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Das Imperium der Dunkelheit 3

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2021 140 Seiten

Zusammenfassung

Das Imperium der Dunkelheit 3

Blood Empire - Magierblut

von Alfred Bekker



Erst vor ein paar Wochen hatte Chase dem Stadthalter des Imperiums in East Harlem dabei geholfen, ein paar Vampir-Eindringlinge zu vernichten, die sich illegal im Big Apple aufhielten. Vermutlich Abgesandte des Vampir-Chefs von Philadelphia. Magnus von Björndal, so sein klangvoller Name, verfügte in seinem Bereich über eine ähnliche Machtfülle wie der Fürst von Radvanyi. Natürlich konnte er es nicht lassen, immer wieder seine Fühler auf benachbarte Gebiete auszustrecken. Der Fürst stand ihm umgekehrt darin in nichts nach.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Das Imperium der Dunkelheit 3

Blood Empire - Magierblut 

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von Alfred Bekker

Erst vor ein paar Wochen hatte Chase dem Stadthalter des Imperiums in East Harlem dabei geholfen, ein paar Vampir-Eindringlinge zu vernichten, die sich illegal im Big Apple aufhielten. Vermutlich Abgesandte des Vampir-Chefs von Philadelphia. Magnus von Björndal, so sein klangvoller Name, verfügte in seinem Bereich über eine ähnliche Machtfülle wie der Fürst von Radvanyi. Natürlich konnte er es nicht lassen, immer wieder seine Fühler auf benachbarte Gebiete auszustrecken. Der Fürst stand ihm umgekehrt darin in nichts nach.

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author /COVER WERNER ÖCKL

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Prolog

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Von den Piers wehte ein kühler Hauch. Big Tom Ybanez, ein fast zweihundert Kilo schwerer Vampir, schwebte vom Dach des nur wenige Meter vom Ufer des East Rivers gelegenen Lagerhauses. "Du hast mich lange warten lassen, Chase!", rief er. Chase Blood starrte zu dem Koloss hinauf, bemerkte die Armbrust in den Händen seines Gegenübers, deren Metallteile im fahlen Mondlicht aufblitzten. Es machte 'klack'. Der Holzpflock, der in die Waffe eingelegt worden war, schoss durch die Luft. Chase Blood wich zur Seite. Das Pflockgeschoss verfehlte ihn nur um Zentimeter. "Hey, was soll das!", rief Chase. "Ich dachte, wir stehen auf einer Seite!"

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Big Tom Ybanez war eine Art Stadthalter des New Yorker VampirImperiums. Im Auftrag und mit dem Segen des Fürsten von Radvanyi, der Nummer Eins dieser Organisation, kontrollierte der gewichtige Ybanez die bedeutendsten Gangs von East Harlem, dem Latino-Viertel des Big Apple. Ybanez hatte um eine Unterredung mit jemandem aus der Führungsebene des Imperiums der Finsternis gebeten, das die Menschen aus dem Hintergrund heraus beherrschte. Angeblich gab es Probleme, die ein geheimes Treffen rechtfertigten.

Der Fürst hatte Chase Blood, seinen Stellvertreter, zum Treffpunkt beordert, um die Angelegenheit zu regeln. Ärger in East Harlem konnte der Fürst im Moment nicht gebrauchen.

Ybanez trug eine eng anliegende Ledermontur. Sein Schädel war bis auf eine kleine Stelle am Hinterkopf kahl geschoren, wo eine zu einem dünnen Zopf geflochtene Strähne hervor wuchs. Ein dunkler Schnauzbart zeichnete die einzige markante Linie in seinem aufgeschwemmten, von einem vielfachen Doppelkinn gekennzeichneten Gesicht.

Hinter seinem breiten Gürtel steckten noch einige weitere Pflockgeschosse, dazu ein Arsenal diverser Hieb-und Stichwaffen. An einem Lederband hing ihm eine Uzi-MPi um die Schultern. Alles in allem wirkte Big Tom wie ein aus der Form gegangener Dschinn, behängt mit einem teilweise bizarren Waffenarsenal.

In aller Seelenruhe legte Ybanez einen weiteren Pflock in die Armbrust ein. Er war ziemlich sorgfältig dabei.

"Hey, Mann, spinnst du?", rief Chase.

Er hatte es noch immer nicht richtig fassen können. Ein Vampir und Mitglied seiner Organisation begegnete ihm mit einer Waffe, die bei den verhassten und immer wieder auftretenden menschlichen Vamir-Jägern üblich war. Was war nur in ihn gefahren? Hatte er den Verstand verloren und war zu einem der zahlreichen vampirischen Feinden des Fürsten übergelaufen?

"Hey, wenn das ein Scherz sein soll, dann ist es kein guter!", rief Chase. Er zog das Gurka-Hiebmesser aus dem Rückenfutteral. Es war die einzige Waffe, die er im Moment bei sich trug. Schließlich hatte er erwartet, sich mit einem Verbündeten zu treffen. Mit einem Untergebenen, wenn man es genau betrachtete, denn Chase' Rang in der Organisation war ja unzweifelhaft höher.

Ein weiteres Pflockgeschoss zischte durch die Luft. Chase warf sich zur Seite. Der Pflock knallte gegen die Wand des Lagerhauses. Es war verdammt knapp gewesen. Chase fluchte innerlich. Zu dumm, dass er keine Distanzwaffe bei sich hatte!

Ybanez schwebte auf den am Boden liegenden Chase zu. Anstatt einen weiteren Pflock in seine Armbrust einzulegen, griff der Koloss zu seiner Uzi. Er hielt die Waffe in Chase Richtung. Die Armbrust hielt er mit der anderen Hand. Seine Augen leuchteten eigenartig. Sie wurden vollkommen weiß. Der Mund war weit aufgerissen. Die Vampirzähne waren im Mondlicht erkennbar. Ybanez stieß ein fast tierisches Knurren aus und feuerte die Uzi ab, während er im Sinkflug über Chase hinwegschwebte. Chase drehte sich zur Seite. Aber er war nicht schnell genug, um dem Kugelhagel zu entgehen.

Mindestens fünf Projektile fuhren durch das Leder seiner dunklen Jacke hindurch, fetzten in seinen linken Arm, Schulter und Oberkörper hinein. Es tat höllisch weh.

Chase unterdrückte einen Schrei.

Ybanez war wieder bis in Höhe des Dachs emporgeschwebt. Er legte einen weiteren Pflock ein.

Chase versuchte sich aufzurappeln. Die zahlreichen Treffer schmerzten und schwächten ihn. Und genau das war auch die Absicht von Ybanz gewesen. Chase stand einen Augenblick später wieder auf den Beinen. Er musste die Zähne aufeinander beißen. Eine Nebentür führte in das Lagerhaus hinein. Chase setzte zu einem Sturmlauf an, rannte. Genau in dem Moment, als der Pflock in seine Richtung schoss, prallte sein Körper mit ungeheurer Wucht gegen die Tür. Sie brach aus den Angeln. Chase taumelte ins Innere des Lagerhauses. Nahezu stockfinster war es hier. Der Pflock ging irgendwo ins Leere.

Chase blickte sich um. Das wenige Licht, das das Innere der Lagerhalle erhellte, kam durch eine Reihe von ziemlich hoch gelegenen Fenstern. Große Container warfen Schatten. Chase verschanzte sich hinter dem ersten von ihnen, presste sich mit dem Rücken gegen das kalte Metall und wartete einige Augenblicke ab. Er konzentrierte sich darauf, die Schusswunden wieder zu schließen.

Ybanez wollte ihn töten. Welcher Grund auch immer hinter dieser Absicht stehen mochte, an seiner Entschlossenheit hatte der 200-KiloVampir nicht den Hauch eines Zweifels gelassen. Aber hier, im Inneren des Lagerhauses würde es schwieriger für ihn sein, Chase aufzuspüren.

Seine Flugfähigkeit konnte Ybanez hier nur begrenzt zu seinem Vorteil einsetzen.

Chase packte das Hiebmesser mit beiden Händen.

Wenn ich dich erwische, du fetter Sack!, ging es ihm grimmig durch den Kopf.

Chase brauchte nicht lange auf das Auftauchen des Koloss zu warten. Der Dicke schwebte durch die Nebentür herein. Die Öffnung war schmal. Sie war nur als Zugang für das Personal gedacht. Ybanez musste mit der Schulter zuerst hindurchschweben und selbst jetzt wurde es knapp. In der Linken hielt er die Uzi, in der Rechten die mit einem neuen Holzpflock geladene Armbrust.

Chase presste sich mit dem Rücken gegen das Blech eines Containers, verharrte lautlos. Er befand sich in einer Schattenzone. Sein Gegner konnte ihn eigentlich nicht sehen.

Was hat der Kerl nur auf einmal gegen mich?, ging es ihm verständnislos durch den Kopf. Erst vor ein paar Wochen hatte Chase dem Stadthalter des Imperiums in East Harlem dabei geholfen, ein paar Vampir-Eindringlinge zu vernichten, die sich illegal im Big Apple aufhielten. Vermutlich Abgesandte des Vampir-Chefs von Philadelphia. Magnus von Björndal, so sein klangvoller Name, verfügte in seinem Bereich über eine ähnliche Machtfülle wie der Fürst von Radvanyi. Natürlich konnte er es nicht lassen, immer wieder seine Fühler auf benachbarte Gebiete auszustrecken. Der Fürst stand ihm umgekehrt darin in nichts nach. Irgend etwas muss mit Ybanez seitdem geschehen sein!, durchzuckte es Chase.

Hatte der Fettkloß am Ende gar Ambitionen entwickelt?

Aber er hatte nichts davon, wenn er Chase ausschaltete. Das brachte ihn keinen Rang höher in der Organisation.

Es sei denn, er hat sich einer groß angelegten Rebellion gegen den Fürst angeschlossen und erhofft sich, nach dem Umsturz für seine Taten belohnt zu werden!, kam es Chase in den Sinn.

Aber diese Möglichkeit erschien Chase extrem unwahrscheinlich zu sein.

Erstens gab es unter den Vampiren New Yorks niemanden, der dem Fürst das Wasser reichen und es wagen konnte, den Kampf mit ihm aufzunehmen. Zweitens hatte es in letzter Zeit nicht die geringsten Anzeichen dafür gegeben, dass es innerhalb des New Yorker Imperiums irgendwelche Bestrebungen in diese Richtung gab. Chase war eigentlich sicher, dass er davon erfahren hätte. Von dem flächendeckend ausgebauten Informanten-Netz des Fürsten ganz abgesehen, der sicherlich in jeder Hinsicht einer der bestinformierten Persönlichkeiten in New York City war. Ybanez schwebte über die Container hinweg, erreichte schließlich die andere Seite der Halle, wo sich das große Haupttor befand. Das spärliche Licht, das durch die hohen Fenster hereinfiel, beschien sein Gesicht. Suchend ließ er den Blick schweifen. Seine Nasenflügel bebten. Erneut setzte er zu einem Rundflug durch die Halle an. Chase war sich über die Taktik vollkommen im Klaren, die sein Gegner anwenden würde. Zunächst eine Garbe mit der Uzi, die ihn schwächen und zu Boden werfen würde. Dann der Schuss mit der Armbrust, der Chase' vampirischer Existenz ein Ende setzen und ihn zu einem Haufen grauen Staubes verwandeln würde. Chase überlegte einen Augenblick lang, ob er sein Hiebmesser als Wurfgegenstand verwenden sollte, sobald der Koloss nahe genug an ihn herankam.

Aber er verwarf den Gedanken wieder.

Ein besonders geschickter Werfer war er nämlich nicht. Und außerdem hatte er dann nur einen einzigen Versuch, der selbst dann, wenn er traf, kaum zur Kampfunfähigkeit des Dicken führte.

Im Tiefflug schwebte der Koloss über die Container. Er hatte ein ziemlich hohes Tempo dabei drauf. Nur Zentimeter waren seine schlaff herunterhängenden Füße dabei von der Oberseite der Container entfernt. Soweit Chase wusste, hatte Ybanez seine Füße schon zu Lebzeiten nicht gerne benutzt.

Chase verharrte in seiner Deckung.

Der massige Körper von Ybanez verschwand hinter den Containern. Chase erwartete, ihn ein paar Augenblicke später erneut einem düsteren Schatten gleich daherschweben zu sehen wie ein Raubvogel auf Beutefang. Aber das war nicht der Fall.

Ybanez blieb eine Weile verschwunden. Die Minuten sammelten sich. Chase wurde ungeduldig. Eine Falle? Er konnte sich nicht vorstellen, dass sein Gegner schon aufgegeben hatte. Was auch immer Ybanez zu seiner Handlungsweise getrieben hatte, es musste ihm sehr wichtig sein. Ansonsten lohnte das Risiko nicht. Schließlich legte Ybanez sich nicht nur mit Chase an, sondern darüber hinaus mit der gesamten Führung des New Yorker Vampir-Imperiums.

Ein Schalter wurde umgelegt.

Das große Tor öffnete sich selbsttätig. Ein Transportband bewegte sich. Ein Alarmsignal schrillte.

Fast machte es den Eindruck, als experimentierte da jemand mit der elektrischen Anlage.

Dann endlich schien Ybanez den Schalter gefunden zu haben, der ihm weiter half.

Die Neon-Beleuchtung ging an. Flackernd begann eine Neonröhre nach der andere zu leuchten. Chase empfand die plötzliche Helligkeit als grell. Ein schallendes, höhnisches Gelächter erscholl.

Das war Ybanez.

Er setzte erneut zu einem seiner Flugmanöver an. Natürlich war es für ihn jetzt keine Schwierigkeit mehr, Chase zu finden. Er zog den Stecher seiner Uzi durch, ballerte in Chase' Richtung. Die Kugeln schlugen links und rechts ein, fetzten durch das Blech, aus dem die Container bestanden.

Chase duckte sich, versuchte dafür zu sorgen, dass er so wenig wie möglich von dem Bleihagel mitbekam. Ganz war das trotzdem nicht zu vermeiden. Ein Streifschuss rasierte ihm an der Schläfe längs, ein weiterer Treffer fuhr ihm in die Schulter. Chase schrie auf, fluchte lauthals. Das half ihm, den Schmerz zu verarbeiten.

Wut packte ihn. Namenlose Wut.

Im Sturzflug kam der fette Vampir auf ihn zu, schoss auf ihn und war schon einen Augenaufschlag später auf der anderen Seite der Halle. Unerreichbar für Chase.

Er hetzte durch die engen Gassen, die zwischen den Containern lagen. Ybanez näherte sich wieder. Chase wandte den Kopf, sah ihn aus den Augenwinkeln heraus. Ybanez feuerte. Chase schlug einen Haken, bog in eine Lücke zwischen zwei Containern ein. Wieder ging es eine schmale Gasse entlang. Es war wie in einem Labyrinth. Chase rannte so schnell er konnte, bog abermals in einen der engen Zwischenräume ein und lief dann auf eine Betonwand zu.

Das schallende Gelächter des schwebenden Vampirs Ybanez vermischte sich mit dem Schrillen des Alarmsignals. Ybanez hatte nicht mehr viel Zeit. Er musste die Sache jetzt abschließen, sonst tauchten die Cops auf. Zwar wäre es für Ybanez ein leichtes gewesen, auch mit einer ganzen Spezialeinheit im Alleingang fertig zu werden, aber es bedeutete in jedem Fall Komplikationen.

Der Fürst hatte die Mitglieder seiner Organisation stets zu größtmöglicher Diskretion verpflichtet.

Die Menschen waren am gefügigsten, wenn sie nicht einmal ahnten, wer sie aus dem Hintergrund heraus beherrschte.

Chase stolperte auf die Wand zu.

Scheiße, dachte er, das war der falsche Weg!

Das Triumphgeheul seines Verfolgers schrillte ihm in den Ohren. Er bekam eine volle MPi-Garbe in den Rücken, taumelte nach vorn, der Wand entgegen. Hart fiel er auf den Boden. Der Rücken schmerzte höllisch. Sein Körper fühlte sich an, als ob ihm jemand ein gutes Dutzend langer Nadeln von hinten zwischen die Rippen gestochen hätte. Jetzt nicht schlapp machen, es geht um dein Leben!, durchzuckte es Chase, auch wenn 'Leben' nicht der richtige Ausdruck war. Denn im eigentlichen Sinn 'lebte' er ja schon lange nicht mehr. Chase rollte sich seitwärts.

Eine weitere Garbe aus der Uzi prasselte genau dorthin, wo er einen Sekundenbruchteil zuvor noch gelegen hatte. Die Projektile sprengten kleine Löcher in den Betonboden. Manche blieben darin stecken, anderen wurden als höllische Querschläger weiter geschickt. Dann machte es 'klicklicklick'.

Das Magazin der Uzi war leer geschossen.

Ybanez stieß einen dumpfen Grunzlaut aus, ließ die Waffe fallen. Sie hing daraufhin an dem dünnen Lederband, an dem er sie um die Schulter hatte.

Chase rappelte sich auf.

Ybanez zielte mit der Pflock-Armbrust.

Sein Gesicht war zu einer angespannten Grimasse geworden. Die vollkommen weißen Augen schienen zu glühen. Das dumpfe Knurren, das er permanent hervorstieß, erinnerte nicht mehr an ein vernunftbegabtes Wesen, sondern an ein wildes Tier.

Ybanez ließ sich Zeit.

Er wollte diesmal sein Ziel auf keinen Fall verfehlen. Chase wich zurück, erreichte dann die Wand.

Ybanez schoss. Chase zuckte zur Seite. Der Pflock zischte an seinem Ohr vorbei, riss ihm ein Stück davon ab und prallte dann gegen die Steinwand. Das Blut floss in Strömen, obwohl diese Wunde nur halb so sehr schmerzte wie die Schusswunden auf dem Rücken. Aber Chase hatte jetzt ein paar Sekunden gewonnen.

Sein Gegner musste einen neuen Pflock einlegen, bevor er ihm wieder gefährlich werden konnte.

Chase' Blick fiel auf den Feuerlöscher, der vorschriftsmäßig an der Wand hing, daneben ein Schild mit Hinweisen zum Verhalten im Brandfall. Chase nahm kurz entschlossen das Hiebmesser zwischen die Zähne, um die Hände frei zu haben. Dann riss er den Feuerlöscher herunter, löste die Verplombung, aktivierte die Gaspatrone. Zwei Sekunden dauerte das. Auf jeden Fall war Chase schneller als Ybanez mit dem Einlegen eines neuen Pflocks.

Der fette Vampir spannte gerade die Armbrust, als ihn der Strahl des Feuerlöschers mitten im Gesicht erwischte.

Ybanez stieß einen gurgelnden Laut von sich. Für einen Augenblick war er verwirrt und blind. Er sank etwas tiefer, konnte für einen Moment offenbar seine Flughöhe nicht mehr richtig einschätzen. Er rieb sich die Augen.

Chase stürmte auf ihn zu, nahm das Gurka-Hiebmesser in die Rechte. Er sprang hoch, fasste mit der Linken nach Ybanez' Fuß, zog ihn ein Stück hinab und schlug mit dem Hiebmesser zu.

Bis zum Knochen drang die Klinge in Ybanez Oberschenkel. Der Koloss schwebte schreiend einige Meter empor.

Chase' Linke umklammerte noch immer das Fußgelenk. Wie ein Gewicht hing er am Fuß des ballonförmigen Vampirs und wurde mit ihm emporgehoben.

Chase hieb ein zweites Mal zu. Die Klinge durchtrennte mit unglaublicher Wucht den Knochen. Das Blut spritzte. Chase hielt Ybanez Bein in der Hand und stürzte damit aus einer Höhe von gut drei Metern in die Tiefe. Hart kam er auf einen der Container auf. Ein schepperndes Geräusch war zu hören, mischte sich mit dem schauerlichen Schrei, den Ybanez ausstieß.

Wahnsinnig vor Schmerz und Wut schnellte Ybanez in die Höhe. Er hatte keinerlei Kontrolle mehr über seinen Flug. Noch immer konnte er kaum etwas sehen.

Er prallte mit voller Wucht gegen die Decke der Lagerhalle. Sein Blut spritzte aus dem Stumpf durch die Halle.

Chase warf das Bein seines Gegners von sich, wischte das blutige Hiebmesser an der Jeans ab.

"Verdammte Sauerei!", murmelte er vor sich hin, während er sich aufrappelte und die Flugbahn seines Gegners verfolgte. Von diesem Schlag würde sich Ybanez so schnell nicht erholen... Er sank tiefer, immer noch wie ein Wahnsinniger schreiend. Schließlich ließ er sich auf einem der Container nieder. Der Schmerz war offenbar so heftig, dass er sich noch nicht einmal richtig darauf konzentrieren konnte, die Blutung zum Stillstand zu bringen. Jeder Vampir hätte für die Heilung einer derartigen Wunde erhebliche Willensanstrengungen hinter sich bringen müssen. Und man brauchte Zeit dazu.

Chase dachte nicht daran, so lange zu warten, bis Ybanez seine Uzi nachgeladen und einen neuen Pflock in seine Armbrust eingelegt hatte. Mit einem Satz sprang er auf den nächsten Container, dann auf den dritten. Auf diese Weise arbeitete er sich zu Ybanez vor, hatte ihn schließlich erreicht. Ybanez schleuderte ihm einen Wurfstern entgegen, den der fette Vampir am Gürtel trug. Aber sein Wurf war mehr oder minder ungezielt.

Chase stürzte auf ihn zu.

Ybanez schlug mit der Armbrust nach ihm.

Der Schlag ging ins Leere.

Ybanez ächzte.

Chase machte kurzen Prozess, ließ die Klinge des Hiebmessers niedersausen und Ybanez' Nacken durchtrennen. Das Geräusch knirschender, zerbrechender Knochen war zu vernehmen. Ein letzter gurgelnder Laut kam über Ybanez Lippen, bevor er zu grauem Staub zerfiel.

Chase hielt einen Moment inne.

Was hast du nur für einen Super-Job!, ging es ihm durch den Kopf. Jedenfalls keinen, bei dem dir so schnell langweilig werden könnte!

Die Polizeisirenen ließen ihn aus der Erstarrung erwachen. Die Cops mussten schon verdammt nahe sein. Nichts wie weg! dachte die Nummer zwei der New Yorker Vampire. Der Ärger, den Chase hinter sich hatte, reichte ihm fürs Erste vollkommen aus! Auf eine Rüge seines Chefs, weil er sich nicht an das Diskretionsgebot gehalten hatte, konnte er gut verzichten.

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In einem der oberen Stockwerke des Empire State Building residierte Franz, Fürst von Radvanyi, der Herr der New Yorker Vampir-Organisation. Im Vorzimmer des Fürsten begegnete Chase die elegante Petra Brunstein, die für den Fürst als Beraterin in diplomatischen Angelegenheiten fungierte. Im Gegensatz zu Chase war die attraktive Vampirin hoch gebildet und sehr kultiviert. Schon das dunkle Kleid von schlichter Eleganz machte das deutlich. Der Schmuck, den sie trug war dezent, aber effektvoll. Offenbar war ihre Unterredung mit dem Fürst gerade beendet. Mit einer Mischung aus spöttischer Herablassung und kaum verhohlenem Hass musterte sie Chase.

Die Nummer zwei der New Yorker Vampire sah nach dem Kampf mit Ybanez etwas ramponiert aus. Die Lederjacke war von den Projektileinschlägen zerfetzt. T-Shirt und Jeans waren mit Blut besudelt. Teils war es Chase' eigenes Blut, teils das seines geköpften Gegners. Petra starrte angewidert auf die Blutflecken.

"Hat er mal wieder bei der Mahlzeit gesabbert, unser Kleiner?" Chase verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln.

"War leider keine Zeit mehr, sich noch frisch zu machen!"

"Du weißt doch gar nicht, was das ist, Chase!"

"Wer weiß, vielleicht wärst du schon ein paar Ränge höher in der Organisation, wenn du dich nicht den halben Tag mit deinem Outfit beschäftigen würdest!", gab Chase zurück - wohl wissend, dass er sie damit bei ihrer empfindlichen Stelle traf.

Nur zu gern wäre sie nämlich an Chase Stelle die Nummer zwei in der Organisation gewesen.

Die Tatsache, dass jemand wie dieser unkultivierte Rüpel ihr quasi vorgesetzt war, konnte sie kaum ertragen.

Ihr hübsches, feingeschnittenes Gesicht lief dunkelrot an.

"Du hältst dich wohl für unglaublich witzig, was?"

"Ich sage einfach nur wie es ist!"

"Es ist mir wirklich ein Rätsel, was dich für deinen Job qualifiziert, Chase!"

Chase grinste breit und deutete auf die Blutflecken, mit denen seine Kleidung von oben bis unten besudelt war.

"Ich mache meinen Job - und zwar ziemlich gründlich!", lachte er. "Und ich habe dabei keine Angst, mich dreckig zu machen!" Sie ging davon, ohne Chase noch eines Blickes zu würdigen. Chase zuckte die Achseln.

Einen Augenblick später wurde er zum Fürst vorgelassen. Franz, Fürst von Radvanyi, war über dreihundert Jahre alt und für gewöhnlich in der Mode des 17.Jahrhunderts gekleidet. Er trug Kniebundhosen und einen dunkelroten Gehrock. Darunter ein weißes Rüschenhemd. Das gelockte Haar fiel ihm weit über die Schultern. Das Gesicht war weiß gepudert. Die Einrichtung seiner Büroräume bestand teilweise aus erlesenen Antiquitäten, die einen eigenartigen Kontrast zu dem hypermodernen Computerequipment bildeten, dass für den Herrn der New Yorker Vampire eine Art Verbindung zur Welt darstellte. Ihn selbst kannte so gut wie niemand. Er beherrschte sein Imperium aus dem Hintergrund heraus und trat dabei selbst überhaupt nicht in Erscheinung.

"Du hast um eine dringende Unterredung gebeten?", fragte der Fürst.

"Ich nehme an, du möchtest mich über dein Treffen mit Ybanez unterrichten..."

"So ist es, Herr", bestätigte Chase und verneigte sich leicht dabei. Der Fürst musterte ihn knapp. Die Blutflecken an Chase' Kleidung quittierte er dabei mit dem Hochziehen der Augenbrauen.

"Es scheinen sich unvorhergesehene Vorkommnisse ereignet zu haben."

"Ja, Herr."

"Berichte!"

In knappen Worten fasste Chase zusammen, was sich zugetragen hatte. Der Fürst hörte mit ernstem Gesicht zu. Eine dicke Furche bildete sich dabei zwischen seinen Augen.

Als Chase geendet hatte, herrschte einige Augenblicke lang Schweigen. Der Fürst drehte sich herum, wandte seinem Stellvertreter den Rücken zu. Irgendeiner aufblinkenden Anzeige auf einem der Computerschirme wandte der hohe Herr nun für einige Augenblicke seine Aufmerksamkeit zu. Schließlich fragte er: "Du bist dir ganz sicher, dass Ybanez gewissermaßen auf dich gewartet hat?"

"Ja, Herr. Vollkommen. Er wollte mich töten und mir scheint, das war auch der einzige Zweck dieses Zusammentreffens."

"Aber was könnte das Motiv dafür sein? Welchen Vorteil hat Ybanez sich davon versprochen? Dieser verfluchte Narr..."

"Ich habe mir auch schon den Kopf darüber zerbrochen, Herr!"

"Was hätte er davon gehabt, meinen Stellvertreter umzubringen?"

"Großen Ärger mit der Organisation, Herr."

"Ja, und Ybanez konnte alles gebrauchen, nur das nicht!" Der Fürst ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten, presste sie dermaßen zusammen, dass die Knöchel ganz weiß wurden. "Ohne meine Protektion wäre dieser fette Mops ein Nichts gewesen! Was hat er sich nur eingebildet!"

"Ich nehme an, dass er eine Rebellion plante", sagte Chase. Der Fürst wirbelte herum.

"Was?"

"Eine andere Erklärung wüsste ich nicht!"

"Dann streng dein Hirn mal ein bisschen an! Eine Rebellion halte ich für ausgeschlossen!"

"Bis zum Vorfall an den Piers habe ich auch so gedacht", meinte Chase.

"Aber wie man es auch dreht und wendet, es ist die einzige plausible Erklärung."

"Dann muss Ybanez mächtige Freunde haben. Sonst könnte dieser schwächliche Subalterne, der zu faul ist, um auf zwei Beinen zu laufen, so etwas unmöglich wagen..."

"Davon ist auszugehen, Herr!"

"Du musst herausfinden, was dahinter steckt Chase!"

"Ja, Herr!"

"Diese Angelegenheit hat höchste Priorität!" Der Fürst schüttelte den Kopf. Sein Blick schweifte über die zahlreichen Computerschirme. "Wenn es eine Rebellion war, dann wurde sie hervorragend geheim gehalten. Ich bin fast geneigt, dem Urheber so etwas wie einen professionellen Respekt zu zollen!"

"Was ist mit unseren Vampir-Gegnern aus Philadelphia?", fragte Chase.

"Möglicherweise hat Magnus von Björndal Verbündete in unserer Organisation gefunden!"

Der Fürst zuckte die Achseln.

"Magnus von Björndal hat natürlich offiziell nie mit irgendeiner Schweinerei zu tun! Selbst wenn wir seine Handlanger bei uns erwischen, streitet er ab, auch nur einen Gedanken darauf zu verwenden, mir in meinem eigenen Gebiet die Herrschaft streitig machen zu wollen!" Der Fürst streckte den Arm aus und deutete auf einen der Computerschirme.

"Ich werde dafür sorgen, dass dir sämtliche Informationen zur Verfügung stehen, die dir nützlich sein könnten. Du weißt, dass ich einen direkten Zugriff auf die Datenbanken aller Polizeibehörden und der Stadtverwaltung habe... Wäre doch gelacht, wenn sich da nicht irgendein Anhaltspunkt ergeben würde!"

Chase nickte untertänig.

"Ja, Herr!"

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"John, was tun wir hier eigentlich?", fragte die junge Blondine etwas befremdet, als ihr hoch gewachsener, dunkelhaariger Begleiter den spärlich beleuchteten Raum betrat.

John Asturias Arquanteur lächelte mild.

"Lass mich nur machen", meinte er.

"Du wirst hier ein Vermögen verspielen!"

"Ganz im Gegenteil, Celeste! Ganz im Gegenteil!"

"Außerdem..."

"Dich stört, dass es ein illegaler Spielsalon ist?" Arquanteur hob die dunklen Augenbrauen, die seinem ebenmäßigen Gesicht zusammen mit dem Oberlippenbart einen sinistren Zug gaben. Das gewisse Etwas, das sich nicht erklären ließ und das Celeste an diesem Mann deshalb ganz besonders faszinierte. "Ich habe keine Lust, Bekanntschaft mit den New Yorker Cops zu machen", meinte Celeste.

"Im Gegensatz zu dem Ort, von dem wir herkommen, sollen die Cops hier ganz nette Leute sein", meinte er leichthin. Er sprach von Port-auPrince auf Haiti. Dort hatte Celeste Myers den gut aussehenden Arquanteur kennen gelernt. Sie war Amerikanerin. Welcher Nationalität er war, wusste sie bis heute nicht genau. Bei seinen Sachen hatte sie einen haitianischen, einen französischen und einen kanadischen Pass entdeckt. Arquanteur hatte sie dabei überrascht. Celeste erinnerte sich nur noch daran, dass sie dieser Umstand daraufhin nicht mehr sonderlich interessiert hatte. Sie hatte ihn plötzlich für völlig unwichtig gehalten, obwohl sie noch wenige Augenblicke zuvor geargwöhnt hatte, ihre neue große Liebe könnte in irgendwelche illegalen Geschäfte verwickelt oder ein Spion für irgendeine fremde Macht sein.

Sie bedachte ihn mit einem tadelnden Gesichtsausdruck.

"Du willst mich auf den Arm nehmen!"

"Keineswegs. In einem Salon wie diesem sind Einsatz und Gewinnmöglichkeiten etwas höher als man es sonst erwartet..."

"Und du willst dieses Risiko eingehen?"

"Ich brauche etwas Geld."

"Bislang hatte ich nicht den Eindruck, dass du knapp bei Kasse bist, John!"

"Na eben! Und das soll doch auch so bleiben, oder?" Arquanteur sah ihr in die Augen. Sein Blick wirkte sehr intensiv. "Mach dir keine Sorgen", sagte er dann in einer sehr tiefen, sonoren Stimmlage. Celeste schluckte.

Sie hing an diesem geradezu hypnotisch wirkenden Blick. Ihr Puls beschleunigte sich. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn.

"Ja", hauchte sie.

"Cops sind hier so leicht beeinflussbar wie überall", murmelte er. "Also hör auf darüber nachzudenken, ob sie uns in die Quere kommen könnten!"

"Ja!"

Ihr Blick wirkte jetzt geradezu entrückt.

"Im Übrigen wirst du mir an diesem Abend zwar Gesellschaft leisten, dich aber später an nichts erinnern was hier geschehen ist!"

"Aber..."

Ein kurzer Protest, der im Keim erstickt wurde.

John Asturias Arquanteur hob die Hand, berührte Celeste an der Schläfe. Ein geradezu seeliger Gesichtsausdruck beherrschte jetzt ihre Züge.

"Ja!", hauchte sie.

Ein mildes Lächeln umspielte Arquanteurs Lippen.

Aber in seinen Augen glitzerte es kalt.

"So gefällst du mir!", meinte er. Ihre Willenskraft war nicht besonders ausgeprägt und so war es für Arquanteur nicht allzu schwer, ihren Geist zu kontrollieren.

Arquanteur tat das nicht um seinetwillen. Wenn es einen Menschen gab, dem er vertrauen konnte, dann war es Celeste. Sie glaubte an ihn und seine Mission, den Kampf gegen die Mächte des Bösen. Und sie liebte ihn aufrichtig.

Celeste war allerdings eine Frau mit starken moralischen Skrupeln und Arquanteur wollte ihr Gewissen nicht unnötig damit belasten, dass der Mann, den sie liebte und dem sie bedingungslos gefolgt war, sich die finanziellen Mittel für seine Mission beim illegalen Glückspiel besorgte. Arquanteur fand, dass er Celeste nur einen Gefallen tat, wenn sie nicht dauernd darüber nachgrübeln musste, ob es richtig war, letztlich vom Geld der Mafia zu leben...

Gemeinsam schritten sie an den Roulette-Tisch.

"Faites vos jeux!", sagte der Groupier. Arquanteur machte seinen Einsatz und wenig später hieß "Rien ne vas plus!" Lächelnd verfolgte Arquanteur den Lauf der Kugel. Auch er ließ sich leicht beeinflussen. Zumindest für jemanden wie Arquanteur. Er konzentrierte sich auf die Bahn der Kugel, murmelte leise vor sich hin eine magische Beschwörungsformel, die ihm dabei half, seine geistigen Kräfte zu bündeln und schon hatte er das Spiel vollkommen in seiner Kontrolle. Arquanteur amüsierte sich insgeheim darüber, dass die Betreiber dieses illegalen Spielsalons genau dasselbe glaubten und daher den Spielern enorme Gewinne versprachen, obwohl in Wahrheit ein im wahrsten Sinne des Wortes abgekartetes Spiel lief. Die Roulettetische waren ebenso manipuliert wie die Backgammon-Runden. Hin und wieder wurde ein großer Gewinn ausgeschüttet, um den Spielern den Mund nach mehr wässrig zu machen. Aber im Grunde genommen stand jeder, der hier her kam, von vorn herein als Verlierer fest. Zumindest auf die Dauer gesehen. Natürlich hatte niemand mit jemandem wie Arquanteur gerechnet, der die ungeschriebenen Gesetze dieses Geschäfts einfach auf den Kopf stellte. Zumindest was ihn betraf.

Ist es nicht wunderbar?, dachte er. Das Geld, das ich für meinen Kampf gegen das Böse brauche, wird mir vom Bösen selbst gegeben!

Auch das war für ihn ein Grund, Orte wie diesen aufzusuchen. Es waren Gangster, denen er mit Hilfe seiner übernatürlichen Fähigkeiten in die Taschen griff. Gangster, die er dadurch, wie er meinte, gleichzeitig auf eine sehr wirksame Weise bekämpfte. Es kam, wie erwartet.

Der Lauf der Kugel bescherte ihm einen beträchtlichen Gewinn. Alle Augen waren plötzlich auf Arquanteur gerichtet. Der Groupier sah etwas verwirrt aus, drehte sich hilfesuchend zu einem seiner Kollegen um. Einige Männer in dunklen Anzügen wirkten plötzlich sehr nervös.

"Heute möchte ich das Glück herausfordern", sagte Arquanteur. "Ich werde meinen gesamten Gewinn wieder ins Spiel zurückgeben!" Ein Raunen ging durch die Reihen der anderen Spieler. Ein Stimmengewirr begann.

"Ich setze auf rot!" sagte Arquanteur.

Der Groupier hob die Schultern.

"Mesdames et messieurs... faites vos jeux!" Celeste hing an seinem Arm. Ihre Augen waren gespannt auf den Spieltisch gerichtet. "Rien ne vas plus!" Die Kugel rollte und Arquanteur ließ sie in einem roten Feld stecken bleiben. Er hatte erneut gewonnen.

"Sie scheinen heute eine Glückssträhne zu haben!", meinte einer der anderen Gäste. "Ich glaube, ich werde mal auf dieselben Farben setzen, die sie bevorzugen, Mister..."

"Smith!", sagte Arquanteur. "Nennen Sie mich einfach Smith!" Der Mann grinste breit.

"So nennt sich wahrscheinlich die Hälfte der Gäste hier im Raum!"

"Vermutlich!"

Unter den Gästen fiel Arquanteur jetzt ein Mann auf, der sich durch seine Kleidung vollkommen vom Rest des Publikums abhob. Er trug einen schneeweißen Anzug. Auch die Krawatte, das Hemd und sogar die Schuhe waren weiß. Das bildete einen scharfen Kontrast zu seinem schwarzen Haar und den dunklen Augen. Sein Gesicht war sehr hübsch und feingeschnitten, die Züge wirkten für einen Mann sehr weich.

Er hatte etwas an sich, das jeden, der ihn zum ersten Mal sah, an die Erscheinung eines Engels erinnerte.

Nur das unruhige Flackern seiner dunklen Augen ließ einen daran zweifeln. Und natürlich der spöttische Zug, der bisweilen um seinen Mund herum zu beobachten war.

"Ah, Mr. Gabriel", begrüßte Arquanteur den Mann in Weiß. "Es freut mich außerordentlich, Sie hier zu sehen!"

"Tut mir aufrichtig leid, dass ich diese Freude nicht teilen kann!", erwiderte Gabriel. Seine Stimme klirrte wie Eis. Arquanteurs ausgestreckte Hand ließ der Mann in Weiß zunächst einfach im Raum stehen. Dann zuckte sein Arm plötzlich empor, wie unter einem fremden Zwang. Gabriels Gesicht verzog sich zu einer grimmigen Maske.

"Na, also, es geht doch, Gabriel! Vergeuden Sie Ihre Kraft nicht in fruchtlosem Widerstand!"

"Was soll ich hier? Warum haben Sie mich hier her beordert?"

"Ich möchte, dass Sie etwas lernen!"

"Verschonen Sie mich mit diesen Ambitionen, Arquanteur! Da beißen Sie bei mir auf Granit."

"Es ist niemals zu spät für eine Umkehr, Gabriel. Sie wären nicht der Erste, der dem Bösen verfiel und auf den richtigen Weg zurückfand!"

"Unter Zwang, ja?"

Gabriel lachte so laut, dass sich einige der anderen Gäste nach dem Mann in Weiß umdrehten.

"Wenn es sein muss - ja!"

"Oh, mein Gott!"

"Eine alte Angewohnheit von Ihnen, nach dem alten Herrn zu rufen, nicht wahr?" Arquanteur hob die Augenbrauen. "Vielleicht wird er Sie eines Tages sogar wieder hören, Gabriel. Wenn Sie mir folgen..."

"Scheint, als hätte ich im Moment nicht die Möglichkeit nein zu sagen!", war Gabriels zynische Erwiderung.

"Ihr Glück, Gabriel!"

"Eine Sache des Standpunktes, Arquanteur! Und jetzt sagen Sie mir, was ich hier machen soll, damit ich die Sache schnell hinter mich bringen und wieder verschwinden kann."

"Ihre reizende Gefährtin Ptygia erwartet Sie wohl voll Ungeduld."

"Also?"

Arquanteur schüttelte den Kopf. "Ich muss Sie enttäuschen. Hier und jetzt sollen Sie nichts anderes tun als zu beobachten..." Der Mann in Weiß starrte Arquanteur ungläubig an.

"Beobachten?", echote er. "Was bitte beobachten?"

"Wie schwach das Böse ist, Gabriel! Es ist ein Lektion für Sie, die Sie sich im eigenen Interesse gut merken sollten!"

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BAD DEMON hieß der Gothic-Schuppen, in dem sich Chase ein paar Nächte später herumtrieb. Der Besitzer war ein Vampir namens Clyde Jones. Schon zu Lebzeiten hatte ihn das Übernatürliche und Okkulte fasziniert.

Die Sache mit Ybanez schrecklichem Ende hatte inzwischen unter den Vampiren New Yorks die Runde gemacht. Der Fürst hatte dafür gesorgt. Falls es innerhalb der Organisation noch jemanden gab, der Lust auf eine Rebellion hatte, so solle er durch Ybanez' Beispiel abgeschreckt werden. Clyde Jones war ebenfalls schockiert. Als er von Chase erfuhr, wer Ybanez getötet hatte, war er ziemlich perplex.

"Du warst das mit Ybanez, was? Sauberer Kill", stieß er hervor.

"Ich würde es noch lauter herumposaunen, dann kriegen es auch all die Sterblichen mit, die sich im Moment noch über die Scheiß-Musik ärgern, die du laufen hast!", versetzte Chase ziemlich giftig. Clyde gehörte zur Organisation, er war ein wichtiger Informant über alles, was in der Okkult-und Satans-Szene so ablief. Und wenn in New York ein dicker Vampir Amok lief, dann ging das verdammt noch mal auch ihn etwas an! Jedenfalls nach Chase' Meinung.

"Sorry!", beeilte sich Clyde sogleich einzulenken.

"Ich hätte Ybanez nicht abgemurkst, wenn es nicht absolut notwendig gewesen wäre!"

"Ja, schon klar, Mann! Macht dir ja auch niemand Vorwürfe, oder?"

"Das wäre ja auch wohl das Letzte!"

"Wenn der Fürst findet, dass es in Ordnung war, dann war es auch in Ordnung!"

Details

Seiten
Jahr
2021
ISBN (ePUB)
9783738951318
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (März)
Schlagworte
imperium dunkelheit

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Das Imperium der Dunkelheit 3