Aber ich muss die Nacht abwarten."

„Ich wusste es", murmelte der Sheriff erleichtert. „Leg dich noch einige Stunden aufs Ohr. Du musst fit sein, denn es wird kein Spaziergang, was vor dir liegt. Ich passe hier auf."

James stellte die Shotgun in den Gewehrschrank und begab sich in den Zellentrakt. Sofort kam Matt Sanders ans Gitter, seine Hände umklammerten zwei der soliden Eisenstäbe. „Mein Bruder holt mich raus aus diesem Loch, Lockwood!", zischte er. „Du aber fliegst mit der Nase in den Dreck."

Ohne jede Gemütsregung versetzte James: „Vielleicht holt dich auch Keith Meacham raus, Sanders. Die Schlinge, die er dir um den Hals legt, ist gewiss schon geknüpft."

„Das wird mein Bruder zu verhindern wissen!", fuhr ihn der Bandit an.

„Auch dein Bruder ist nicht gegen ein Stück Blei gefeit, Amigo", gab James kalt zurück. Er ging in eine leere Zelle und legte sich auf die Pritsche. „Und jetzt halt die Klappe, Sanders. Ich muss schlafen. Auch du solltest schlafen."

Der Bandit war jetzt an der Trennwand der Zellen. „Die Hölle verschlinge dich!", knirschte er.

James drehte ihm den Rücken zu.


*


Die Sonne war untergegangen. Ihr Widerschein färbte den Himmel im Westen purpurn. Die Schatten verblassten, die Abenddämmerung schlich ins Land. Krachend flog die Saloontür auf. Keith Meacham und seine Mannschaft strömten auf die Straße. Eine ganze Horde angetrunkener Männer folgte ihnen. Die Rotte setzte sich in Richtung Sheriff's Office in Bewegung.

Steve Murray sah sie kommen. Er lief in den Zellenanbau und weckte James. Dieser fuhr schlaftrunken hoch. In der Nebenzelle lag Matt Sanders auf der Pritsche. Murrays Worte rissen ihn regelrecht in die Höhe.

„Meacham ist mit einer halben Hundertschaft im Anmarsch."

James schwang die Beine von der harten Lagerstatt.

Matt Sanders stand geduckt, wie sprungbereit, mitten in seiner Zelle, in seinem Gesicht zuckten die Muskeln, seine Augen flackerten rastlos.

James und der Sheriff beachteten ihn nicht. Sie rannten zurück ins Office. James bewaffnete sich mit der Shotgun. Während er sich am offenen Fenster postierte, ging der Sheriff hinaus. Auf dem Gehsteig erwartete er die hängelüsterne Meute.

Der Mob kam zum Stehen. Bedrohliches Gemurmel erhob sich. Steve Murray hielt das Gewehr im Hüftanschlag.

„Verschwinde, Murray!", dröhnte Keith Meachams Organ. „Du kannst es nicht aufhalten. Er wird gehängt!"

„Möchten Sie sich auf eine Stufe mit dem Mörder Ihres Sohnes stellen, Meacham?", rief der Sheriff rau. „Sanders kommt nach Yuma. Daran gibt es nichts zu rütteln. Yuma ist schlimmer als der Tod, Meacham. Denken Sie darüber nach, und Sie kommen zu dem Schluss, dass ein schneller Tod am Strick für Sanders eher eine Gnade wäre. Ihr anderen geht nach Hause. Lasst euch nicht vor Meachams Karren spannen!"

„Du stehst auf verlorenem Posten, Murray!", peitschte Meachams Stimme. „Wir kommen jetzt und holen Sanders aus dem Bau!"

Die Situation spitzte sich zu. Die Atmosphäre war drückend, gefährlich und kaum noch zu ertragen. Keith Meacham ignorierte alle Warnungen. Er war sich seiner Starke bewusst. Sein Gesicht war eine Maske wilder Entschlossenheit, und seine Reiter zögerten nicht, ihm zu folgen. Die angetrunkene Meute drängte hinterher.

Steve Murray musste blitzschnell seine Entscheidung fällen. Er brüllte wild: „Ich schieße Sie nieder, Meacham! Nehmen Sie Vernunft an!"

Der Rancher stockte nicht einmal im Schritt. Er war noch etwa zehn Meter vom Sheriff entfernt. Dessen Schultern strafften sich, er jagte einen Schuss aus dem Lauf. Das Blei pfiff über die Köpfe hinweg.

„Die nächste Kugel fährt Ihnen zwischen die Augen, Meacham!", drohte der Sheriff.

Die Rotte hatte wieder angehalten. Meacham rief grollend: „Okay, Murray, du willst es nicht anders. Gebt es ihm, Leute!"

Die Waffen der Weidereiter flirrten hoch. Da brüllte an ganz anderer Stelle ein Gewehr auf. Keith Meacham wurde herumgewirbelt, schrie auf, wankte und fiel gegen einen seiner Männer, der ihn auffing und sanft zu Boden gleiten ließ.

Sekundenlang herrschte Atemlosigkeit. Einige der Cowboys beugten sich über ihren Boss. Die anderen senkten die Waffen. Durch die Meute ging plötzlich ein Raunen. Auch Murray und James waren sekundenlang wie erstarrt. Aus ihrer Lethargie wurden sie gerissen, als dumpfer Hufschlag heransickerte. Er steigerte sich zu einem rasenden Trommeln und entfernte sich nach Westen.

Murray rannte plötzlich los. Er hetzte mit langen Sprüngen die Straße hinunter. James behielt seinen Platz am Fenster bei. Jetzt, da der Rancher hinterrücks niedergeknallt worden war, konnte die Stimmung der Weidereiter leicht überkochen. Denn jedem war klar, dass der hinterhältige Schuss auf das Konto von Cole Sanders ging.

John Collins, der Vormann der K.M.-Ranch, brüllte mit sich überschlagender Stimme: „Den Doc, schnell, verdammt, hole jemand den Doc. Er hat die Kugel in der Brust und verliert Blut ..."

Auf der Straße kehrte Ernüchterung ein. Die Meute scharte sich in einem Halbkreis um das Sheriff's Office. Die Kerle reckten sich die Hälse aus. Sie hatten eine neue Sensation.

Keith Meacham röchelte. Er hatte die Augen geschlossen. Seine Lider flatterten. Der Blutfleck auf seinem Hemd wurde schnell größer. Langsam, aber unaufhaltsam entfloh das Leben dem Körper des Ranchers. Er hatte Wind gesät und Sturm geerntet.

„Collins", flüsterte er. Der Name fiel wie ein Windhauch. „Collins -räche - Alvin. Er - war - dein - Freund. Ich - ich ..."

Ein Blutfaden rann aus seinem Mundwinkel, Keith Meacham bäumte sich auf, ein Gurgeln kämpfte sich in seiner Brust hoch, mit einem verlöschenden Seufzen fiel er schwer zurück. Die Leere des Todes trat in seine Züge.

Der Doc kämpfte sich durch die Masse der Gaffer. Er kniete bei Meacham nieder, untersuchte ihn nur kurz, dann sah er zu Collins in die Höhe und schüttelte den Kopf. „Nichts mehr zu machen. Die Kugel sitzt zu nahe beim Herzen. Er ist innerlich verblutet."

Der Doc richtete sich auf und griff nach seiner Tasche, die er in diesem Fall nicht mehr zu öffnen brauchte. „Es tut mir leid", murmelte er.

John Collins hörte ihn gar nicht. Er starrte auf den Leichnam hinunter, und plötzlich knirschte er zwischen den Zähnen. „Ich räche Alvin, Boss. Und auch deinem Mörder werde ich eine blutige Rechnung präsentieren. So wahr wie du hier tot vor mir liegst."

Es war ein Schwur. Eine schlimme Verheißung ging von dem Vormann aus. Er heftete seinen brennenden Blick auf das Fenster, an dem sich James postiert hatte, und rief klirrend: „Es hat sich nichts geändert, Lockwood. Wir machen dort weiter, wo Keith Meacham aufzuhören gezwungen wurde. Wir kommen wieder."

Der Sheriff kehrte atemlos zurück. Durch das Fenster sagte er zu James: „Sie haben schon am Nachmittag ihre Pferde aus dem Mietstall geholt und irgendwo bereitgestellt. Ich sah sie gerade noch über einen Hügel verschwinden. Es waren fünf."

„Dann befindet sich noch einer der Schufte in der Stadt", erklärte James. „Das heißt, dass Sanders und seine Komplizen nicht allzu weit geflohen sind. Sie kehren sicher auf Schleichwegen zurück, um jederzeit eingreifen zu können, falls diese Narren von der K.M.-Ranch und ihr betrunkener Anhang noch einmal verrückt spielen."

Murray nickte zustimmend.

Auf der Straße schnarrte John Collins. „Jackson, du bringst mit einigen Männern den Boss auf die Ranch. Bahrt ihn auf, wie es sich gehört. Wir begraben ihn, wenn Sanders in der Hölle schmort. Ewers, Curtis, Bronson und Battey, ihr bleibt mit mir in der Stadt. Einmal müssen sie Sanders herausbringen. Und dann kommt unsere Stunde."

Auf dem Vorbau des Saloons lehnte ein dunkelgekleideter Bursche an einem Stützpfosten. Sein linkes Auge war von einer schwarzen Klappe verdeckt. Das hatte ihm den Namen „One Eye" eingetragen. Sein richtiger Name war Brad Parker. Er hatte von Cole Sanders den Auftrag, hier alles zu beobachten.


*


In Coyote Wells war wieder Ruhe eingekehrt. Es war finster. Das Mond- und Sternenlicht versilberte die Dächer. Hinter vielen Fenstern brannten Lichter. Auch im Sheriff's Office. Tiefe Ruhe lag über der Stadt - eine trügerische Ruhe, die an den Nerven zerrte.

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2022
ISBN (ePUB)
9783738958294
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Februar)
Schlagworte
schatten galgens pete hackett western edition

Autor

  • Pete Hackett (Autor:in)

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