Lade Inhalt...

Trevellian und das nie endende Spiel: Krimi Action

von Pete Hackett (Autor:in)
©2022 150 Seiten

Zusammenfassung

Krimi von Pete Hackett

Der Umfang dieses Buchs entspricht 123 Taschenbuchseiten.

Ein alter „Bekannter“ taucht wieder auf. Die FBI-Agenten Trevellian und Tucker vermasseln ihm ein lukratives Geschäft, und nun nimmt er die Agenten direkt ins Visier. Zuerst wird eine Kollegin entführt, dann stehen die beiden selbst auf der Abschussliste einer öffentlichen Hinrichtung.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Trevellian und das nie endende Spiel: Krimi Action

Krimi von Pete Hackett


Der Umfang dieses Buchs entspricht 123 Taschenbuchseiten.


Ein alter „Bekannter“ taucht wieder auf. Die FBI-Agenten Trevellian und Tucker vermasseln ihm ein lukratives Geschäft, und nun nimmt er die Agenten direkt ins Visier. Zuerst wird eine Kollegin entführt, dann stehen die beiden selbst auf der Abschussliste einer öffentlichen Hinrichtung.



Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Erfahre Neuigkeiten hier:

https://alfred-bekker-autor.business.site/

Zum Blog des Verlags!

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!



1

Scott Mason lenkte den Truck auf den Rastplatz. Es ging auf Mitternacht zu. Es gab hier eine Raststätte. Mason wollte einen Kaffee trinken. Er war am Abend losgefahren und wollte am Morgen New York erreichen. Der Trucker stellte den Motor ab, löschte die Scheinwerfer und stieg aus. Seine Beine waren steif, die Muskeln hatten sich verkrampft. Scott Mason dachte sich nichts dabei, als ein Personenwagen auf den Rastplatz fuhr und ein Stück von dem Truck entfernt angehalten wurde. Drei Männer stiegen aus. Einer sagte etwas, das Mason jedoch nicht verstehen konnte. Er achtete auch gar nicht darauf.

Aus den Fenstern der Raststätte fiel Licht. Einige weitere Lastwagen standen auf den Parkplätzen. Mason zündete sich eine Zigarette an, rauchte einige Züge, warf sie fort und betrat das Restaurant. Er ging zum Kaffeeautomaten. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch keine Ahnung, dass seine letzte Stunde angebrochen war.

Der Kaffee war stark und heiß und törnte Mason an. An einigen Stehtischen standen Kollegen von ihm. Die meisten tranken Kaffee oder eine Cola, einige aßen einen Happen. Es waren vielleicht ein Dutzend Männer, die die Raststätte bevölkerten. Stimmengemurmel war zu vernehmen. Einmal ertönte schallendes Gelächter.

Mason hatte es nicht besonders eilig. Er würde in den frühen Morgenstunden New York erreichen und wenn er Pech hatte, traf er in dem Werk, für das seine Lieferung bestimmt war, noch keine Menschenseele an. Er trank den Kaffee also in kleinen Schlucken, dann ging er auf die Toilette, wusch sich die Hände, rauchte im Freien noch eine Zigarette, dann kehrte er zu seinem Truck zurück und nahm sich vor, zwei Stunden zu ruhen, ehe er weiterfuhr.

Als er die Tür des Führerhauses geöffnet und seinen Fuß auf das untere Trittbrett gesetzt hatte, kam vorne um den Truck eine Gestalt herum. Sie war in der Finsternis nur schemenhaft auszumachen. Auch hinter Mason erklangen Schritte. Er drehte den Kopf. Und er sah von hinten einen weiteren Schemen auf sich zukommen.

Mason erschrak. Bereits zwei seiner Kollegen waren überfallen worden. Sein Herz begann zu rasen, und ihm wurde schlagartig klar, dass er sich in Gefahr befand. Er nahm seinen Fuß vom Trittbrett und drehte sich um. »Was …«

Er spürte einen furchtbaren Einschlag in die Brust, und ehe er begriff, dass es sich um eine Kugel handelte, brach er zusammen. Die Detonation schluckte ein Schalldämpfer. Es gab nur ein Geräusch, als würde jemand einen Korken aus einer Sektflasche ziehen. Als Mason am Boden aufschlug, war er schon tot.

Ein dritter Kerl erschien. Er durchsuchte die Taschen Masons und förderte einen Schlüsselbund zutage. »Schafft ihn weg. Ich rufe an, wenn ich die Ware los bin.«

»In Ordnung. Wir holen dich ab.«

Der Bursche stieg in den Truck, und eine halbe Minute später rollte er davon. Seine beiden Kumpane hatten Mason aufgehoben und trugen ihn zu dem Chevy, mit dem sie gekommen waren. Nachdem sie den Toten in den Kofferraum gelegt hatten, fuhren auch sie davon.

Niemand in der Raststätte hatte etwas von dem kaltblütigen Mord mitbekommen.



2

Mr. McKee bat uns zu sich. Milo und ich ließen ihn nicht warten. Im Vorzimmer saß Mandy an ihrem Computer und lächelte freundlich. »Geht nur hinein. Der Kaffee ist gleich durchgelaufen.«

»Du bist ein Schatz«, sagte Milo, während ich schon an die Tür zum Büro des Assistant Directors klopfte. Ohne die Aufforderung, einzutreten, abzuwarten, öffnete ich. Mr. McKee saß hinter seinem Schreibtisch und hob jetzt das Gesicht. »Kommen Sie herein, Jesse, Milo.« Der Chef erhob sich und kam um den Schreibtisch herum. Er begrüßte uns per Handschlag, dann forderte er uns auf, Platz zu nehmen. Er selbst ließ sich wieder hinter dem Schreibtisch nieder. Wir setzten uns an den Konferenztisch.

Wenn der Chef rief, stand in der Regel etwas Besonderes an. Ich war also gespannt und harrte der Dinge, die kamen.

»Woran arbeiten Sie im Moment?«, fragte der Chef. Ich sagte es ihm. Er nickte und meinte: »Ich habe was Neues für Sie, Jesse, Milo. Sie können Ihren aktuellen Fall dennoch weiterverfolgen. Aber …« Der AD zuckte mit den Achseln. »Ich will es kurz machen. Es geht um Überfälle auf Lastzüge, die Kupfer beförderten. Vor vier Tagen wurde bei Warwick der dritte Überfall dieser Art im Staat New York durchgeführt. Ähnliche Überfälle geschahen in den vergangenen Wochen in Ohio und West Virginia. Bei dem Überfall in der Nähe von Warwick wurde Kupfer im Wert von einer Viertelmillion Dollar geraubt. Der Truck wurde einen Tag später in der Nähe von Bedford entdeckt. Vom Fahrer fehlt jede Spur. «

Der AD machte eine kleine Pause, ließ seine Worte wirken, und als Milo und ich schwiegen, fuhr er fort:

»Die beiden ersten Überfälle liefen ähnlich ab. Einen der Fahrer fand man in der Zwischenzeit. Seine Leiche schwamm in einem See bei Katonah. Der Mann wurde erschossen. Insgesamt wurde Kupfer im Wert von über siebenhunderttausend Dollar gestohlen. Man geht davon aus, dass auch die beiden anderen Fahrer nicht mehr leben. Das Kupfer kam von einem Werk in New Castle, Pennsylvania.«

»Für wen war das Kupfer jeweils bestimmt?«

»Für die International Kupfer Products Ltd. in New York. Die Firma stellt Kupferteile aus hochwertigen Legierungen her. Sie hat ihren Sitz in Staten Island.«

Mr. McKee nannte uns noch die genaue Adresse des Unternehmens, und Milo schrieb sie auf. Dann gab mir der Chef die dünne Akte, die auf seinem Schreibtisch lag, und dann brachte Mandy den Kaffee. Wir sprachen über den Fall. Da bisher jedoch nur vage Erkenntnisse vorlagen, beschränkte sich die Konversation auf das Wenige und auf Vermutungen.

»Buntmetall, besonders Kupfer, steht hoch im Kurs«, bemerkte Mr. McKee zwischendurch einmal. »Ich habe mir sagen lassen, dass der Wert einer Tonne bei achttausend bis achttausendfünfhundert Dollar liegt.«

»Irgendjemand muss die Diebe hinsichtlich des Zeitpunkts der Transporte informieren«, erklärte ich. »Der Informant sitzt entweder in dem Werk in Pennsylvania, oder in der International Kupfer Products Ltd. in Staaten Island.«

»Das herauszufinden ist Ihre Aufgabe, Jesse, Milo. Wenn wir diesen Burschen haben, führt über ihn der Weg sicher auch zu den Gangstern, die die Überfälle ausführen und zu dem Hehler, der das Kupfer aufkauft.«

Nachdem wir den Kaffee getrunken hatten, ließen wir den Chef allein.

Ich studierte die Akte. Sie gab nicht viel her. Und so beschlossen wir, nach Staten Island zu dem kupferverarbeitenden Betrieb zu fahren. Wir nahmen die Fähre, die im Stundentakt verkehrte. Nach anderthalb Stunden fuhren wir in den Hof des Unternehmens, ich fand einen Parkplatz und stellte den Wagen ab.

Der Betriebsleiter hieß James Gardner. Wir meldeten uns bei seiner Sekretärin an und gleich darauf saßen wir dem Mann in seinem Büro gegenüber. Er war um die fünfzig und seine Haare färbten sich schon grau. »Es ist tragisch«, sagte Gardner und es klang nicht nur so dahergesagt, sondern drückte aus, wie er tatsächlich empfand. Ich konnte in seinen Zügen lesen wie ein einem offenen Buch. Dieser Mann war echt erschüttert. »Wir gehen davon aus, dass alle drei Truckfahrer ermordet worden sind«, fuhr er mit dumpfer Stimme fort. »Und es ist zu erwarten, dass weitere Überfälle stattfinden.«

»Warum werden die Trucks nicht mit zwei Fahrern besetzt?«, fragte Milo.

Gardner hob die Schultern. »Keine Ahnung. Wahrscheinlich kommt es zu teuer. Diese Frage müssten Sie allerdings den Verantwortlichen bei dem Betrieb in Pennsylvania stellen. Ich kann Sie Ihnen nicht beantworten.«

»Wer wusste Bescheid, wann Kupferlieferungen an Ihren Betrieb erfolgten?«, wollte ich wissen.

»Wir bestellen das Kupfer, das wir benötigen. Der Auftrag wird bestätigt und uns wird mitgeteilt, dass das Kupfer in nächster Zeit oder bis zu einem gewissen Termin geliefert werde. Auf den Tag genau erfahren wir allerdings selten, wann der jeweilige Transport durchgeführt wird.«

Milo schaute mich an. »Das bedeutet, dass unser Mann in dem Betrieb in Pennsylvania sitzt.«

»Das kann es bedeuten«, differenzierte ich.

»Wer führt ihn Ihrem Betrieb die Bestellungen durch?«

»Mistress Donegan. Sie ist Sachbearbeiterin und verantwortlich für die Materiallieferungen. Möchten Sie die Frau sprechen?«

»Ich bitte darum«, erwiderte ich.

Fünf Minuten später betrat die Lady das Büro. Es war eine gepflegte Erscheinung um die vierzig mit blonden Haaren und einem gleichmäßigen, fraulichen Gesicht, das vielleicht einige Nuance zu streng wirkte. Außerdem wirkte sie hochmütig.

»Die beiden Agents haben einige Fragen an Sie, Mistress Donegan«, sagte Gardner.

Sie hob die Brauen, nickte uns zu und ließ sich nieder. »Es hängt mit den Überfällen auf die Kupfertransporte zusammen, wie?«

»Sehr richtig«, sagte ich.

»Ich werde Ihnen dazu kaum etwas sagen können«, sagte die Lady und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Herausfordernd musterte sie mich. Für Milo schien sie sich nicht so sehr zu interessieren. Unwillkürlich schaute ich, ob sie einen Ehe- oder Verlobungsring trug. An ihren Fingern steckten zwar einige Ringe, aber nichts wies darauf hin, dass sie fest gebunden war. Allerdings hatte sie Gardner, als er von ihr sprach, Mistress genannt. Sei‘s drum. Sie war jedenfalls ausgesprochen attraktiv.

»Wie läuft eine Bestellung ab?«, fragte ich.

»Wir faxen dem Betrieb in Pennsylvania, was wir brauchen, man bestätigt uns den Auftrag und schickt das Material. Ganz einfach.«

»Wird Ihnen der Lieferzeitpunkt mitgeteilt?«

Gardner erhob seine Stimme: »Ich sagte es Ihnen doch, schon, dass …«

Ich winkte ab und er verstummte. Auffordernd schaute ich Mistress Donegan an.

»Manchmal«, sagte sie. »Wenn, dann der Tag, an dem die Lieferung erfolgt. Meistens aber wird uns nur ein Datum genannt, bis zu welchem geliefert wird. Der Liefertermin wird vom Zulieferer meist sehr großzügig bemessen. In der Regel trifft die Ware ein oder zwei Tage vor diesem genannten Termin ein.«

»Mit wem stehen Sie bei dem Lieferbetrieb in Kontakt?«, wollte Milo wissen.

»Sein Name ist Benson. Mehr weiß ich nicht. Wir haben noch nie ein privates Wort miteinander gewechselt.«

»Wir brauchen die genaue Anschrift des Betriebes«, erklärte ich.

Die Lady erhob sich. »Wenn Sie nicht mehr wollen«, sagte sie und lächelte mich vielsagend an.



3

Wir nahmen mit der John Marek Company in New Castle, Pennsylvania, Kontakt auf. Ich wurde zweimal verbunden, dann hatte ich Cash Benson an der Strippe. »Special Agent Trevellian, FBI New York«, stellte ich mich vor. »Ich habe einige Fragen an Sie, Mister Benson. Routinefragen.«

»Ich kann mir schon denken, worum es geht, Special Agent. Aber fragen Sie. Wenn ich Ihre Fragen beantworten kann, werde ich das gerne tun.«

»Wer stellt bei Ihnen im Betrieb die Touren zusammen? Wer teilt ein, wer wann wohin fährt?«

»Das macht Miss Sounders. Es geschieht in Absprache mit mir, und ich habe mir auch vorbehalten, die jeweiligen Fahrpläne gegenzuzeichnen. Ich gebe also von Fall zu Fall mein okay. Warum fragen Sie?«

»Die Überfälle kann nur jemand ausüben, der bezüglich des Zeitpunkts des Transportes und der Route, die der Fahrer nimmt, genauestens informiert ist.«

»Zu dieser Schlussfolgerung bin ich auch schon gekommen«, versetzte Benson. »Dafür kämen unter anderem Paula Sounders und ich in Frage. Für Paula lege ich allerdings die Hand ins Feuer. Und ich – nun, ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie den Verdacht haben, dass ich etwas mit den Überfällen zu tun haben könnte.«

Er lachte fast belustigt auf.

»Unter anderem?«, sagte ich fragend. »Sie meinten, dass unter anderem Miss Sounders und Sie in Frage kämen.«

»Die Männer, die die Trucks beladen, wissen, für wen die Ware bestimmt ist. Sie haben ja den Auftrag, anhand dessen Sie den Truck beladen. Natürlich wissen auch die einzelnen Fahrer Bescheid. Es gibt keinen Grund, ein Geheimnis daraus zu machen.«

»Der Personenkreis ist also groß«, murmelte ich. »Wobei die Fahrer ausscheiden dürften. Einer von ihnen wurde ermordet. Und die beiden anderen sind spurlos verschwunden.«

Benson konnte mir nicht weiterhelfen. Ich bedankte mich, verabschiedete mich und unterbrach die Verbindung, indem ich den Hörer auflegte. »Nichts!«

»Ich habe es mitbekommen«, knurrte Milo. »Das heißt, wir haben im Moment nichts, wo wir ansetzen könnten.«

»Und das ist nicht viel«, murmelte ich ergeben.

Ich rief bei der SRD an. Die Spurensicherung war noch nicht abgeschlossen. Einige Haare und Hautschuppen aus dem Truck, der zuletzt überfallen worden war, mussten noch einer DNA-Analyse unterzogen werden. Der Fahrer, der tot in dem See bei Katonah gelegen hatte, war mit einer Kugel vom Kaliber neun Millimeter erschossen worden. Die Waffe, aus der die Kugel verschossen wurde, war nicht registriert.

Wir mussten abwarten. Und so beschlossen wir, an der Sache weiterzuarbeiten, mit der wir schon beschäftigt waren, als uns Mr. McKee mit dem neuen Fall betraute. Es ging um groß angelegten Steuerbetrug. Geldwäsche spielte dabei eine herausragende Rolle. Der Schaden ging in die Millionen.

Zwei Tage später bekamen wir einen Bericht der Spurensicherung. Eines der Haare, dessen Gen-Struktur festgestellt worden war, gehörte einem Mann namens Kenneth Spencer. Spencer war wegen Einbruchsdiebstahls und gefährlicher Körperverletzung vorbestraft. Sein zuletzt bekannter Wohnsitz war Manhattan, Clinton Street. Eine Rückfrage bei Cash Benson bestätigte uns, dass Spencer nie für die John Marek Company tätig gewesen war. Also vertrödelten Milo und ich keine Zeit. Die Hausnummer war bekannt, und das Namensschild an der Tür im dritten Stockwerk des Gebäudes verriet uns, dass wir richtig waren.

Ich läutete. Es war Nachmittag, kurz nach fünfzehn Uhr. In der Wohnung rührte sich nichts. Als auch auf wiederholtes Läuten niemand öffnete, versuchten wir es bei einem Nachbarn. Eine weibliche Stimme war durch die geschlossene Tür zu hören: »Wer ist draußen?«

»Special Agent Trevellian, FBI New York. Ich habe eine Frage an Sie.«

Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet. Die Hälfte eines hageren Frauengesichts wurde sichtbar, die andere Hälfte war hinter dem Türblatt verborgen. »FBI?«, tönte es fragend aus ihrem Mund. »Was hab ich mit dem FBI zu tun?«

Ich sah, dass ihr die beiden Schneidezähne fehlten. Das war wohl auch der Grund, weshalb sie so stark nuschelte. Ich zeigte ihr meine ID-Card. »Wir wollten zu Ihrem Nachbarn, zu Mister Spencer. Aber er scheint nicht zu Hause zu sein.«

Die Frau drückte die Tür zu, aber nur, um die Sicherungskette auszuhaken, dann öffnete sie sie wieder, und nun war sie ganz zu sehen. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen. Sie sah verbraucht und vorzeitig gealtert aus. Vielleicht war sie krank. »Was ist mit Ken?«

»Wir hätten einige Fragen an ihn.«

»Hat er was ausgefressen?«

Ich lachte. »Nur ein paar Routinefragen.«

»Ken arbeitet.«

»Womit wir bei meiner Frage wären«, sagte ich. »Sie können uns sicher sagen, wo er beschäftigt ist.«

Sie nickte. »Es ist ein Schrotthandel in Queens. Marten heißt der Inhaber. Autofriedhof und so. Sie finden den Betrieb in der Merrill Street.«

»Lebt Spencer alleine in der Wohnung?«

»Ja. Aber er hat, so weit ich weiß, eine Freundin.«

»Verbringt er seine Abende zu Hause?«

»Na, Sie fragen mich Zeug. Was weiß ich denn, wo Ken seine Abende verbringt? Das müssen Sie ihn schon selber fragen.«

»Merrill Street, sagten Sie?«

»Ja.«

Ich bedankte mich.

Es handelte sich um ein riesiges Areal, das der Schrottplatz für sich in Anspruch nahm. Berge von Schrott. Drei Kräne waren zu sehen. Es gab eine riesige Schrottpresse. Das Büro war in einer flachen Baracke untergebracht. Inhaber war Fred Marten. Das verriet ein großes Schild an der Wand über der Tür. In dem Büro saßen zwei weibliche Angestellte. Eine war über fünfzig, die andere allenfalls fünfundzwanzig. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte die ältere der beiden Ladys freundlich.

»Wir hätten gerne Kenneth Spencer gesprochen.«

»Der sitzt auf einem Kran. Wer sind Sie denn?«

Ich glaubte einen lauernden Ausdruck in ihren Augen wahrzunehmen. Sie wirkte plötzlich misstrauisch und reserviert. Hatten wir einen besonderen Geruch an uns? Ich zeigte ihr meinen Ausweis und stellte Milo und mich vor.

Sie nickte. Dann wandte sie sich an die jüngere Lady. »Sue, hol doch mal Ken.« Sie schaute mich wieder an. »Zwei Minuten, Special Agents.«

Sue, die junge Angestellte, war aufgestanden und verließ das Büro. Sie wog mindestens vierzig Pfund zu viel.

Es dauerte tatsächlich nicht viel länger als zwei Minuten, dann kam Sue zurück. In ihrem Schlepptau befand sich ein Bursche von etwa fünfunddreißig Jahren, mittelgroß, breitschultrig und sehr sportlich wirkend. Auf seinem Kopf saß eine blaue Baseballmütze, unter der Mütze quollen schulterlange, brünette Haare hervor. Mir fiel eine Narbe an seiner linken Augenbraue auf.

Er schaute von mir auf Milo, nickte und sagte: »Ich bin Ken Spencer. Was kann ich für Sie tun?«

Ich musterte ihn aufmerksam. Zeigte er Unruhe, Nervosität? Was verriet sein Mienenspiel, was verrieten seine Augen? Die Körpersprache sagt viel über den Gemütszustand eines Menschen aus. Mir entging nicht das leichte Zucken seiner Mundwinkel. Sein Blick sprang zwischen Milo und mir hin und her.

»Ich bin Special Agent Tucker«, stellte sich mein Kollege vor, wies auf mich und nannte auch meinen Dienstgrad und Namen. »Sprechen wir draußen, Mister Spencer.«

Wir gingen hinaus. Scheppern und Klirren erfüllte die Luft. Soeben kam ein großer Truck durch das Haupttor, hoch beladen mit Autowracks. Das Brummen des Motors mischte sich in die anderen Geräusche. Spencer verschränkte die Arme vor der Brust. »Was darf es sein?«

»Wo waren Sie in der Nacht vom vierten auf den fünften Dezember?«

Spencers Brauen schoben sich zusammen. Über seiner Nasenwurzel bildeten sich zwei senkrechte Falten.

»Das war vorige Woche von Dienstag auf Mittwoch«, half ich ihm auf die Sprünge.

»Ich war wohl zu Hause«, murmelte Spencer. »Vielleicht war ich auch bei Jane. Das ist meine Freundin. Sie hat eine Wohnung auf der Westside. Warum wollen Sie das wissen?«

»Weil wir vermuten, dass Sie in einem Truck der John Marek Company saßen. Zumindest wurde ihre DNA in dem Fahrzeug festgestellt.«

Ich nahm in Spencers Augen ein unruhiges Flackern war. Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, schluckte und sagte: »Ich verstehe nicht.«

»Der Truck wurde gestohlen, und zwar samt einer Ladung Kupfer im Wert von einer Viertelmillion. Außerdem ist der Fahrer des Lasters spurlos verschwunden. Irgendwie muss ja das Haar von Ihnen in den Truck gekommen sein. Also, wo waren sie in der Nacht vom vierten auf den fünften dieses Monats?«

Da klingelte mein Mobiltelefon. Ich nahm es aus der Tasche und ging auf Empfang. Es war Mr. McKee. Er sagte: »Scott Masons Leiche wurde gefunden, Jesse. Sie lag in einem Waldstück bei Greenwood Lake. Mason wurde erschossen.«

Es bedurfte keiner näheren Erklärung, denn ich wusste, dass Scott Mason der Fahrer des Trucks war, der zuletzt überfallen wurde. Ich war nicht einmal überrascht, denn ich hatte damit gerechnet, dass der Mann nicht mehr lebte. Ich ging ein wenig zur Seite und berichtete dem Chef, dass wir den Burschen am Haken hatten, dessen DNA in dem ausgeraubten Truck festgestellt worden war.

Nachdem ich mich vom AD wieder verabschiedet und ihm versichert hatte, ihn auf dem Laufenden zu halten, kehrte ich zu Milo und Spencer zurück.

»Ich weiß nicht, wie ein Haar von mir in den Laster gekommen sein soll«, behauptete Spencer. »Versuchen Sie bloß nicht, mir etwas in die Schuhe zu schieben.«

Ich richtete den Blick auf Milo. »Mason ist tot. Er wurde erschossen.«

»Wer ist Mason?«, blaffte Spencer.

»Der Fahrer des Truck, in dem wir Ihre Spur gefunden haben. Wir nehmen Sie mit, Spencer. Und wenn Sie uns keine plausible Erklärung liefern können, wie ein Haar von Ihnen in den Truck gekommen sein kann, haben Sie ein gewaltiges Problem am Hals.«

»Verdammt, ich …«

Wir ließen uns auf keine Diskussionen ein, sondern machten kurzen Prozess. Milo klärte den Burschen über seine Rechte auf, dann klickten die Handschellen.



4

Wir überließen Spencer unseren Vernehmungsspezialisten Irwin Hunter und Dirk Baker. Durch eine einseitig transparente Glaswand verfolgten Milo und ich, wie sie ihn ausquetschten. Wir konnten auch hören, was gesprochen wurde.

Spencer saß an dem Tisch in der Raummitte. Hunter ging hin und her. Dirk Baker saß auf der Tischkante und hatte die Arme vor der Brust verschränkt.

»Ich weiß nicht, wie ein Haar von mir in den Truck gekommen ist!«, knirschte Spencer ungeduldig. »Vielleicht will mir jemand eins auswischen und hat es hineingelegt.«

»Machen Sie sich nicht lächerlich, Spencer«, versetzte Baker. »Nun geben Sie es schon zu: Sie waren dabei, als der Truck entführt wurde. Raus mit der Sprache! Wer hat den Fahrer erschossen? Und wo ist das Kupfer gelandet?«

»Ich kann euch nichts sagen.«

»Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?«

»Verdammt, verdammt …« Spencer schnappte nach Luft, als würde ihn eine unsichtbare Hand würgen.

»Sie haben ein Problem, Spencer«, sagte Dirk Baker und löste die Arme aus der Verschränkung, rutschte von der Tischkante und stemmte sich mit beiden Armen auf den Tisch. »Erwiesen ist, dass ein Haar von Ihnen in dem Laster lag. Vielleicht wollen Sie mir jetzt erzählen, dass jemand eine identische DNA hat, aber das können Sie vergessen. Die DNA ist ebenso einmalig wie der Fingerabdruck. Wie also kam das Haar in den Truck?«

Spencer lehnte sich zurück und begann mit den Fingerkuppen auf der Tischplatte zu trommeln. »Was habe ich für Vorteile, wenn ich rede?«

»Na also, es geht doch. Nun, wir können mit dem Staatsanwalt reden. Sicher ist ein Deal drin.«

»Ich will Straffreiheit.«

»Wenn Sie an einem Kapitalverbrechen beteiligt waren, wird sich das wohl kaum machen lassen, Spencer. Aber man könnte über erleichterte Haftbedingungen sprechen. Und das Gericht stellt vielleicht nicht die besondere Schwere der Schuld fest. Das bedeutet, dass man Sie irgendwann begnadigen wird. Das ist doch immerhin etwas.«

»Ich habe den Truck gefahren.«

»Wohin?«

»Zu Martens Schrottplatz in der Nähe von Buchanan.«

»Ihr Chef steckt also drin?«

»Er kauft das Kupfer auf. Zur Hälfte des regulären Wertes. Wahrscheinlich verdient er sich dumm und dämlich damit.«

Baker setzte sich auf einen der Stühle, die um den Tisch herumstanden. »Wer war noch dabei?«

»James Hagare und Will Swanson. Swanson hat den Kraftfahrer erschossen.«

»Habt ihr auch die beiden vorhergehenden Überfälle verübt?«

»Ja. Das Kupfer ist immer bei Marten gelandet.«

»Man hat in der Zwischenzeit zwei der Truckfahrer tot aufgefunden. Was wurde aus dem dritten?«

»Er ist ebenfalls tot. Auch ihn hat Swanson erledigt. Ich habe die Lastzüge jeweils nach Buchanan gefahren, wo sie entladen wurden, dann stellte ich sie irgendwo ab.«

»Wer steckt dahinter?«, fragte Irwin Hunter.

»Das weiß ich nicht. Swanson rief an, wenn wieder ein Job zu erledigen war. Er holte mich dann von zu Hause ab. Hagare saß jedes Mal schon im Auto. Swanson ist ein alter Kumpel von mir. Hagare habe ich jedoch erst durch ihn kennengelernt.«

Hunter verließ den Vernehmungsraum und gesellte sich zu Milo und mir. »Ihr müsst euch diesen Swanson schnappen. Wie es scheint, ist er der Schlüssel zum Hintermann der Highway-Piraten.«

»Frag Spencer noch, wo Swanson wohnt«, sagte ich und schaute Milo an. »Wir, denke ich, haben genug gehört. Den Rest erledigt ihr, Irwin.«

Hunter ging in den Vernehmungsraum zurück. Swanson wohnte in der 17th Street. Spencer wusste zwar die Hausnummer nicht, aber er erklärte, dass sich im Erdgeschoss des Gebäudes ein Obstladen befand.

Wir begaben uns zu Mr. McKee. Er hörte sich schweigend an, was wir zu berichten hatten, dann sagte er: »Fahren Sie zu Swanson. Ich schicke die Agenten Kronburg und Morell zu Fred Marten, damit sie ihn verhaften. Gute Arbeit, Jesse, Milo.«

»Danke, Sir.«

Milo und ich fuhren in die 17th. Wir fanden das Obstgeschäft, und ich quetschte den Wagen zwischen einen alten Ford und einen noch älteren Lieferwagen. Dann betraten wir das Gebäude durch den Seiteneingang. Es gab keinen Aufzug. Der Geruch von frischen Äpfeln erfüllte das Treppenhaus. Wir stiegen die Holzstiege hinauf. Die Stufen knarrten manchmal unter unserem Gewicht. Zweite Etage – Apartment Nummer 203 – an der Glocke war ein Namensschild angebracht. Will Swanson stand drauf.

Wir zogen die Dienstwaffen. Milo trat links neben die Tür, ich rechts. Da ging die Tür des benachbarten Apartments auf. Ein Mann kam heraus. Er schaute uns verdutzt an, dann zog er den Kopf zwischen die Schultern, denn er sah die Pistolen in unseren Fäusten. Erschrecken zeichnete sein Gesicht. Sein Mund sprang auf, doch er brachte kein Wort heraus.

»Gehen Sie in Ihre Wohnung zurück!«, gebot ich mit leiser, aber scharfer Stimme.

Rückwärtsgehend kehrte er in seine Wohnung zurück, ehe er aber die Tür schloss, stieß er abgehackt hervor: »Swanson – hat … Er – hat …« Der Mann schluckte würgend.

»Was denn?«, fragte Milo.

»Er hat vor etwa zwanzig Minuten fast fluchtartig die Wohnung verlassen«, stammelte der Mann nun. »Er – er trug einen Koffer und rannte wie von Furien gehetzt die Treppe hinunter.«

Ich zerkaute eine Verwünschung. »Gibt es in dem Gebäude so etwas wie einen Hausmeister?«

»Ja, der wohnt eine Etage höher. Coulter ist sein Name.«

Nachdem wir uns ausgewiesen hatten, schloss uns der Hausmeister die Wohnungstür auf. Im Schlafzimmer standen die Schranktüren offen. Einige Kleidungsstücke lagen verstreut auf dem Bett herum. Hier sah in der Tat alles nach einem überstürzten Aufbruch aus.

Ich rief die Kollegen von der Spurensicherung an, damit sie die Wohnung auf den Kopf stellten. Auf einem Board stand ein Bild. Es zeigte einen Mann von etwa vierzig Jahren. »Ist das Swanson?«, fragte ich den Hausmeister. Der Mann nickte. Ich nahm das Bild mit, denn wir benötigten es für die Fahndung.

Nachdem die Beamten von der SRD eingetroffen waren, fuhren Milo und ich zum Bundesgebäude an der Federal Plaza zurück. In unserem Büro angekommen suchten wir im Archiv nach James Hagare. Und wir wurden fündig. Hagare war wegen einiger Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz, wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Unfallflucht und Urkundenfälschung vorbestraft. Er konnte auf ein beachtliches Vorstrafenregister blicken. Nach unseren Unterlagen wohnte er in Stuyvesant Town.

Wir vergeudeten keine Zeit.

Aber wir trafen auch Hagare nicht zu Hause an. Niemand aus der Nachbarschaft konnte uns einen Tipp geben, wo Hagare sein könnte. Wir warteten über eine Stunde vor seiner Wohnung, aber er kam nicht.

»Nachdem wir Spencer verhaftet haben, wurden die beiden wahrscheinlich gewarnt«, meinte Milo, als wir wieder auf dem Weg zur Federal Plaza waren. »Und sie haben sich abgesetzt.«

Mein Telefon in der Freisprechanlage läutete, Milo nahm das Gespräch an. Es war Jay Kronburg. »Wir haben Marten verhaftet«, erklärte Jay. »Jetzt sind wir auf dem Weg ins Field Office. Ihr wollt doch sicher mit ihm sprechen.«

»Weiß er, worum es geht?«

»Wir haben ihn aufgeklärt. Ohne seinen Anwalt will er allerdings kein Wort von sich geben.«

»Seinen Kopf kann auch kein Anwalt mehr retten. Inhaftiert ihn. Wir führen heute noch eine Durchsuchung in seinem Betrieb in der Nähe von Buchanan durch.«

Jay und Leslie kamen eine Dreiviertelstunde nach uns im Field Office an. Fred Marten wurde arretiert. Dann fuhren wir mit acht Leuten nach Buchanan zu dem Schrottlager. Die kleine Stadt lag am US-Highway 9; es handelte sich um ein verschlafenes Nest. Der Schrottplatz lag etwas außerhalb der Ortschaft. Ein weitläufiges Areal, mit einem Drahtzaun eingegrenzt und Bergen von Schrott, der hier vor sich hin rostete. Das große Tor war aus Eisenrohren zusammengeschweißt und ebenfalls mit Drahtzaun bespannt. Es war einmal grün gestrichen gewesen, aber die Farbe war größtenteils abgeblättert und der Rost brach durch. Es war geschlossen und mit einer Kette gesichert. Da es schon auf den Abend zuging und wir so etwas erwartet hatten, hatten wir einen Bolzenschneider mitgebracht. Wir betraten das Gelände. Inmitten der Schrottberge stand eine flache, langgezogene Baracke. Im vorderen Teil war ein Büro untergebracht. Der Rest war Lagerhalle. Wir drangen ein.

Und wir staunten nicht schlecht. In der Halle stapelten sich Trommeln und Paletten mit Kupferband unterschiedlichster Dicken und Breiten. Wir hatten das Diebesgut entdeckt. Ich verspürte eine tiefe Befriedigung. Sogleich aber dachte ich daran, dass wir zwar die Männer kannten, die die Überfälle ausführten, und wir hatten den Hehler dingfest gemacht, aber wir wussten nicht, wer hinter den Diebstählen steckte. Und das versetzte meiner Zufriedenheit einen gewaltigen Dämpfer.

Milo verständigte das Police Department, damit von dort ein Team kam, das das Kupfer abtransportierte und in Sicherheit brachte. Als wir die Halle verließen, sah ich einen Schemen hinter einem Berg Schrott verschwinden. Es war schon finster. »Hab ich mich getäuscht oder war da jemand?«, kam es flüsternd von Milo.

»Du hast dich nicht getäuscht. Komm, den schnappen wir uns.«

Ich spurtete los und rannte um den Berg Schrott herum. Es dauerte nicht lange, dann kam Milo von der anderen Seite. »Er kann nur diese Richtung genommen haben«, sagte ich und knipste die Taschenlampe an, die ich in der linken Hand hielt. Der Lichtkegel glitt über Schrotthaufen hinweg und bohrte sich in eine Lücke dazwischen. Und da sah ich den Kerl. Er stand geduckt neben einem der Schrotthaufen. Als sich der Lichtfinger auf ihn heftete, warf er sich herum und floh weiter.

Ich machte die Taschenlampe aus, wir folgten ihm. Meine Augen hatten sich an die herrschenden Lichtverhältnisse gewöhnt. Gegen den helleren Hintergrund hoben sich die Schrotthaufen ab wie riesige, geduckt daliegende Untiere aus grauer Vorzeit; scharf und schwarz wie Scherenschnitte.

Und plötzlich blitzte es vor uns in der Finsternis auf. Das Peitschen einer Detonation begleitete das Aufblitzen. Ich war mit dem Aufglühend des Mündungslichts zur Seite gesprungen. Jetzt rannte ich geduckt in die Deckung des Schrotthaufens zu meiner Linken und ging dort auf das linke Knie nieder. Die Detonation verhallte raunend, und es wurde still. Auch Milo war in Deckung gegangen. Ich wartete einige Sekunden, dann rief ich: »Geben Sie auf. Wir kriegen Sie. Sie machen alles nur noch schlimmer.«

Es erfolgte keine Resonanz. Einmal glaubte ich ein leises Geräusch zu vernehmen, dann glaubte ich in der Lücke zwischen den Schrotthaufen eine flüchtige Bewegung wahrzunehmen. Vielleicht täuschten mich auch meine überreizten Sinne.

»Milo«, rief ich.

»Alles in Ordnung, Partner. Ich gehe weiter. Gib mir gegebenenfalls Feuerschutz.«

»In Ordnung.«

Die Sekunden verstrichen. Ich sah Milos schattenhafte Gestalt eins werden mit der Finsternis zwischen den Schrotthaufen und richtete mich auf, um meinem Kollegen zu folgen. Einmal war ein Scheppern zu vernehmen. Nachdem die Schrotthaufen zu beiden Seiten endeten, hatte der Gangster mehrere Möglichkeiten, seine Flucht fortzusetzen. Milo wartete auf mich. Ich wagte nicht, die Taschenlampe anzumachen, denn wir hätten uns wie auf einem Schießstand präsentiert.

»Der ist fort«, raunte Milo.

»Sieht so aus. Ich suche da. Geh du in diese Richtung.« Ich begleitete meine Worte mit entsprechenden Gebärden der linken Hand.

Milo verschwand. Ich pirschte an dem Schrottberg entlang, lenkte meine Schritte zwischen zwei andere Haufen, und schließlich stand ich vor dem Drahtzaun, der das Areal begrenzte.

Ich kehrte um. In dem Moment, als ich den dritten Schritt machte, dröhnte eine Detonation. In das Verklingen mischte sich ein zweiter Schuss. Dann vernahm ich trampelnde Schritte. Ich hetzte los und rannte um den Schrotthaufen vor mir herum, sah eine schemenhafte Gestalt und hielt mit der Taschenlampe drauf. Der Lichtschein erfasste sie. Sie wirbelte herum und feuerte auf mich.

Ich warf mich hin. Durch die Dunkelheit links vor mir stieß eine Mündungsflamme, der Schuss donnerte, ein Aufschrei erklang und dann ein dumpfer Fall. Ein Ächzen folgte.

»Bist du in Ordnung, Jesse?«

»Ja.« Ich kam auf die Knie hoch. Und wieder vernahm ich das ächzende Stöhnen. Schließlich stand ich und lauschte angespannt.

»Keine Bewegung!«, hörte ich Milo rufen. Wenig später ließ mein Kollege erneut seine Stimme erklingen. Er rief: »Hierher, Jesse.«

Ich folgte der Stimme, und dann sah ich Milo. Am Boden lag eine Gestalt, leises Wimmern war zu hören. »Ich habe ihn getroffen«, sagte Milo. Ich knipste die Taschenlampe an. Der Lichtkegel traf ein Gesicht, das ich noch nie gesehen hatte. Es gehörte einem etwa vierzigjährigen Mann. In seinen Zügen wütete der Schmerz. Seine Augen glitzerten wie Glas.

Schritte waren zu hören. »Jesse, Milo«, ertönte es.

Details

Seiten
Jahr
2022
ISBN (ePUB)
9783738957013
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Januar)
Schlagworte
trevellian spiel krimi action

Autor

  • Pete Hackett (Autor:in)

Zurück

Titel: Trevellian und das nie endende Spiel: Krimi Action