Zusammenfassung
Es war diese Mischung aus Wut und Trauer, die ihr Herz erfüllte und ihre Seele brennen ließ!
Der Atem der hübschen Blondine mit dem halblangen Haar, das hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden war, ging heftig. Sie war ungeschminkt, sonst hätte sich die Schminke längst über das ganze Gesicht verteilt. Am schlanken Hals zeigten sich hektische Flecken, wie immer, wenn sie sich dermaßen aufregte.
Sie hatte nur ein schlichtes weißes T-Shirt an und ein paar bequeme, weil nicht zu enge Jeans. Ihre Lieblingskleidung in der Freizeit, wenn sie nicht gerade vor hatte, auszugehen. Ihre eher zierlichen Füße steckten in schlichten Turnschuhen. Eben wie zumeist in ihrer Freizeit.
Immer wieder schlug sie in ihrer Erregung mit der zur Faust geballten Hand auf das Lenkrad ein, als würde sie dieses für alles verantwortlich machen.
„Nein!“, schrie sie, und es klang verzweifelt.
Warum hatte Mark Felding ihr das angetan?
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© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
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Susan Vortex konnte kaum etwas erkennen. Die Tränen verschleierten ihren Blick. Und dennoch ging sie nicht mit dem Gas herunter. Es war, als würde eine unsichtbare Macht sie vorwärts peitschen, eine Macht, der sie sich unmöglich entziehen konnte.
Es war diese Mischung aus Wut und Trauer, die ihr Herz erfüllte und ihre Seele brennen ließ!
Der Atem der hübschen Blondine mit dem halblangen Haar, das hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden war, ging heftig. Sie war ungeschminkt, sonst hätte sich die Schminke längst über das ganze Gesicht verteilt. Am schlanken Hals zeigten sich hektische Flecken, wie immer, wenn sie sich dermaßen aufregte.
Sie hatte nur ein schlichtes weißes T-Shirt an und ein paar bequeme, weil nicht zu enge Jeans. Ihre Lieblingskleidung in der Freizeit, wenn sie nicht gerade vor hatte, auszugehen. Ihre eher zierlichen Füße steckten in schlichten Turnschuhen. Eben wie zumeist in ihrer Freizeit.
Immer wieder schlug sie in ihrer Erregung mit der zur Faust geballten Hand auf das Lenkrad ein, als würde sie dieses für alles verantwortlich machen.
„Nein!“, schrie sie, und es klang verzweifelt.
Warum hatte Mark Felding ihr das angetan?
Sie hatte ihn erwischt, nachdem er sie versetzt hatte. Angeblich fühlte er sich unwohl und wollte sie deshalb nicht sehen, weil er lieber allein war in einem solchen Fall.
War es denn ein Wunder, dass sie sich ganz besonders um ihn sorgte nach diesem Telefonat?
Obwohl sie gewusst hatte, dass es wahrscheinlich falsch war, seinen Wunsch zu ignorieren, hatte sie sich in ihr Auto gesetzt und war zu ihm hin gefahren.
Nur um ihn im Bett mit einer anderen zu erwischen!
Er hatte behauptet, es würde nichts bedeuten.
Nichts bedeuten?
Für ihn vielleicht, aber durchaus für sie, Susan Vortex!
„Ich habe dich geliebt!“, schrie sie das Lenkrad an.
Schon wieder läutete ihr Telefon. Mark natürlich. Er ließ einfach nicht locker. Aber sie wollte nicht mit ihm sprechen, weil sie niemals mehr mit ihm sprechen wollte.
Jetzt schaltete sie das Telefon ganz aus und warf es voller Verachtung in den Fußraum auf der Beifahrerseite.
Endlich würde es Ruhe geben!
Und jetzt begann es auch noch zu regnen. Die herunter prasselnden Tropfen erschienen ihr wie Vorboten des kommenden Untergangs.
Im Nu färbte sich der Himmel pechschwarz, so dass nicht einmal das Licht des Vollmondes eine Chance hatte, die Schwärze zu durchdringen.
Der erste Blitz zuckte hernieder, ein Donnergrollen nach sich ziehend, als sollte der Himmel einstürzen.
Und Susan ging immer noch nicht mit dem Gas herunter. Viel zu schnell schoss ihr Wagen die Landstraße entlang, um immer tiefer in den dunklen Wald einzudringen, wie ein Geschoss in die Eingeweide eines Untiers.
Es war das erste Mal, dass sie so etwas wie Furcht verspürte vor den schwarzen Bäumen, die vom Wind gepeitscht scheinbar nach ihr zu greifen versuchten.
Um sie aufzuhalten?
Beinahe hätte sie jetzt auch noch beschleunigt, als wollte sie vor den zugreifenden Bäumen fliehen.
Die Scheibenwischer bemühten sich vergeblich, Herren über die Wassermassen zu werden.
So kam alles zusammen: Nicht nur innerlich schien es ihr, als wäre die Welt in Scherben gegangen, jetzt wollte sich die Welt anscheinend auch noch äußerlich anpassen.
Sie versuchte, die Tränen wegzublinzeln, denn weit vorn tauchte eine Kurve auf. Sie kannte die Strecke, und sie wusste, dass diese Kurve schon vielen Menschen den Tod gebracht hatte. Weil sie die gerade Strecke zu schnell gefahren waren. Die Kurve wurde gern unterschätzt, obwohl zahlreiche Hinweisschilder eindringlich davor zu warnen versuchten.
Wenn sie jetzt nicht endlich mit der Geschwindigkeit herunter ging, kam sie auf der regennassen Straße unweigerlich ins Schleudern. Ihre rasante Fahrt würde jäh an einem der dicken Bäume enden. Sie würde eines dieser beklagenswerten Opfer werden.
Aber warum sollte sie das überhaupt verhindern? Wieso wollte sie überhaupt noch weiterleben?
Doch waren da nicht tastende Scheinwerfer hinter der Kurve?
Was, wenn jetzt jemand entgegen kam und sie mit diesem zusammenstieß?
Dann würde nicht nur sie allein das Opfer sein, sondern ein Fremder, Unschuldiger.
Durfte sie das riskieren?
Automatisch ging sie mit dem Gas herunter.
Aber war es dafür nicht schon zu spät?
Sie trat reflexartig auf die Bremse.
Viel zu stark: Ihr Wagen kam vor der Kurve schon ins Schleudern. Er stellte sich quer und schleuderte weiter. Er drehte sich um die eigene Achse, bis sein Heckteil auf die Kurve zeigte. Eine weitere Vierteldrehung ließ den Wagen auf die Gegenfahrbahn geraten, was sie ja hatte verhindern wollen.
Und da war plötzlich ein geduckter Schatten, der in genau diesem Augenblick die schwarze Wand aus Bäumen verließ.
Für einen Sekundenbruchteil erkannte Susan überdeutlich, wie in einer glasklaren Momentaufnahme, die Silhouette eines Hundes, der allerdings mehr auf dem Bauch kroch als dass er sich auf seinen Vieren bewegte.
Nichts und niemand konnte mehr verhindern, dass ihr Wagen diesen Hund erfasste und mit sich riss.
Bis die dicht stehenden Bäume am Waldrand dem wirbelnden Chaos endlich ein Ende setzten.
*
Benommen und wie durch einen Schleier spähte Susan nach draußen. Die Windschutzscheibe war wie durch ein Wunder nicht geborsten, aber ihr Wagen war total verbeult.
Totalschaden, ohne Zweifel.
Sie lauschte in sich hinein, aber es gab keine Schmerzen. Ein weiteres Wunder, dass sie nicht verletzt war. Oder spürte sie nur deshalb nichts, weil sie unter Schock stand?
Mehr unterbewusst nahm sie wahr, dass tatsächlich ein Wagen um die Kurve kam. Ja, sie hatte sich nicht geirrt, als sie angenommen hatte, das Licht tastender Scheinwerfer zu erkennen, von einem Wagen, der sich von der anderen Seite her der Kurve näherte.
Er war wesentlich langsamer als der Wagen Susans.
Jetzt kam der andere Wagen näher, und sein Fahrer sah, was passiert war.
Susan hörte durch das Prasseln des Regens ein Knacken und Knistern und dachte sofort:
Irgendwo tief im Innern des Blechhaufens brennt etwas! Das kann der Regen offenbar nicht löschen. Jeden Augenblick geht hier alles in Flammen auf. Wenn ich nicht sofort aussteige, verbrenne ich bei lebendigem Leib.
Aber die Tür war dermaßen verbeult, dass sie sich nicht mehr öffnen ließ.
Obwohl, die Scheibe war geplatzt.
Susan griff nach den Scherbenresten und versuchte, sie zu beseitigen, bevor sie sich bemühen konnte, hier hinaus zu klettern. Die Scherben hätten sie regelrecht aufgeschlitzt.
Aber das erwies sich als schwieriger als gedacht, denn sie hatte kaum Bewegungsfreiheit.
„Moment, ich helfe Ihnen!“
Eine weibliche Stimme. Dem Klang nach zu urteilen eine ältere Dame. Die Fahrerin des anderen Wagens?
Susan wusste in diesem Augenblick, dass sie diese Frau mit umgebracht hätte, wäre sie nicht so vehement auf die Bremse gestiegen. Das hatte zwar zu diesem Unfall geführt, aber immerhin waren sie beide jetzt noch am Leben.
Leben? Wollte sie das überhaupt noch?
Die Erinnerung an Mark Felding mit der anderen im Bett… Sie hatte tatsächlich geglaubt, Mark sei die Liebe ihres Lebens. Und er hatte sie nur belogen und betrogen. Nein, nicht allein die Schmäh, ihn mit einer anderen erwischt zu haben, erfüllte sie mit Wut und Trauer, sondern sie war vor allem auch wütend auf sich selbst, dass sie ganz einfach sämtliche Vorzeichen ignoriert hatte.
Es war ja nicht so, dass niemand sie vor ihm gewarnt hätte. Er hatte einen üblen Ruf besessen als Schürzenjäger, noch bevor sie sich überhaupt auf ihn eingelassen hatte. Aber sie hatte sich doch tatsächlich eingebildet, er habe sich in Liebe zu ihr geändert.
Welch ein Trugschluss!
Die ältere Damer erreichte die Fahrerseite des verunglückten Wagens und zupfte die Scherben aus dem Rahmen. Dann griff sie beherzt zu, um Susan aus dem Innern zu befreien.
Sie hatte nicht genügend Kraft. Susan musste mithelfen, und dabei wurde das Knistern und Knacken der Karosserie immer stärker.
Jetzt hörte es auch die ältere Frau.
„Um Gottes Willen, wir müssen uns beeilen!“, rief sie erschrocken. „Sonst explodiert Ihr Auto.“
„Dann bringen Sie sich doch in Sicherheit!“, riet Susan ihr keuchend.
Nein, das Weiterleben erschien ihr jetzt wirklich nicht mehr erstrebenswert.
„Nein, nein, so war das nicht gemeint. Ich gehe nicht ohne Sie!“
Susan sah zu ihr auf, aber es war nicht hell genug, um im Gesicht der Fremden Einzelheiten erkennen zu können. Sie schien einen ulkigen, altmodischen Hut anzuhaben. Womöglich mit einer dicken Nadel versehen? Wer trug denn so etwas noch in dieser Zeit?
Das wenige Licht stammte von dem Wagen der Fremden, der am Straßenrand ordnungsgemäß abgestellt stand. Ganz in der Nähe.
Die ältere Dame zog und zerrte, und Susan versuchte jetzt selber, irgendwie doch noch frei zu kommen.
Zunächst vergeblich. Aber dann war es, als hätte sie endlich den richtigen Dreh herausgefunden, sich hinaus zu schlängeln. Ohne die fremde Dame allerdings wäre ihr das gar nicht möglich gewesen.
Schließlich kam Susan mit einem letzten Ruck frei.
Die ältere Dame fiel rückwärts um, als so plötzlich der Widerstand weg war, und Susan purzelte über sie hinweg.
Für Sekundenbruchteile lagen beide schweratmend am Boden, bis sich die ältere Dame an das Knistern und Knacken erinnerte und panikerfüllt wieder auf die Beine sprang.
„Bloß weg von hier!“
Ein vernünftiger Vorschlag, aber Susan dachte jetzt endlich an diesen Hund, den ihr Wagen erfasst hatte. War es nicht so erschienen, als sei der Hund schwer verletzt gewesen? Er hatte sich regelrecht mit letzter Kraft auf die Straße geschleppt. Vielleicht, um dort Hilfe zu erflehen? Und dann hatte ausgerechnet ihr Wagen ihn erfasst.
Ihr Blick ging suchend umher. In dem dürftigen Licht konnte sie ihn nirgendwo entdecken.
Da hörte sie das Wehklagen, das ausgerechnet unter dem Wrack ihres Wagens her kam, der wirklich jeden Augenblick in die Luft gehen konnte.
Offensichtlich war der schwerverletzte Hund dort eingeklemmt und kam ohne fremde Hilfe nicht mehr frei.
„Was tun sie denn da?“, hörte sie die ältere Dame rufen, die sich hinter die Bäume duckte und verstohlen dahinter hervorspähte.
Susan gab keine Antwort. Sie ging auf alle Viere und suchte nach dem eingeklemmten Hund.
Da war er.
Eigentlich waren nur noch seine Hinterbeine sichtbar, die unter dem Schrotthaufen hervorragten.
Berherzt packte sie zu und zog daran. Nicht zu fest, um die Verletzungen des armen Tieres nicht noch zu vergrößern.
Es nutzte nichts.
Sie zog und zerrte daher erst an dem Blech.
Es gab tatsächlich ein wenig nach. Reichte es, um den Hund frei zu bekommen, der darunter eingeklemmt war?
Ja, es genügte bereits. Sie schaffte es anschließend tatsächlich, den Hund ins Freie zu ziehen.
Trotz des dürftigen Lichtes konnte sie erkennen, dass es sich um eine Art Wolfshund handelte. Sie kannte sich mit Hunderassen nicht besonders aus, aber im Fernsehen hatte sie einmal einen Bericht über Wölfe gesehen. Ja, die hatten irgendwie so ähnlich ausgesehen?
Aber Wölfe hier im Wald?
Also ein Wolfshund!, konstatierte sie bei sich.
Das Tier winselte leise. Es war offensichtlich ohne Bewusstsein.
Aber dann erwachte es und fuhr herum. Es riss das Maul auf und drohte, Susan zu beißen, die sich doch nur aus Barmherzigkeit um das Tier kümmern wollte.
Susan schreckte unwillkürlich zurück, geriet dabei jedoch in Konflikt mit den spitzen Zähnen des Hundes und ritzte sich den Handrücken auf.
Es war keine große Verletzung, und der Hund wollte Susan auch nicht wirklich beißen. Es war lediglich eine unbewusste Abwehrreaktion gewesen. Er hatte nicht sofort erkannt, dass Susan nur helfen wollte.
Susan zog sich trotzdem zurück von dem Tier. Hatte sie nicht irgendwo gehört, dass verletzte Hunde gefährlich werden konnten? Zumal für jemanden wie sie, der im Umgang mit Hunden nicht geübt war.
„Wo bleiben Sie denn?“, drängte die ältere Dame hinter ihr besorgt.
Da rappelte sich der Hund auf, trotz seiner Verletzungen, und torkelte zum Waldrand. Er verschwand dort, und es war nicht einmal mehr etwas von ihm zu hören.
Endlich folgte Susan dem Rat der älteren Dame und suchte neben dieser Deckung.
Keine Sekunde zu früh: Plötzlich verwandelte sich ihr Autowrack in eine feurige Lohe. Kleinere Teile flogen wie Geschosse durch die Luft, und eine Druckwelle schüttelte die Bäume, hinter die sich Susan und die ältere Frau duckten.
*
Nach wie vor prasselte der Regen nieder, als wollte er die nächste Sintflut erzeugen. Dabei hatte das hochlodernde Feuer keine Chance, sich lange zu halten.
Susan und ihre unbekannte Lebensretterin konnten endlich die Deckung verlassen.
Natürlich galt die nächste Sorge der älteren Dame zunächst ihrem eigenen Wagen.
Dieser stand immer noch mit eingeschaltetem Abblendlicht am Straßenrand. Ein weiterer Wagen hatte sich bis jetzt nicht genähert.
Susan folgte unwillkürlich der älteren Dame, die um ihren Wagen herumlief und ihn voll böser Erwartungen inspizierte.
Tatsächlich hatte er einiges abbekommen durch die nahe Explosion, aber nicht so viel, dass er nicht mehr fahrtüchtig gewesen wäre.
„Das tut mir ehrlich leid!“, bekannte Susan kleinlaut.
Hatte sie vor dem Unfall noch angenommen, alles Leid der Welt würde sich auf ihr vereinen, musste sie jetzt einsehen, dass sie andere da mit hineingezogen hatte, die wirklich nicht das Geringste damit zu tun hatten. Der Dank dafür, dass die ältere Dame ihr das Leben gerettet hatte, bestand jetzt quasi darin, dass ihr eigener Wagen beschädigt war.
Ein Oldtimer, wie Susan feststellte.
Genauso wie seine Besitzerin!, dachte sie respektlos und biss sich sogleich auf die Zunge, damit es nicht laut wurde.
Immerhin, das Fahrzeug hatte sicherlich einen nicht unbeträchtlichen Wert.
Die ältere Dame schien überhaupt zu lieben, nicht nur ein altes Auto zu fahren, sondern sich auch komplett altmodisch zu kleiden.
„Machen Sie sich keinen Kopf!“, sagte sie zu Susan. „Es ist nichts passiert, was man nicht reparieren könnte.“ Sie hielt einen Augenblick lang inne. „Äh, das heißt, Ihren eigenen Wagen müssen Sie wohl komplett ersetzen, nicht wahr?“
Susan schaute in die Richtung, in der dieser Hund verschwunden war. Sie widerstand dem Reflex, hinterher zu eilen, um dem Hund vielleicht doch noch helfen zu können. Nein, das würde nichts bringen. Nicht nur, weil sie Angst hatte, doch noch gebissen zu werden, sondern weil die Bäume viel zu dicht standen. In diesem Unterholz zumal würde es unmöglich sein, überhaupt auch nur Spuren, geschweige denn den Hund noch finden zu können. Ja, bei Tageslicht vielleicht…
„Geht es Ihnen denn gut?“, erkundigte sich jetzt die ältere Dame besorgt. „Soll ich Sie in ein Krankenhaus bringen?“
„Nein, nein, nicht nötig!“, winkte Susan ab. Doch Schwindel packten sie unerwartet und schickten sie beinahe zu Boden.
„Hoppla!“ Die ältere Dame eilte ihr sofort zu Hilfe. „Also doch Krankenhaus!“
„Nein, nein“, versuchte Susan, sie abzuwehren. „Ich bin unverletzt, glauben Sie mir doch. Es ist nur der Schock oder so.“
„Eben drum: Grund genug für eine ärztliche Untersuchung!“
„Aber das Autowrack und der Schaden an Ihrem eigenen Auto…“
„Kommen Sie, setzen Sie sich in meinen Wagen. Ich habe ein Telefon und rufe die Polizei. Der schildere ich, was passiert ist und dass wir nicht auf einen Krankenwagen warten können. Es ist besser, wenn ich Sie sofort ins nächstgelegene Hospital bringe. Ich bin zwar keine Ärztin, aber Sie sehen nun wirklich nicht danach aus, als würde es Ihnen gut gehen.“
Da erinnerte sich Susan wieder an den Kratzer auf dem Handrücken. Sie hielt die Hand ins Licht.
Tatsächlich. Es blutete. Mehr noch: Die Wunde schien sich entzündet zu haben.
Schickte sie nicht Wellen von Übelkeit durch ihren Körper?
Dann rührten die plötzlichen Schwindel etwa daher?
Abermals hatte Susan Mühe, sich auf den Beinen zu halten.
Die ältere Dame hatte die Wunde entdeckt und zeigte sich erschrocken.
„Um Gottes Willen, noch ein Grund, nicht länger zu zögern! Wie ist das denn passiert? Beim Unfall oder als ich Sie aus dem Wagen gezogen habe?“
„Nein“, widersprach Susan schwach. „Der Hund. Ich habe mich an seinen Zähnen verletzt. Es war, als wollte er mich beißen, aber das hat er dann doch nicht getan.“
„Sind Sie sicher?“
„Ja, bin ich. Es war meine eigene Schuld, dass ich mir diesen Kratzer zugezogen habe. Aber es ist wirklich nur ein Kratzer.“
„Sieht aber danach aus, als hätte es eine Entzündung gegeben. Und irgendwie nimmt es von Ihrem ganzen Körper Besitz. Kind, vielleicht geht es bereits um Leben und Tod?“
Susan fand das total übertrieben, aber sie wehrte sich jetzt nicht mehr, als die ältere Dame sie auf den Beifahrersitz bugsierte.
Erst als die Verletzte festgeschnallt war, schlug die Dame den Wagenschlag zu und umrundete das Fahrzeug. Noch unterwegs zog sie ihr Telefon und wählte bereits, während sie sich hinter das Lenkrad klemmte.
Wieso wusste sie die Nummer der Polizei auswendig? Es wunderte Susan doch sehr.
Bis sie Zeugin des Dialoges wurde, während der Wagen bereits los fuhr in Richtung nächstgelegenes Hospital.
Anscheinend war ihr Sohn ein guter Freund eines der Polizisten, denn sie verlangte speziell nach diesem.
Mehr als den Namen Peter Soprano bekam Susan allerdings nicht mehr mit, denn eine gnädige Bewusstlosigkeit löschte ihre Gedanken aus und ließ sie sanft durch unbekannte Räume davon schweben auf der Suche nach Licht.
Alles war still und ruhig, um nicht zu sagen friedlich. Kein Zorn, keine Trauer, keine Schmerzen. Alles war gut.
Aus der Ruhe wurde allerdings irgendwann leise Verzweiflung, weil sie einfach keinen Ausgang fand. Und statt des ersehnten Lichtes tauchte plötzlich eine rote Gestalt vor ihr auf.
Ein Mann, der aus sich heraus rot glühte?
Jetzt ließ er sich auf alle Viere nieder und wurde zu einem… Hund?
Dieser riss fürchterlich sein Maul auf und schnappte nach Susan, um sie mit Haut und Haaren zu verschlingen.
Sie erwachte mit einem leisen Schrei auf den Lippen.
„Oh, hatten Sie etwa das Bewusstsein verloren?“, hörte sie die besorgte Stimme neben sich.
„Ja“, gab Susan zu, „aber anscheinend nicht für lange, denn wir sind noch nicht im Krankenhaus, nicht wahr?“
„Nein, aber bald!“, versprach die ältere Dame. „Übrigens, mein Name ist Bella Lugosi!“
Bella Lugosi? Susan war sicher, einen so seltsamen Namen noch nie zuvor gehört zu haben.
„Susan Vortex!“, stellte sie sich selber vor.
„Aha? Es ist schon komisch, wie das Schicksal manchmal spielt. Ich war eigentlich auf dem Weg nach Hause. Ach ja, die Polizei: Peter Soprano ist ein Freund meines Sohnes Chris. Er will später noch nachkommen ins Krankenhaus, um den Unfall aufzunehmen. Erst noch wird er wohl zur Unfallstelle selber fahren.“ Sie lachte leise. „Kunststück, liegt ja sowieso auf dem Weg. Wissen Sie eigentlich, Susan Vortex, wie viele Menschen an dieser gefährlichen Kurve bereits ihr Leben gelassen haben? Ich frage mich jedes Mal, wenn ich sie passiere, warum die Verkehrsplaner so etwas überhaupt zulassen. Der Wald ist groß und so ziemlich bretteben. Hätte man die Straße denn nicht anders führen können? Um den Wald herum beispielsweise wäre der Weg zwar weiter, aber viele Menschen würden noch leben. Finden Sie nicht auch, Susan Vortex?“
Susan fühlte sich momentan nicht in der Lage, die Frage zu beantworten. Sie blieb deshalb stumm. Überhaupt ging es ihr zunehmend schlechter. Nur die Nachwirkungen des Unfallschockes?
Ihre Hand pochte, als würde sich darin ein kleiner Hammer befinden. Das erinnerte sie daran, dass es möglicherweise eine ganz andere Ursache gab.
„Der Hund!“, ächzte sie.
„Ja, ich habe ihn gesehen. Das arme Tier. Ihr Wagen hat ihn erfasst, nicht wahr? Sie haben ihn zwar unter Einsatz Ihres Lebens gerettet, aber das wird ihm wenig genutzt haben. Er erschien mir doch sehr mitgenommen.“
„Er – er war schon vorher verletzt gewesen. Ich – ich habe es gesehen, bevor er von meinem Wagen erfasst wurde.“
„Ach ja? Diese verflixten Jäger! Die jagen offenbar bei Wind und Wetter. Andererseits, es hat ja vorher gar nicht geregnet. Jetzt haben sie in ihrer blindwütigen Vorgehensweise sogar noch einen streunenden Hund angeschossen.“
„Aber die jagen doch nicht so nah der Straße!“, warf Susan schwach ein.
„Nein, das zwar nicht, aber der Wald ist groß. Sie schießen weit genug von der Straße entfernt. Ich weiß zwar nicht, ob es gerade irgendeine Jagdsaison gibt, aber es ist allzu offensichtlich, finden Sie nicht auch, Kindchen?“
Susan hob die Hand, die sich so anfühlte, als wäre sie inzwischen mindestens doppelt so groß angeschwollen.
Ja, sie war geschwollen, allerdings nicht gerade um das Doppelte.
„Kindchen, das sieht aber richtig übel aus!“, entfuhr es der älteren Dame, die sich als Bella Lugosi vorgestellt hatte.
Da fiel Susan etwas ein:
Erinnert dieser Name nicht irgendwie an einen alten Horrorfilm?, überlegte sie unwillkürlich. Nein, nicht an eine der Filmfiguren, sondern vielleicht einen der Schauspieler?
Sie kannte sich in dem Genre einfach zu wenig aus, um sich sicher sein zu können.
Bella Lugosi - immerhin!
Die ältere Dame gab tatsächlich Gas.
„Nicht mehr weit!“, versprach sie, und ihre Sorgen erschienen echt.
*
Susan wurde eingehend untersucht, aber sie war praktisch unverletzt geblieben, bis auf den extrem entzündeten Kratzer am Handrücken.
Dieser allerdings bereitete nicht nur den Ärzten Sorgen. Susan fühlte sich mehr tot als lebendig, und sie war außerstande, auch nur ein klares Wort mehr über die Lippen zu bringen.
Die Ärzte verabreichten ihr mehrere Spritzen, nicht nur gegen Wundstarrkrampf, sondern auch gegen Tollwut. Aber auch ein starkes Antiseptikum.
Es nutzte nichts. Die Wunde musste sogar offen bleiben, weil die Schwellung noch schlimmer zu werden drohte.
„Dabei ist sie nur oberflächlich!“, wunderte sich der behandelnde Arzt. „Gewissermaßen wirklich nur ein Kratzer, der nicht einmal genäht werden muss. Sie müssen hier bleiben, auf jeden Fall. Zumindest über Nacht. Wir müssen das im Auge behalten.“
Susan hätte sich zwar gern dagegen gewehrt, doch es ging ihr so schlecht, dass sie eben dazu nicht mehr in der Lage war.
Kaum hatten sie ein sauberes Bett für sie bereit gestellt und sie hineingelegt, als sie eine tiefe Ohnmacht heimsuchte.
Ja, es war eher eine Ohnmacht als Schlaf, denn es gab keine Träume. Zumindest konnte sich Susan an keine erinnern, als sie irgendwann die Augen wieder aufschlug.
Das erste, was ihr auffiel, war, dass es inzwischen schon Tag war.
Sie sah außerdem, dass sie an einem Tropf hing, und erinnerte sich an das Krankenhaus. Aber auch der Unfall kam ihr in den Sinn und vor allem das, was dem voraus gegangen war.
„Elender Schuft!“, murmelte sie vor sich hin und meinte damit natürlich ihren Exfreund Mark Felding.
Da öffnete sich die Tür. Eine Krankenschwester trat ein. Sie lächelte freundlich.
„Ah, wie ich sehe, sind Sie wieder wach. Wie fühlen Sie sich denn heute Morgen?“
„Wie viel Uhr haben wir inzwischen?“, stellte Susan eine Gegenfrage.
„Sie haben die erste Visite verschlafen. Macht aber nichts. Schauen Sie doch mal auf Ihre verletzte Hand!“
Susan zog ihre hübsche Stirn kraus und tat wie ihr empfohlen.
Da war nur noch ein roter Strich auf dem Handrücken. Mehr nicht. Ein Kratzer, der bereits am Heilen war. Die Schwellung war vollständig zurückgegangen. Und überhaupt, sie fühlte sich eigentlich großartig. Als hätte sie die Gelegenheit endlich genutzt, um sich einmal gründlich auszuschlafen.
Und was sollte dann noch der Tropf?
Sie fragte es direkt.
Die Krankenschwester lachte.
„Sehen Sie es als Vorsichtsmaßnahme, und wer weiß, vielleicht haben Sie es ja gerade dem Tropf zu verdanken, dass Sie sich wieder gut fühlen?“
Das war in der Tat nicht ganz auszuschließen.
Susan schaute zu, wie der Tropf entfernt wurde. Dann machte sie Anstalten, das Bett zu verlassen.
Die Krankenschwester drückte sie sanft zurück.
„Nur mit der Ruhe, Miss Vortex. Erst einmal sollte mal wieder ein Arzt nach Ihnen sehen, nicht wahr? Was glauben Sie, wie oft ich das schon erlebt habe? Im Bett fühlen sich die Patienten bärenstark, und dann landen sie vor dem Bett am Boden und haben sich bei Hinstürzen sonst was gebrochen. Wollen wir das tatsächlich riskieren?“
Susan fand das zwar arg übertrieben, doch sie gehorchte.
Als die Krankenschwester den Raum verlassen hatte, schaute sie grübelnd zur Decke.
Was war inzwischen passiert? Bestimmt hatte die Polizei den Unfallort längst gesichert und ihr Autowrack entfernt. Womit musste sie noch rechnen?
Nun, zumindest würde sie ja wohl den Unfallhergang schildern müssen.
Seltsam, die Krankenschwester hatte nicht die Polizei erwähnt.
Da öffnete sich die Tür wieder. Ein noch relativ jung wirkender Mann im Arztkittel trat in Begleitung der bereits bekannten Krankenschwester ein. Er lächelte freundlich, wie es hier anscheinend üblich war.
„Ich fühle mich gut!“, sagte Susan anstelle einer Begrüßung. „Wann kann ich wieder gehen?“
„Ich bin Dr. Anton Howard, Ihr behandelnder Arzt.“ Er lachte leise. „Ehrlich, ich freue mich, wenn meine Patienten so zuversichtlich sind, und in der Tat scheinen Sie sich von alledem erstaunlich gut erholt zu haben. Heute Nacht, als Sie eingeliefert wurden, sah das noch völlig anders aus, glauben Sie mir.“
„Ich weiß, denn ich war mit dabei!“, versuchte sie einen Scherz.
Der Arzt lachte nicht darüber. Sie auch nicht.
Er schüttelte den Kopf.
„Mein Vorschlag, Miss Vortex: Sie bleiben hier liegen, bis die Polizei den Unfallhergang aufgenommen hat. Wenn Sie das alles gut hinter sich bringen, sehe ich keinen Grund mehr, Sie hier zu behalten. Können wir unterdessen noch jemanden benachrichtigen? Verwandte, Freunde?“
Susan musste nicht überlegen.
„Nein! Ich bin vor zwei Jahren erst hergezogen. Allein. Und ich lebe immer noch allein. Höchstens meine Firma, aber das hat Zeit, weil das Wochenende ja erst begonnen hat. Wissen Sie, ich bin extra wegen diesem Job hierher gezogen und möchte natürlich meinen Chef nicht unnötig beunruhigen. Also werde ich am Montag ganz normal wieder zur Arbeit gehen.“
Der Arzt schürzte zwar skeptisch die Lippen, zuckte dann aber die Achseln und meinte:
„Gut, wir werden sehen. Wenn alles so bleibt, wie es jetzt aussieht, steht dem natürlich nichts im Wege.“
Details
- Seiten
- Erscheinungsjahr
- 2021
- ISBN (ePUB)
- 9783738955224
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2021 (August)
- Schlagworte
- geheimnisse nacht mitternachtsthriller